Mercedes-Benz Baureihen: BR 123 - der Souveräne mit Stern

Der Mercedes der oberen Mittelklasse wurde von 1975 bis 1985 gebaut

Mercedes-Benz Baureihen: BR 123  - der Souveräne mit Stern : Der Mercedes der oberen Mittelklasse wurde von 1975 bis 1985 gebaut
Erstellt am 17. Februar 2011

 Im Januar 1976 stellt Mercedes-Benz die Limousine der Baureihe 123 vor. Damit tritt der selbstbewusste Souverän seiner Klasse erstmals ins Licht Öffentlichkeit. Klassische Karosserielinien verorten den neuen Mercedes-Benz in der Tradition seines Vorgängers (W 115/114), sie verleihen dem neuen Wagen moderne Eleganz, schwungvolle Würde und natürliche Autorität. Hier steht kein automobiler Revolutionär vor dem Publikum, sondern ein rundum ausgereifter Wagen der oberen Mittelklasse, in dem sich aktuelle Technik und bewährte Konstruktionsmerkmale mit den Werten der Marke treffen. Das neue Modell wird von Fachleuten und Kunden entsprechend begeistert aufgenommen.

Mercedes W 123 - in dieser Baureihe steckte Zukunft drin

Die Konstruktion des W 123 weist auf verschiedene Weise in die Zukunft: Technisch mit ihren zahlreichen Innovationen im Bereich Fahrzeugsicherheit, ästhetisch mit ihrem Design, das sich am Erscheinungsbild der neuen S-Klasse W 116 und der aktuellen SL-Modelle R/C 107 orientiert. Ausdruck davon sind zum Beispiel die quer liegenden Scheinwerfer statt der bisher üblichen, klassischen Hochkant-Leuchten. Der W 123 überzeugt durch den hohen Standard der Verarbeitung, seine Funktionalität und vor allem durch das breite Angebot an Karosserievarianten und Motorisierungen. So ist aus dieser Baureihe von 1977 an erstmals eine von Mercedes-Benz selbst in Serie gebaute Kombi-Limousine zu haben: das erste T-Modell.

Ein Plus an Sicherheit und Komfort

Größere Sicherheit, mehr Komfort und eine höhere Servicefreundlichkeit: Das sind die Forderungen an die Konstrukteure von Mercedes-Benz, als 1968 das Lastenheft für die neue Baureihe entsteht. Fast acht Jahre später zeigt sich, dass die Stuttgarter Fachleute ihre Aufgabe überzeugend gelöst haben. Gerade das hohe Niveau der Sicherheitstechnik und die ausgereifte Gesamtkonstruktion sichern dem Typ von Beginn an die Aufmerksamkeit von Fachpresse und Käufern.

Mercedes W 123? Na, sicher!

Die Formulierung des Lastenhefts ist Grundlage für die Entwicklung des künftigen Mittelklasse-Modells. In den kommenden Jahren entstehen immer wieder neue Entwürfe, die zeigen, wie groß die Spanne der Möglichkeiten im Design für den neuen Mercedes-Benz ist: Behutsame Erneuerungen der bestehenden Baureihe sind unter den Studien ebenso vertreten wie futuristische Visionen mit scharfen Kanten, gewaltigen hinteren Dachüberhängen, steilen Heckscheiben und massigen Gummiwülsten rund um die Karosserie. Doch die gewagtesten Entwürfe bleiben in der Schublade. 1973 steht die Form des W 123 weitgehend fest. Erste Prototypen fahren 1974, im Sommer des Jahres beginnen auch die Testreihen der Fahrzeugsicherheit mit Aufprallversuchen.

Besonderen Wert legen die Konstrukteure bei der Entwicklung des neuen Typs auf eine noch höhere Sicherheit für die Insassen. Dieses Thema wird in den 1970er Jahren immer stärker diskutiert und führt auch zu neuen Vorschriften: So macht die Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1976 das Anlegen des Sicherheitsgurtes auf den Vordersitzen zur Pflicht. Entsprechend dieser Tendenz sind Rückhaltesysteme und Fahrgastzellen mit möglichst wenig Verletzungsquellen ein Schwerpunkt der Entwicklung. Auch über die Integration von Airbags denken die Konstrukteure bereits nach, eingebaut werden die Luftsäcke aber erst von 1982 an als Sonderausstattung des W 123.

1975: Glänzende Premiere für die Mercedes Baureihe W 123

Perfekte Vorbereitung ist das Motto vor dem Start der Serienfertigung. Für den Bau des W 123 wird bei Mercedes-Benz erstmals ein so genanntes Pilotband eingerichtet. Auf dieser Trainingsstrecke, die ähnlich wie die spätere Produktion ausgestattet ist, proben Mitarbeiter die Montage des W 123. Insgesamt 16 Fahrzeuge entstehen hier im Sommer 1975. Die minutiöse Vorbereitung lohnt sich. Denn das neue Modell kommt ausgezeichnet beim Publikum an. Schon bald nach der Präsentation des W 123 ist die erste Jahresproduktion ausverkauft, junge Gebrauchtwagen erzielen 1976 oft ihren Neupreis. Unter anderem wegen der langen 123er-Lieferzeiten, baut Mercedes-Benz parallel zum neuen Modell noch ein Jahr lang den Vorgänger Strich-Acht. Gerade Taxibetreiber, wichtige Kunden der mittleren Baureihe, drängen auf dieses Angebot.

Innovationen und bewährte Technik

Der W 123 ist eine technisch völlig neu konstruierte Baureihe, die sich allerdings sowohl an ihrem Vorgänger (W 115/114) wie auch an der neuen S-Klasse von 1972

(W 116) orientiert. Aus der Strich-Acht-Reihe übernimmt das neue Modell vor allem die Motoren, eine Ausnahme ist nur das neu konstruierte 2,5-Liter-Sechszylinderaggregat des Mercedes-Benz 250 (M 123). Aus der S-Klasse kommt unter anderem die Doppelquerlenker-Vorderradaufhängung. Dabei sind die Lenkdrehachsen der Räder so ausgerichtet, dass ihre gedachte Verlängerung mit der Standfläche der Reifen auf der Fahrbahn übereinstimmt. Diese neutrale Einstellung (Lenkrollradius Null) sorgt beim Bremsen dafür, dass die Räder nicht nach innen oder außen abgelenkt werden. Mit der Doppelquerlenkerachse entfällt auch der mit dem Ponton eingeführte Fahrschemel als Einheit von Motor, Getriebe und Vorderradaufhängung. Im Heck des W 123 arbeitet eine Diagonal-Pendelachse, die sich schon im W 115/114 bewährt hat.

Zur Sicherheit der Insassen trägt insbesondere die Kombination aus einer noch stabileren Fahrgastzelle mit großen Knautschzonen bei: Front und Heck des Fahrzeugs sind darauf ausgelegt, sich bei einer Kollision kontrolliert zu deformieren und so bei einem Aufprall deutlich mehr Energie aufzunehmen, als das bei früheren Konstruktionen der Fall gewesen ist. Der zentrale Bereich der Karosserie, die so genannte Sicherheitszelle (1951 patentiert als „gestaltfeste Fahrgastzelle, umgeben von Knautschzonen vorne und hinten“), hat noch mehr Stabilität durch den Einbau von stärkeren, geschlossenen Profilen in Dachrahmen und den sechs Dachsäulen erhalten. Für besseren Aufprallschutz sorgen stärkere Holme in den Türen. Die Lenksäule der Baureihe 123 ist ebenfalls mit Blick auf die Sicherheit des Fahrers optimiert worden: Ein Wellrohr verbindet Mantelrohr und Lenkaggregat miteinander. Bei einem Unfall kann das Wellrohr in verschiedene Richtung wegknicken. So verringert sich die Gefahr, dass die Lenksäule in die Fahrgastzelle eindringt. Diese Erfindung stammt ebenso wie die gestaltfeste Fahrgastzelle mit Knautschzonen von Béla Barényi, dem Pionier der passiven Fahrzeugsicherheit bei Mercedes-Benz. Der Einbau im W 123 ist die Premiere der 1963 patentierten Sicherheitslenkwelle als komplettes System.

1976: Mercedes Mittelklasse mit neuem Gesicht

Als Mercedes-Benz die neue Limousine der obere Mittelklasse 1976 auf den Markt bringt, ist auf den ersten Blick deren Zugehörigkeit zur aktuellen Stuttgarter Modellgeneration zu erkennen: Wie die S-Klasse W 116 und der neue SL der Baureihe 107 hat der W 123 quer liegende Scheinwerfer statt der früher aufrecht stehenden Leuchten. Das Gros der Modelle beleuchtet die Fahrbahn mit runden Scheinwerferpaaren, die jeweils hinter einer gemeinsamen, rechteckigen Streuscheibe untergebracht sind. Damit klingt bereits 1976 das Vier-Augen-Gesicht der E-Klasse von 1995 (W 210) und ihres Nachfolgers von 2002 (W 211) an. Einzig die beiden Spitzenversionen 280 und 280 E haben bereits bei der Premiere des W 123 rechteckige Halogen-Breitbandscheinwerfer. Mit der Modellpflege 1982 werden diese rechteckigen Strahler dann für alle Versionen sämtlicher Karosserievarianten eingeführt.

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Die Linienführung der Limousine, von der sich die anderen Karosserien ableiten, überzeugt 1976 durch die Integration moderner Elemente bei gleichzeitiger Wertschätzung des bewährten Konzepts: Die Entwürfe der Planungszeit haben zwar zahlreiche Varianten ins Gespräch gebracht. Aber weder gigantische Heckspoiler auf Dachniveau noch Fließheck finden den Weg in die Serie. Zur Premiere des neuen Modells wird der W 123 nicht nur als Limousine angeboten, sondern auch als Fahrgestell. Das entspricht der Tradition von Mercedes-Benz. Vor allem Binz (Lorch) und Miesen (Bonn) bauen Krankenwagen auf dieser Basis; Bestattungswagen entstehen bei Pollmann (Bremen), Rappold (Wülfrath), Stolle (Hannover) und Welsch (Mayen). Die Fahrgestelle mit normalem Radstand (2,80 Meter) bekommen die Baureihennummer F 123 und werden zunächst als 240 D und 230 angeboten. Die auf einen Radstand von 3,43 Meter verlängerten Fahrgestelle (VF 123) gibt es zunächst von den Typen 240 D, 300 D und 250.

Mercedes Motor mit vier oder sechs Zylindern?

Auf bewährte Technik greifen die Schöpfer des W 123 auch bei den Motoren zurück: Allein der neue 2,5-Liter-Sechszylinder M 123 im Typ 250 (95 kW/129 PS) entsteht für die Premiere neu. In den anderen acht Modellen des ersten Jahres arbeiten Motoren, die auch schon den Strich-Acht vorangetrieben haben: Der Reihenvierzylinder M 115 kommt in den Typen 200 (69 kW/94 PS) und 230 (80 kW/109 PS) zum Einsatz, die Spitzenmodelle der Typen 280 (115 kW/156 PS) und 280 E (130 kW/177 PS) werden vom Reihensechszylinder M 110 (als Vergaser- und als Einspritzmotor) nachdrücklich mobil gemacht. In den Dieseltypen 200 D (40 kW/55 PS), 220 D (44 kW/60 PS) und 240 D (48 kW/65 PS) arbeitet der Vierzylindermotor OM 615, den Typ 300 D (59 kW/80 PS) treibt das Fünfzylinderaggregat OM 617 an.

Bereits 1978 überarbeitet Mercedes-Benz diese Motorenpalette gründlich. Bis zum Ende der Baureihe 123 nimmt die Leistung der einzelnen Modelle aufgrund verbesserter Antriebsaggregate zu. Der Typ 200 (jetzt 80 kW/109 PS) erhält 1980 sogar einen neuen Motor, den M 102. Dieser arbeitet als Einspritzer auch im 100 kW (136 PS) starken Typ 230 E. Ein herausragendes neues Triebwerk ist auch der aufgeladene Fünfzylinder-Diesel OM 617, der 1981 für den Typ 300 D Turbodiesel (92 kW/125 PS) in die Baureihe aufgenommen wird. In den Vereinigten Staaten wird dieser aufgeladene Selbstzünder-Motor in allen Karosserievarianten angeboten, in Deutschland jedoch gibt es den Typ 300 D Turbodiesel ausschließlich als T-Modell.

1977: Drei neue Mercedes Varianten in einem Jahr

Die Begeisterung für den W 123 steigert sich 1977 noch einmal. Denn in diesem Jahr präsentiert Mercedes-Benz gleich drei weitere Karosserievarianten: das Coupé, die Limousine mit langem Radstand und erstmals in der Markengeschichte ein T-Modell aus Werksfertigung. Mit dieser Ausweitung der Modellpalette unterstreichen die Stuttgarter nachdrücklich, wie vielseitig die neue Baureihe ist. Das Coupé kommt im Vergleich zu seinem Vorgänger viel eigenständiger gegenüber der Limousine daher. Und das T-Modell eröffnet eine ganz neue Karosserievariante in der Serienfertigung von Mercedes-Benz. Im März 1977 sorgt auf dem Internationalen Autosalon in Genf das Coupé der Baureihe 123 für Aufregung. Während die Coupés der Strich-Acht-Reihe sich stilistisch sehr eng an der Limousine orientiert haben, sind die neuen Typen 230 C, 280 C und 280 CE deutlich eigenständiger geraten.

Mercedes Klassiker mit besonderem Chic: das Coupé

Vor allem der gegenüber der viertürigen Version 8,5 Zentimeter kürzere Radstand verleiht dem Wagen im Zusammenspiel mit seinem niedrigeren Dach und den stark geneigten Front- und Heckscheiben eine gedrungene, sportlichere Erscheinung. Auch die Fahrzeugsicherheit haben die Entwickler verbessert: Eine versteifte Dachrahmen-Struktur mit hochfesten Dachpfosten und die verstärkten Türen ergeben eine noch stabilere Sicherheits-Fahrgastzelle. Grundsätzlich profitiert der C 123 auch vom Karosserieentwurf der Limousine, deren Knautschzonen an Front und Heck auf kontrollierte Deformationsfähigkeit ausgelegt sind. Mit den viertürigen Wagen haben die Coupés ebenfalls das Fahrwerk (Schräglenker-Hinterachse und Doppelquerlenker-Vorderradaufhängung mit Lenkrollradius Null) sowie die Bremsanlage gemein.

Bei der Ausstattung orientieren sich die zweitürigen Ausführungen an den gehobenen Ausführungen der Spitzen-Limousinen 280 und 280 E. Dazu gehören für alle drei Coupé-Typen rechteckige Breitband-Scheinwerfer, verchromte Lufteinlassgitter vor der Frontscheibe und Chromleisten unter den Heckleuchten. So wirkt sich die Modellpflege im September 1982 auf die Coupés weniger stark aus als auf die Limousinen. Schließlich gehören die nun für alle Typen eingeführten Breitbandscheinwerfer schon immer zur Ausstattung der Coupés. Am besten lassen sich die neuen Coupés durch die von 1982 an nun schwarz lackierten Lüftungsgitter vor der Frontscheibe erkennen.

Selbstzünder für das Mercedes Coupé

Mit dem Vierzylinder-Coupé vom Typ 230 C (80 kW/109 PS), sowie den beiden Sechszylinder-Typen 280 C (115 kW/156 PS) und 280 CE (130 kW/177 PS) gibt es zum Start der Produktion drei Versionen mit Benzinmotor. Bereits im Herbst 1977 kommt der Typ 300 CD (59 kW/80 PS) und damit ein Diesel-Coupé hinzu, das jedoch ausschließlich für den US-amerikanischen Markt produziert wird. Die Diesel-Offensive im eleganten Blechkleid hat unter anderem das Ziel, den Flottenverbrauch der Mercedes-Benz Automobile auf dem nordamerikanischen Markt zu reduzieren. Der Flottenverbrauch beschreibt den durchschnittlichen Treibstoffverbrauch aller Modelle einer Marke, mit den sparsamen Dieselmotoren kann Mercedes-Benz hier überzeugend punkten. Nachdem sich die Grenzwerte für den Flottenverbrauch weiter verschärfen, wird der Typ 300 CD im Jahr 1981 durch den Typ 300 CD Turbodiesel ersetzt. Auch dieses Coupé mit 92 kW (125 PS) Leistung wird nicht für den europäischen Markt angeboten, sondern löst in den USA den Typ 280 CE ab.

1980 ersetzt der neue Typ 230 CE das Coupé vom Typ 230 C. Dessen Motor M 102 mit mechanisch gesteuerter Benzineinspritzung liefert 100 kW (136 PS). Mercedes-Benz liefert das Coupé auf Wunsch auch mit ABS und – ab 1982 – mit Airbag. Im August 1985 endet die Serienfertigung des C 123. Insgesamt 99 884 Fahrzeuge des Typs entstehen von 1977 bis 1985, davon 15 509 mit Dieselmotor. Von der Begeisterung der Kunden am neuen Coupé sprechen vor allem in den ersten Monaten die Wartezeiten: Wer 1977 bestellt, muss teilweise länger als zwei Jahre auf sein Fahrzeug warten.

1977: Langversion der W 123 Limousine

Im August 1977 stellt Mercedes-Benz die Langversion der Mittelklasse-Limousine vor: Der V 123 hat einen um 63 Zentimeter längeren Radstand (3,43 Meter) als die Limousine (2,80 Meter). Das bietet genug Platz für eine dritte Sitzbank und macht den Wagen zum bequemen Taxi, Firmen- oder Hotelwagen für sieben Passagiere. Angeboten werden die Typen 250, 240 D und 300 D mit den jeweils gleichen Motorisierungen wie im W 123. Während bei der Heckflosse das Angebot einer achtsitzigen Limousine noch auf einen sehr wirtschaftlichen Diesel-Motor beschränkt ist (Typ 200 D lang), folgt die Baureihe 123 mit gleich drei leistungsstarken Versionen der Langlimousine dem Trend des Strich-Acht.

Die Limousine mit langem Radstand ist trotz ihrer stattlichen Maße und der leistungsfähigen Motoren nicht in erster Linie als Repräsentationsfahrzeug gedacht. Dafür spricht auch, dass noch immer die Dieselmotoren in der Mehrzahl gegenüber dem Ottomotor des Typ 250 bleiben. Vielmehr dient diese Karosserievariante als anspruchsvoller Reisewagen für mehrere Passagiere. Im Einsatz für Hotels und Messegesellschaften sowie als Großtaxi überzeugt der V 123 mit hohem Fahrkomfort und großzügigem Platzangebot. Viele Eigenschaften dieser Karosserievariante übernehmen später gut ausgestattete Vans.

1977: Mercedes T-Modell auf der IAA vorgestellt

Eine Kombinationslimousine ist die Verbindung aus Personen- und Lieferwagen. Solche Fahrzeuge gibt es schon seit mehreren Modellgenerationen mit dem Mercedes-Stern auf der Kühlerhaube. Doch die Wagen werden nicht in Sindelfingen produziert, sondern sind das Werk von Aufbauspezialisten: Den 170 V liefert Lueg (Bochum) von 1953 an als Ladekünstler, Binz (Lorch) macht Ende der 1950er Jahre sogar aus dem edlen W 186 eine Kombinationslimousine. Es folgen Versionen des Ponton, der Heckflosse und des Strich-Acht (jeweils von Binz und von Miesen), wobei vor allem die Lösungen des W 115 mit der unverändert aus den Limousinen übernommenen C-Säule als stilistisch fragwürdig gelten.

Ganz fremd sind die praktischen Karosserievarianten mit großem Laderaum den Stuttgarter Ingenieuren und Gestaltern aber nicht. Zunächst hat Mercedes-Benz die kleine Heckflosse als Kombimodell des belgischen Herstellers IMA mit dem Namen Universal selbst vertrieben. Und die bis zur Serienreife entwickelte Kombi-Variante des Strich-Acht zeigt bereits, wie ein attraktiver Ladekünstler aussehen soll. Der Kombi wird dann doch nicht gebaut. Auch in der Konstruktionsphase des W 123 gibt es noch Vorbehalte gegen eine Kombinationslimousine als vollwertiges Mitglied der Modellfamilie. Der Grund für diese ablehnende Haltung liegt vor allem im Ruf der Kombis: Zu sehr erinnere diese Karosserieform an den Einsatz für Handwerk und Gewerbe, warnen die Kritiker. Das vertrage sich nicht mit dem Anspruch eines Wagens der oberen Mittelklasse von Mercedes-Benz.

T wie Transport: Die Geburtstunde des Mercedes T Modells

Allerdings zeigt die Marktforschung, die während der Konzeption der Baureihe 123 läuft, dass eine deutliche Nachfrage nach einem sportlichen, luxuriösen Fünftürer aus einem ganz anderen Segment des Marktes besteht: Die Kombinationslimousine ist auf dem besten Weg, zum Familien- und Freizeitmobil zu werden. Das sieht auch der Vorstand ein und gibt 1975 grünes Licht für das Projekt. „Kombi“ soll der neue Mercedes aber dennoch nicht heißen, auch der Zusatz „Universal“ findet 1975 keine Zustimmung mehr. Zunächst wird die Bezeichnung „Stationswagen“ angedacht. Statt „250 K“ oder „250 U“ trüge die Laderaum-Variante des kleinen Sechszylinders dann das Kürzel „250 St“ auf der Heckklappe. Schließlich fällt die Entscheidung – das Kürzel „T“ soll die neue Variante bezeichnen. Der Buchstabe steht für Tourismus und Transport. Die außergewöhnlich große Nachfrage sofort nach der Vorstellung des Fahrzeugs auf der IAA legt auch die Bedeutung „Trend“ nahe. Nur die interne Baureihenbezeichnung erinnert noch an den Begriff Stationswagen: das T-Modell hat die Chiffre S 123.

Mercedes T-Modell: Das sportlich-elegante Platzwunder

Im April 1978 beginnt die Serienproduktion des T-Modells im Werk Bremen. Das Fahrzeug entspricht technisch der Limousine: Antrieb, Bremsen und Fahrwerk sind ebenso identisch wie die äußeren Abmessungen (Länge, Breite und Radstand). Das Heck mit seiner hohen Abschlusskante und der niedrigen Ladekante macht aus der neuen Modellvariante allerdings ein echtes Raumwunder: Auch wenn die serienmäßigen Sitze mit Fahrer und bis zu vier Passagieren belegt sind, bietet der Ladekünstler noch Raum für 523 Liter Zuladung bis zur Fensterkante. Bei umgeklappter hinterer Sitzbank schluckt der Laderaum sogar 879 Liter bis zur Fensterkante. Das Konzept bietet zudem mehrere Variationsmöglichkeiten in der Gestaltung des Innenraums. So kann die Rücksitzbank als Sonderausstattung mit einer asymmetrischen Teilung geliefert werden. Je nach Bedarf lassen sich dann ein oder zwei Drittel der Lehne umlegen. Zu bestellen sind auch zusätzliche Klappsitze, die im Kofferraumboden untergebracht sind, freilich mit Blickrichtung gegen die Fahrtrichtung. Der Stauraum wird so besonders variabel – einem gut ausgestatteten Fahrzeug für Familie und Sport, für Tourismus und Transport angemessen.

Eine automatische hydropneumatische Niveauregulierung sorgt für hohen Fahrkomfort – unabhängig vom Gewicht der Zuladung, das bei dem rund 1500 Kilogramm schweren T-Modell bis zu 45 Prozent des Leergewichts beträgt. Denn auf Wunsch ist eine Ausstattung mit 15-Zoll-Rädern, anderen Federn und Stoßdämpfern sowie einem stärkeren Bremskraftverstärker möglich. Dann steigt die Zuladung des T-Modells von serienmäßigen 560 Kilogramm auf 700 Kilogramm. Zu den weiteren angebotenen Optionen gehören die Kindersitzbank im Laderaum und eine verchromte Dachreling. Die Reling wird allerdings bereits im Sommer 1978 Serienausstattung. Alle T-Modelle sind mit durchgehendem Teppichboden ausgestattet, auch auf der Ladefläche. Eine Trennung zwischen Passagier- und Laderaum durch verschiedene Materialien wie bei Kombis anderer Hersteller gibt es also nicht.

Angeboten wird die neue Karosserievariante zunächst als in den Typen 230 T, 250 T und 280 TE sowie 240 TD und 300 TD. Für alle Typen sind Leichtmetallfelgen als Sonderausstattung zu haben, doch nur der Typ 280 TE trägt Scheinwerfer im Rechteck-Design. Gebaut wird das T-Modell im Werk Bremen, lediglich die auf der IAA gezeigten Modelle und die ersten 100 Wagen der Serie entstehen in Sindelfingen. Während 70 Mitarbeiter des Bremer Werks nach Sindelfingen kommen und intensiv auf die Produktion der neuen T-Reihe geschult werden, bereiten gleichzeitig 40 Spezialisten aus dem Stammwerk des W 123 den Bau des Ladekünstlers in Norddeutschland vor. Die später immer wieder gelobte hoch präzise Verarbeitung des S 123 gibt dieser aufwändigen Vorbereitung Recht.

Turbodieselpremiere und Modellpflege für die Mercedes Baureihe 123

Während der Bauzeit des W 123 wird die Leistung verschiedener Modelle mehrfach verbessert, außerdem kommen neue Typen dazu. So löst 1980 der neue Motor M 102 das alte Aggregat M 115 ab; im Typ 200 leistet der neue Vierzylinder als Vergasermotor 80 kW (109 PS), im Typ 230 E, der den alten 230 ersetzt, bringt der erstmals mit einer Benzineinspritzung versehene Reihenvierzylinder 100 kW (136 PS). Im Oktober 1980 präsentiert Mercedes-Benz erstmals in Deutschland einen Personenwagen mit aufgeladenem Dieselmotor. Der 92 kW (125 PS) starke Typ 300 TD Turbodiesel hat den gleichen Motor wie die Limousine 300 D Turbodiesel und das Coupé vom Typ 300 CD Turbodiesel, die beide ausschließlich für den US-Markt gebaut werden. Der Turbodiesel ist bei seiner Präsentation 1980 mit einem Grundpreis von 37 200 DM fast das teuerste Serienmodell der Baureihe 123. Nur der Coupétyp 280 CE kostet im Grundpreis noch 100 DM mehr. Entsprechend trägt der Wagen mit dem aufgeladenen Dieselaggregat die gehobene Karosserie-Ausstattung mit rechteckigen Breitwandscheinwerfern und verchromten Lufteinlassgittern vor der Frontscheibe. Im September 1982 entfällt das bisherige Unterscheidungsmerkmal der runden Doppelscheinwerfer für die kleineren Modell des W 123: Alle Modelle der Baureihe 123 erhalten im Rahmen eines umfangreichen Modellpflege-Pakets die schon von den Typen 280 und 280 E bekannten rechteckigen Breitbandscheinwerfer. Zu den zahlreichen anderen Verbesserungen gehören geänderte Windleitprofile an den A-Säulen sowie die serienmäßige Servolenkung.

Vielseitig: Sonderausführungen der Mercedes Baureihe 123

Der W 123 dient oft als Basis für verschiedene Auf- und Umbauten. Für Einsatzzwecke von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten gibt es modifizierte Limousinen und T-Modelle. Als Krankenwagen bauen Firmen wie Binz und Miesen Fahrgestelle auf. Auch andere Auf- und Umbauten als Bestattungswagen, Pick-up oder Cabrio entstehen bei externen Karosseriefirmen. Für den Taxibetrieb schließlich bietet Mercedes-Benz Limousine, T-Modell und die Limousine mit langem Radstand ab Werk mit entsprechenden Spezifikationen an. Verschiedene Tuning-Versionen der Baureihe bieten während der Bauzeit des W 123 beispielsweise die Unternehmen AMG, Brabus oder Lorinser an. Die Maßnahmen reichen von optischen Veränderungen der Karosserie mit Hilfe von Lackierung, dem Anbau von Schwellern und verschiedenen Leichtmetallfelgen bis zu Modifikationen des Fahrwerks durch Tieferlegen, straffere Dämpfung und der Veränderung des Sturzes an beiden Achsen. Optimierungsprogramme für die Serienmotoren oder der Einbau von stärkeren Aggregaten runden die Möglichkeiten der sportlichen Verbesserung ab.

Schon damals effizient: Alternative Antriebe für den Mercedes

Mercedes-Benz beginnt schon früh damit, alternative Antriebstechniken zu untersuchen. Dazu dienen auch immer wieder Fahrzeuge der Baureihe 123, die von den Ingenieuren als Versuchsträger eingesetzt werden. So stellt Mercedes-Benz 1983 einen 280 TE mit Wasserstoffantrieb vor. Auch ein Versuchsfahrzeug mit Elektroantrieb auf Basis des T-Modells gibt es. Sogar als Serienmodell ist von 1982 an ein Typ 200 mit bivalentem Antrieb zu haben: Der Wagen wird mit Flüssiggas oder Benzin betrieben, die jeweilige Antriebsart wählt der Fahrer über einen Schalter.

Ein Mercedes macht Karriere: Vom Volumenmodell zum Klassiker

Die Produktion der Limousine endet im November 1985. Wie schon beim Übergang von Strich-Acht zum W 123 wird die neue Baureihe 124 fast ein Jahr lang parallel zum alten Modell produziert. Die besonders erfolgreichen T-Modelle der Baureihe 123 nimmt Mercedes-Benz erst im Januar 1986 aus der Produktion. Von 1975 bis 1986 wird die Baureihe 123 hergestellt, insgesamt knapp 2,7 Millionen Fahrzeuge. Darunter machen die Limousinen mit 2 389 140 Exemplaren (2 375 440 Limousinen mit normalem und 13 700 Limousinen mit langem Radstand) den weitaus größten Teil aus. Immerhin 199 517 Einheiten des neuen T-Modells entstehen, dazu kommen 99 884 Coupés sowie schließlich 8 373 Fahrgestelle für Sonderaufbauten. Rund 1 080 000 Wagen der Baureihe werden exportiert. Viele Jahre prägt die Baureihe 123 noch nach dem Ende der Produktion das Straßenbild. Mittlerweile ist diese Generation der oberen Mittelklasse von Mercedes-Benz rar geworden. Gleichzeitig hat sich der Dauerläufer damit aber auch als junger Klassiker etabliert, insbesondere das Coupé zählt zu den begehrten Wagen der Youngtimer-Szene.

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