Mercedes-Benz Baureihen: Die W114 / W115 „Strich-Acht“

Kein Strich durch die Rechnung – Der zuverlässige Mercedes Oldtimer mit einer Stückzahl von knapp 2 Millionen.

Mercedes-Benz Baureihen: Die W114 / W115 „Strich-Acht“: Kein Strich durch die Rechnung – Der zuverlässige Mercedes Oldtimer mit einer Stückzahl von knapp 2 Millionen.
Erstellt am 9. September 2009

Aus der Ära der Heckflossen hervorgehend, setzten die Baureihen der W115 und 114 eine klare Abgrenzung gegen die Einheitskarosserie der Vorgänger. Sportlich, flott und dennoch elegant unterstreicht die „Strich-Acht“ genannte Reihe (Wenngleich alle Modelle des Jahres 1968 die hausinterne Bezeichnung „/8„ erhielten) die eigene Autonomie von vorhergehenden Baureihen – und bezeugt geradezu nebensächlich den Innovationswillen der Mercedes-Benz Ingenieure. Schon seit 1961, also sieben Jahre zuvor, planten die Entwickler die neue Baureihe der oberen Mittelklasse – als auf dem Markt gerade die „kleine Heckflosse“ Zulauf findet. Der Strich-Acht setzte Fundamente, die für spätere Maßstäbe setzen sollten für die später als E-Klasse ein benannten Nachfolger.

Sechs Modelle sollt ihr sein

Zunächst umfasst die Modellpalette der „Strich-Acht“ sechs Limousinen: Die Vierzylindertypen 200, 220, 200 D und 220 D bilden die Baureihe 115. Die beiden Sechszylindervarianten 230 und 250 erhalten die Baureihenbezeichnung W 114 und zudem zur Unterscheidung eine Kühlermaske mit einem grobmaschigerem Gitter, wie es seit 1968 auch die Typen 280 S und 300 SEL 6.3 tragen. Als Spitzenmodell unterscheidet sich der Mercedes-Benz 250 von den anderen Typen durch seine Doppelstoßstange vorn. Die Nachfrage war für alle Typen von Beginn an groß und sorgt bald für lange Lieferzeiten.

Chefingenieur Nallinger legt schon 1960 wichtige Eckpunkte für das kommende Fahrzeug fest: Die Konstruktion soll im direkten Vergleich zum Oberklasse-Typ deutlich kompakter ausfallen als es bisher der Unterschied zwischen Vier- und Sechszylindervarianten der Einheitskarosserie erlaubt. Entsprechend wichtig ist bei kleineren Außenmaßen die gute Raumökonomie der Fahrgastzelle. Die Form soll in schlichter Eleganz zeitlos sein.

Gutmotorisierte Limousinen der oberen Mittelklasse

Zunächst tritt der neue Mercedes-Benz mit sechs Limousinen an. Die Typen 200 und 220 werden vom neuen Vierzylinder-Vergasermotor M 115 mit zwei Liter Hubraum

(70 kW/95 PS) beziehungsweise 2,2 Liter Hubraum (77 kW/105 PS) angetrieben. In den Diesel-Varianten 200 D und 220 D arbeitet der ebenfalls neue Motor OM 615 in einer Zweiliter-Version mit 40 kW (55 PS) respektive einer 2,2-Liter-Variante mit 44 kW (60 PS) Leistung. Der 2,3-Liter-Reihensechszylinder M 180 des Typ 230 ist bereits aus dem Vorgängermodell bekannt, er leistet wie in der Heckflosse 88 kW (120 PS). Neu in die Motorenpalette kommt der 2,5-Liter-Reihensechszylinder M 114, der 96 kW (130 PS) mobilisiert.

Bewährtes mit neuem Verbinden

Bei den neuen Motoren beider Baureihen setzt Mercedes-Benz auf bewährte Technik: Die Vierzylindertypen 200 und 220 (M 115) erhalten Stromberg-Horizontalvergaser, der Sechszylinder der Typen 230 (M 180) und 250 (M 114) erhält zwei Zenith-Fallstrom-Registervergaser. Die Vierzylinderaggregate erweisen sich als so zuverlässig, dass auch die 1976 folgende Baureihe 123 zunächst mit den Motoren M 115 und OM 615 ausgestattet wird.

Das hervorstechende konstruktive Detail der neuen Baureihe liegt unter dem Kofferraum: Die Strich-Acht-Typen sind mit der sogenannten „Diagonal-Pendelachse“ ausgestattet. Damit hat nun erstmals ein Mercedes-Benz Serien-Pkw eine Schräglenker-Hinterachse. Die Diagonal-Pendelachse hat unter anderem Gummi-Zusatzfedern und einen serienmäßigen Drehstab-Stabilisator. Gegenüber den Vorgängermodellen bringt die neue Achse deutlich verbesserte Fahreigenschaften, ohne dass dabei Einbußen beim Fahrkomfort entstehen. Die verbesserten Fahreigenschaften erkennen auch internationale Automobiljournalisten, die im Dezember 1967 zu einem ersten Fahrtest auf die alte Strecke der Targa Florio nach Sizilien eingeladen werden. Schnee, Glatteis und die schmalen Bergstraßen der Madonie verlangen dem Fahrwerk viel ab, doch der Strich-Acht bewährt sich hervorragend.


Kein Leichtgewicht - Gewinn an passiver Sicherheit

Dabei sind die Wagen keine Leichtgewichte. Denn hinsichtlich Radstand und Gewicht ist die mittlere Baureihe von Mercedes-Benz seit dem Ponton (2,65 Meter und 1,22 Tonnen) über Heckflosse (2,70 Meter und 1,28 Tonnen) zum Strich-Acht (2,75 Meter und 1,36 Tonnen) konsequent gewachsen. Die Gesamtlänge des neuen Typs liegt jedoch mit 4,68 Metern unter Durchschnitt – das neue Verhältnis unterstreicht mit ausgewogenen Proportionen die klare Linienführung in der Silhouette. Das zusätzliche Gewicht ist vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der passiven Sicherheit geschuldet, die den Überlegungen des Mercedes-Benz Ingenieurs Und Sicherheits-Pionier Béla Barényi entsprangen

Die Fahrzeugsicherheit steht im Vordergrund einer umfangreichen Modellpflegemaßnahme, der im September 1973 alle Varianten der Baureihen 115 und 114 unterzogen werden. Viele der neuen Details übernehmen die Konstrukteure dabei von den SL- und SLC-Typen der Baureihe 107 sowie der aktuellen S-Klasse (W 116). Dazu gehören zum Beispiel beweglich gelagerte, von innen verstellbare Außenspiegel sowie schmutzabweisende Zierblenden an den A-Säulen, welche die Seitenscheiben auch bei widrigen Witterungsverhältnissen sauber halten, sowie eine Regenrinne an der Heckscheibe. Besonders auffallend in der Heckansicht sind die profilierten verschmutzungsarmen Rückleuchten. Von März 1973 an gehören dann auch Kopfstützen und Automatik-Sicherheitsgurte auf den Vordersitzen zur Serienausstattung.

Die verbesserten Typen werden auch optisch aktualisiert und dabei besonders dem Erscheinungsbild der S-Klasse angepasst: Der Kühlergrill fällt nun niedriger und breiter aus, die Seitenscheiben haben keine Ausstellfenster mehr, die Kennzeichenblende wird auf der vorderen Stoßstange befestigt statt darunter, und der Griff des Kofferraumdeckels bekommt eine andere Form. Weil auch die Bugschürze dem Design der S-Klasse angeglichen wird, verlieren die Typen 250 bis 280 E – zusammen mit den Coupés – ihre vorderen Doppelstoßstangen. Optisch heben sich als einzige Limousinen der Baureihe die Typen 280 und 280 E weiterhin von den anderen Varianten ab, denn ihre lange hintere Stoßstange haben die Designer belassen.

Der erste Fünfzylinder-PKW-Diesel

Im Juli 1974 setztde Mercedes-Benz die Entwicklung fort: Der Typ 240 D 3.0 der Baureihe 115 wurde der erste in Serie gebaute Fünfzylinder-Diesel-Pkw. Seinen Motor konstruieren die Ingenieure mit drei Liter Hubraum, das Aggregat leistet 59 kW (80 PS) bei 4000/min und hat ein Drehmoment von 17,5 mkg bei 2400/min.Eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 19,9 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 148 km/h: Der Motor erweist sich in der Limousine bei ihrer Vorstellung als spurtstärkster und schnellster Diesel-Pkw der Welt.

Nicht nur deutsche Taxifahrer bleiben dem Strich-Acht über viele Jahre hinweg gewogen. Der Mercedes-Benz mit der höchsten bekannten Kilometerleistung ist ein griechisches Taxi vom Typ 240 D, Baujahr 1976. Sein Besitzer hat darin 4,6 Millionen Kilometer zurückgelegt. Seit 2004 gehört der Wagen zur Sammlung des Stuttgarter Mercedes-Benz Museums.


Modelle Baumuster Motortyp Hubraum Leistung Vmax Verbrauch
W115
(Vier-/Fünfzylinder)
    (ccm) [PS] / [kW] (km/h) [ltr. / 100km]
200 115.015 M115 / R 4 1988 95 / 70 160 10,9
200 D 115.115 OM615 / R 4 1988 55 / 40 130 8,1
220 115.010 M115 / R 4 2197 105 / 77 168 11,1
220 D 115.110 OM615 / R 4 2197 60 / 44 135 8,5
230.4 115.017 M115 / R 4 2307 115 / 85 170 11,4
240 D 115.117 OM616 / R 4 2404 65 / 48 138 9,5
240 D 3.0 115.114 OM617 / R 5 3005 80 / 59 148 10,8
W114
(Sechszylinder)
230 // 230.6 114.015 M180 / R 6 2292 120 / 88 175 11,2
250 114.010 M114 / R 6 2496 130 / 96 180 11,7
250 C Coupé 114.021 M114 / R 6 2496 130 / 96 180 11,7
250 CE Coupé 114.022 M114 / R 6 2496 150 / 110 180 11,7
280 114.060 M110 / R 6 2746 160 / 118 190 12,5
280 E 114.062 M110 / R 6 2746 185 / 136 200 12,5
280 C Coupé 114.073 M110 / R 6 2746 160 / 118 190 12,5
280 CE Coupé 114.072 M110 / R 6 2746 185 / 136 200 12,5
250 (2.8) 114.015 M130 / R 6 2778 140 / 103 180 12,5
250 C Coupé (2.8) 114.023 M130 / R 6 2778 140 / 103 180 12,5


Typen
Konstruktions-bezeichnung
Produktionszeit Vorserie - Ende
Stückzahl
Limousine
 
 
 
200 D
W 115 D 20
1968 - 1973
187 873
220 D
W 115 D 22
1967 - 1973
345 376
200
W 115 V 20
1967 - 1973
175 242
220
W 115 V 22
1967 - 1973
128 398
230
W 114 V 23
1967 - 1973
152 822
250
W 114 V 25
1967 - 1972
78 303
250 (2,8 Liter)
W 114 V 28
1970 - 1973
22 624
280
W 114 V 28
1971 - 1973
19 537
280 E
W 114 E 28
1971 - 1973
13 711
 
 
 
 
200 D
W 115 D 20
1973 - 1976
152 054
220 D
W 115 D 22
1973 - 1976
67 453
240 D
W 115 D 24
1973 - 1976
126 148
240 D 3.0
W 115 D 30
1974 - 1976
53 690
200
W 115 V 20
1973 - 1976
113 543
230.4
W 115 V 23
1972 - 1976
87 609
230.6
W 114 V 23
1973 - 1976
63 497
250 (2,8 Liter)
W 114 V 28
1973 - 1976
11 437
280
W 114 V 28
1973 - 1976
25 000
280 E
W 114 E 28
1973 - 1976
9 125
Coupé
 
 
 
250 C
W 114 V 25
1968 - 1972
8 824
250 C (2,8 Liter)*
W 114 V 28
1969 - 1973
10 527
250 CE
W 114 E 25
1968 - 1972
21 787
280 C
W 114 V 28
1971 - 1973
4 924
280 CE
W 114 E 28
1971 - 1973
7 576
250 C (2,8 Liter)
W 114 V 28
1973 - 1976
1 241
280 C
W 114 V 28
1973 - 1976
8 227
280 CE
W 114 E 28
1973 - 1976
3 942
 
 
 
 
Limousinen mit langem Radstand
 
 
 
220 D lang
V 115 D 22
1968 - 1973
4 027
230 lang
V 114 V 23
1968 - 1973
1 082
 
 
 
 
240 D lang
V 115 D 24
1973 - 1976
3 655
230.6 lang
V 114 V 23
1973 - 1976
1 131
Fahrgestelle
 
 
 
220 D
F 115 D 22
1968 - 1973
2 327
220
F 115 V 22
1968 - 1973
334
230
F 115 V 23
1968 - 1973
240
240 D
F 115 D 24
1973 - 1976
581
230.4
F 115 V 23
1973 - 1976
156
230.6
F 114 V 23
1973 - 1976
77
Fahrgestelle mit langem Radstand
 
 
 
220 D
VF 115 D 22
1968 - 1973
1 087
230
VF 114 V 23
1968 - 1973
1 567
 
 
 
 
240 D
VF 115 D 24
1973 - 1976
935
230.6
VF 114 V 23
1973 - 1976
1 367
Offizielle Gesamtzahl
 
 
1 919 056

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