Nexperia bereitet Autoindustrie weiterhin Sorgen

Die Bombe tickt: Droht die nächste Halbleiterkrise?

Nexperia bereitet Autoindustrie weiterhin Sorgen: Die Bombe tickt: Droht die nächste Halbleiterkrise?
Erstellt am 23. Oktober 2025

Die Halbleiterkrise, ausgelöst durch den Krieg zwischen Russland und Ukraine, schockte vor drei Jahren die Autoindustrie. Die Abhängigkeit von einzelnen Produktionsstandorten und Zulieferern erschütterte die Branche in den Grundfesten – die Besserung versprach. Doch das Beispiel Nexperia zeigt, dass das Problem ungelöst ist.

Wieso kann ein einzelner Zulieferer eine ganze Branche so in Unruhe bringen? ZF, Bosch, Aisin oder Continental – diese Firmennamen kennen viele längst aus den täglichen Nachrichten. Doch zumeist geht es um Jobabbau und Umstrukturierungen. Von Nexperia dürften viele – auch in der Autoszene – bisher kaum etwas gehört haben. Nexperia ist kein reiner Autozulieferer, sondern ein niederländischer Hersteller von Modulen für Steuergeräte. Diese sind in unserer täglichen Umgebung nicht allein in Fernsehern, Küchengeräten oder Gebäuden, sondern insbesondere auch in Fahrzeugen verbaut. Mitunter hundertfach, denn im Auto werden die meisten elektrischen Verbraucher wie Lichter, Instrumente, Klimaanlagen, Fahrwerke oder Regelsysteme nicht einfach mit Strom versorgt, sondern über Steuergeräte intelligent miteinander vernetzt.

Nexperia als wichtiger Großlieferant

Nexperia hat in den vergangenen Jahren Weltruhm erlangt, denn der Hersteller von Halbleiterelementen mit Hauptsitz im niederländischen Nijmegen, baut die Chips in gigantischen Volumina (pro Jahr mehr als 110 Milliarden Stück), sehr autospezifisch und das zu oftmals nahezu konkurrenzlosen Preisen. Daher sind diese Steuerelemente in zahllosen Fahrzeugen verbaut. Der Gesamtanteil von Nexperia am Weltmarkt liegt nach eigenen Angaben bei knapp zehn Prozent aller Halbleiter; in der Autoindustrie sollen es ja nach Hersteller bis zu 50 Prozent sein – insbsondere bipolare Transistoren, Dioden und Steckmodule für Fahrwerksmodule, Instrumente, Schalter oder Fahrerassistenzsysteme. „Am 10. Oktober erhielten Automobilhersteller und Zulieferer eine Mitteilung von Nexperia, in der eine Abfolge von Ereignissen beschrieben wurde, die dazu führt, dass das Unternehmen die Belieferung der Automobilzulieferkette mit seinen Chips nicht mehr in Gänze gewährleisten kann“, berichtet VDA-Präsidentin Hildegard Müller, „Nexperia ist ein wichtiger weltweiter Großlieferant von Halbleitern, die beispielsweise häufig in elektronischen Steuergeräten von Fahrzeugelektroniksystemen zum Einsatz kommen, die aber auch für andere Branchen relevant sind.“ Doch anders als andere Autozulieferer ist Nexperia, zum chinesischen Wingtech Konzern gehörig, keineswegs in eine wirtschaftliche Schieflage gekommen, sondern ist aktuell zum Spielball zwischen Europa, China und den USA geworden. Am 4. Oktober hatte das chinesische Handelsministerium eine Exportkontrollmitteilung erlassen, die Nexperia China und seinen Zulieferern den Export bestimmter in China hergestellter Fertigkomponenten und Baugruppen untersagt.

Nexperia als Spielball zwischen Europa und China

Das niederländische Wirtschaftsministerium unter Vincent Karremans hatte in der vergangenen Woche CEO Zhang Xuezheng entmachtet und faktisch die Führung des Unternehmens übernommen und damit die politische Führung Chinas in Rage gebracht, die die Ausfuhr von Komponenten stoppte. Aktuell ist nicht ersichtlich, dass sich das Problem schnell auflöst und so kommen bei vielen Autobauern und Zulieferern jene Krisenteams zusammen, die sich zu Beginn des Ukraine-Konflikts mitunter mehrfach am Tag trafen. Auch wenn viele Autohersteller versprachen, sich nicht mehr von einem Zulieferer abhängig machen zu wollen, zeigt der Fall Nexperia wie fragil das gesamte Konstrukt ist. 

Und nun?

„Mittelfristig bleibt nur der Wechsel zu alternativen Lieferanten. Unternehmen mit bestehenden Dual-Sourcing-Strategien können diese nun aktivieren. Fehlen solche Optionen, müssen neue Komponenten und Lieferanten zügig qualifiziert werden“, erläutert Klaus Schmitz, Partner der Beratungsfirma Arthur D. Little, „der Aufwand hierfür hängt stark von der Sicherheitsrelevanz des betroffenen Systems ab. Nicht sicherheitsrelevante Komponenten können innerhalb von wenigen Wochen bis Monaten neuqualifiziert werden. Sicherheitsrelevante Systeme wie Lenkung, Bremssysteme oder Airbags benötigen dagegen drei bis sechs Monate oder länger für Test, Validierung und Zulassung.“ 

Die Kosten bleiben das Problem

Zentrales Problem bleibt der Kostendruck, denn der ist gerade durch die zunehmende Elektrifizierung der Fahrzeuge immer größer geworden. Der Ertrag pro verkauftem Fahrzeug ist geringer denn je und so darben besonders jene Hersteller, die in einer Hochlohnregion wie Deutschland oder Europa die Fahrzeuge fertigen. Da um jeden Cent gekämpft wird, gibt es oft einen Zentralzulieferer für bestimmte Module, während Sekundärfirmen für eine Absicherung von Stückzahlamplituden und Qualitätsabweichungen sorgen. Zudem wollen viele Autohersteller so den Schein eines Wettbewerbs wahren, um die Zulieferer gegeneinander ausspielen und den Preis so drücken zu können. Hierfür sind die Softwarechips das beste Beispiel, denn maximale Volumina und günstigste Preise garantieren hier den Erfolg. „Da Nexperia volumenmäßig zu den weltweit führenden Top-Lieferanten zählt, insbesondere für automobil zertifizierte Bauteile, wird die Deckung des Bedarfs zumindest mittelfristig eine erhebliche Herausforderung bleiben“, blickt Klaus Schmitz nach vorn.

Die Suche nach Lösungen

Volkswagen hatte darüber informiert, dass kurzfristig Produktionsausfälle drohen könnten. Doch nachdem das Problem seit rund zwei Wochen bekannt ist, scheinen bei den Wolfsburgern ebenso Ersatzlösungen gefunden zu werden wie bei anderen Firmen. Dabei sind es häufig nicht die Autohersteller direkt, sondern deren Zulieferer (Tier 2 / 3), die auf die Chips von Nexperia angewiesen sind und jetzt nach Ersatzlieferanten suchen, die schnell auf gleichem Qualitätsniveau liefern können. „Die Situation könnte schon in naher Zukunft zu erheblichen Produktionseinschränkungen, gegebenenfalls sogar zu Produktionsstopps führen, falls die Lieferunterbrechung von Nexperia-Chips nicht kurzfristig behoben werden kann“, sagt Hildegard Müller, „der VDA ist seither mit den betroffenen Unternehmen, der Industrie, der Bundesregierung sowie der EU-Kommission in Kontakt. Aktuell sollte der Fokus sein, schnelle und pragmatische Lösungen zu finden."

Im Würgegriff Chinas?

Hauptproblem erscheint, dass die europäischen OEM längst am Tropf chinesischer Firmen hängen. Während die Zulieferindustrie speziell in Deutschland selbst bei systemrelevanten Firmen zehntausende von Arbeitsplätzen streichen muss, sieht es das im Ausland und speziell in China ganz anders aus. „Europäische Automobilzulieferer - insbesondere in Deutschland - stehen unter starkem Kostendruck und sehen sich neben enormem Wettbewerb und Überkapazitäten auch einer schwachen Nachfrage gegenüber, was zu zahlreichen Werksschließungen oder -Verlagerungen führt“, erläutert Dr. Jürgen Simon, Partner bei Berylls, „die Kürzungen betreffen verschiedenste Warengruppen – Exterior, Interior, Elektronik oder Fahrwerk.“ Chinesische Zulieferer, die nach Europa drängen konzentrieren sich aktuell insbesondere auf neue Technologien wie die Batteriefertigung aber auch auf eher traditionelle Bereiche wie Reifen.

Wie sieht die Zukunft aus?

In den vergangenen Jahren ist die chinesische Autoindustrie enorm gewachsen – in Rekordtempo. Einige von ihnen wie Hasco haben sich zu globalen Branchenführern entwickelt. So erwarb HASCO beispielsweise im Jahr 2013 50 Prozent des chinesischen Joint Ventures Yanfeng Visteon Automotive Trim Systems vom US-amerikanischen Unternehmen Visteon für fast eine Milliarde Euro. Nach Ansicht der Analysten von Berylls verschärft sich der Wettbewerb um Marktanteile massiv; nicht zuletzt aufgrund der Überkapazitäten, die die chinesische Automobilindustrie aufgebaut hat. Dadurch steigt das Insolvenzrisiko, sodass in den kommenden Jahren eine Konsolidierung auch bei den chinesischen Zulieferern zu erwarten ist. Dabei werden große globale Akteure entstehen und die werden den Druck auf europäische Zulieferer weiter erhöhen.

Das könnte euch auch interessieren:

Verkaufsstart für den Bestseller Ab 29.10. bestellbar: Der neue elektrische GLC startet ab 71.281 Euro Der neue elektrische Mercedes-Benz GLC ist das erste Modell der Marke, das die weiterentwickelte Designsprache trägt. Besonders prägend ist der neu gestaltete

Constantin Buschmann äußert sich zur Produktpiraterie Zickenkrieg im Netz: Die falsche BRABUS G-Klasse und ihre Folgen Wer in der vergangenen Woche bei Instagram unterwegs war, kam um den großen Brabus-Beef kaum herum

Neues Projekt aus dem Hause S-TEC Stilvolles Reisen im Mercedes-Benz G300 Professional Stil ist mehr als nur Äußerlichkeit – er ist Ausdruck einer Haltung. Der Mercedes G300 Professional verkörpert diese Philosophie auf eindrucksvolle Weise.

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community