Motorsport und Luxus aus der Vorkriegszeit

Legendenbildung: Mercedes-Benz 680 S (W06) im Fahrbericht

Motorsport und Luxus aus der Vorkriegszeit: Legendenbildung: Mercedes-Benz 680 S (W06) im Fahrbericht
Erstellt am 2. November 2023

Mercedes steht mehr als jede andere deutsche Marke für eine ungewöhnliche Mischung aus Luxus und Sportlichkeit. Deren Anfänge gehen in die Vorkriegszeit zurück. Die perfekte Symbiose aus Motorsport und Luxus zelebrierte der Mercedes 680 S auf seine ganz eigene Art, die bis heute einzigartig ist.

Die Luxusmodelle mit Stern der verschiedenen Epochen sind ungezählt und gipfeln seit den 1970er Jahren in der Mercedes S-Klasse, seither dem Aushängeschild eines ganzen Segments. Doch Mercedes steht gerade in der Historie nicht allein für exklusive Nobelmodelle, sondern auch für emotionale Sportwagen. Edlen Luxus für die Schönen und Reichen der Vorkriegszeit, dafür steht der Mercedes 680 S, einer der elitären Sporttourer seiner Zeit – eine Art offene S-Klasse mit der internen Bezeichnung W06. Die goldene Ära, das sind die späten 1920er Jahre und damit eine der spektakulärsten Zeiten des weltweiten Automobilbaus. Nahezu alles schien zwischen den beiden Weltkriegen möglich und Grenzen existierten wohl fast nur im Himmel. Nur so konnte im Jahre 1928 als Weiterentwicklung des K-Modells ein automobiles Kunstwerk wie der Mercedes 680 S entstehen, grandioser Luxus seiner Zeit gepaart mit einer Sportlichkeit, die sich mit heutigen Maßstäben heute kaum mehr messen lässt. Der Innenraum wird dominiert von dickem Leder, dunklen Hölzern und mächtigen Teppichen – so lässt es sich auch heute noch reisen.

6,8-Liter Sechszylinder mit bis zu 180 PS Leistung

Das Herzstück des Mercedes 680 S ist wenig überraschend sein M06-Triebwerk – ein 6,8 Liter großen Sechszylinder, der es mit Kompressorhilfe statt rund 88 kW / 120 PS auf dann stattliche 132 kW / 180 PS bringt – nach damaligen Maßstäben war der offene Mercedes damit ein Supertourer der heutigen Plus-500-PS-Liga. Die Leistung des rustikal laufenden Reihenmotors drängt sich im Fahrbetrieb nicht nennenswert auf – bis man das Gaspedal über den normalen Druckpunkt tritt und der mechanische Lader zuerst für mächtig Getöse und dann für kraftvollen Zusatzschub sorgt. Doch sonst geht es bergauf und bergab mit sonorem Klang und viel Tatendrang. An die Pedalerie muss man sich zumindest kurz gewöhnen – Bremse rechts – Gas links daneben. Bitte nicht verwechseln und ohne kraftvolles Zwischengas sind die Gangwechsel des hakeligen Vierganggetriebes bisweilen eine echte Herausforderung. Sportliches Cruisen war in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren kein leichtes Geschäft und es beeindruckt vielleicht deshalb auf den griffigen Ledersesseln mit dem großen Holzsteuer in Händen noch viel mehr. Die Frontscheibe ist flach und kaum ein nennenswerter Windschutz für groß gewachsene Insassen.

Maximal 180 km/h sind drin!

Wer es darauf anlegt, kann den rund 1,6 Tonnen schweren Viersitzer mit klappbarem Stoffdach bis an die 180-km/h-Marke pressen. Der recht kleine Tacho geht sogar bis Tempo 200. Doch wer im schnellen Galopp mit Tempo 120 / 130 unterwegs ist, fühlt sich wie ein wilder Rennfahrer einer längst vergangenen Zeit. Der zweifarbige Sporttourer ist dabei alles andere als ein Fahrzeug von der Stange. Nur 146 Modelle mit verschiedenen Karosserien wurden von dem Vorgänger der deutlich bekannteren Rennwagen vom Typ Mercedes SS / SSK produziert. Das Triebwerk selbst basiert auf jenem von Paul Daimler erschaffenen Motor, der von Ferdinand Porsche von 6,3 auf 6,8 Liter aufgebohrt wurde und schließlich bei den Modellen SS und SSK auf mehr als sieben Liter Hubraum anwuchs.

Luxus trifft auf Sportlichkeit

Seinerzeit war ein Mercedes 680 S damit nicht nur im Sternenportfolio das Maß der Dinge und der Kaufpreis von 30.000 Reichsmark ist ebenso Zeichen für eine exklusive Extravaganz wie Motorleistung und Maximaltempo. Leisten konnte sich das im Jahre ein römischer Privatier, der das Luxusmodell im Alltag als eines von wohl mehreren Fahrzeugen bewegte, wenn es um Schnelligkeit, Status und Reisekomfort ging. Platz für vier Personen und das Gepäck fand wie damals üblich in dem mächtigen Lederkoffer im Heck Platz. „Als der Wagen im Jahre 1961 wieder zu uns zurückkam, war er schwarz-rot lackiert“, erinnert sich Michael Plag, langjähriger Experte von Mercedes Classic, „doch bei der Restauration fanden wir Lackreste von der alten Lackierung und so erstrahlt er nunmehr wieder in seinem ursprünglichen Glanz.“

Was kosten Mercedes 680-S-Modelle?

Einzigartig ist jedoch nicht nur der Motor an sich und der exklusive Aufbau als offener Tourer, sondern auch das Chassis, das wie damals üblich aus einem Holzrahmen besteht. Der schwäbische Autobauer hatte damals im Schwarzwald eigene Wälder, in denen das Buchenholz für die Rahmen geschlagen wurde. „Der Bereich Holzverarbeitung war damals einer der größten im ganzen Unternehmen“, lächelt Michael Plag, „heute kaum mehr vorstellbar.“ Eine Reihe der Mercedes 680-S-Modelle wurden nicht an die Kunden, sondern allein als Chassis an Aufbauhersteller ausgeliefert, die die Luxusmodelle dann nach den Wünschen der Käufer mit zwei- oder viersitzigen Karosserien stielecht komplettierten. Der Wert eines Mercedes 680 S ist schwer zu benennen. Ein komplett restauriertes Fahrzeug im Bestzustand wie das offene Bikolormodell des 680 S ist auf dem ohnehin dünnen Klassikermarkt an sich nicht zu bekommen. Der Wert dürfte sich jedoch wohl im niedrigen zweistelligen Millionenbereich bewegen.

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