Vor ein paar Jahren stand sich der Mercedes-Benz SL 600 bei den Gebrauchtwagenhändlern noch seine breiten Reifen platt. Doch das Blatt wendet sich, denn je mehr das inoffizielle Topmodell der Baureihe R129 altert, umso begehrter wird es.
Die Wertentwicklung des SL 600 wird präsentiert von Classic Analytics
Die Baureihe R129 hat sich in den vergangenen Jahren zu einem begehrten Klassiker gemausert. Die Zeiten günstiger Preise sind für Fahrzeuge mit nachvollziehbarer Historie und guter Ausstattung lange vorbei. Die meisten suchen einen SL 500 oder einen SL 320. Doch hoch im Kurs steht mittlerweile auch das vermeintliche Topmodell des 600ers, das den Horizont mehr überstrahlt als die nur in homöopathischen Dosen ausgeschenkten SL 70, SL72 und SL73. Alle drei basieren auf dem ohnehin imposant motorisierten Mercedes SL 600. Um in den Genuss der 525 PS starken Sperrspitze der SL-Reihe zu kommen, musste zwischen 1999 und 2001 ein 99.180 DM teurer Umbau des 226.432 DM teuren SL 600 in Auftrag gegeben werden.
S-Klasse mit zwei Türen
Technologisch war der Mercedes SL der Baureihe R129 ein Meisterwerk und der Fortschritt im Vergleich zu seinem eleganten Ahnen R107 gigantisch. Der trug, von 1971 bis 1989 gebaut, das Sternendesign der späten 1960er bis weit in die 1990er Jahre. Mit dem Nachfolger R129 – vorgestellt auf dem Genfer Automobilsalon des Jahres 1989 – war nichts mehr so wie es war. Er war kantig, üppig und ein echtes Hightechmobil. Vollelektrisches Stoffdach, ausfahrbarer Überrollschutz, Sicherheitssitze, Luxusausstattung mit allem Komfort – eigentlich eine Mercedes S-Klasse mit zwei Türen, zwei Sitzplätzen und elektrischer Mütze. So viel Hightech und der Designsprung gefiel nicht jedem, denn während der 107er-Vorgänger ebenso wie die Pagode sich seit Jahrzehnten damit rühmen kann, Everybodies Darling zu sein, sah das beim Nachfolger lange Zeit durchaus anders aus. Sein Luxus und seine Qualität beeindruckten und machten vielen auch Angst. Im Juli 2001 lief im Werk Bremen der letzte 129er vom Band.
Der erste moderne V12 in einem offenen deutschen Zweisitzer
Bei vielen Klassikfans im Fokus: gerade auch als 4,47 Meter langer 600er, der sich lange Zeit auf dem Markt der älteren Gerbrauchtwagen schwertat. Die Liebe galt dem 500er mit seinem unverwüstlichen V8; gefolgt vom deutlich leichteren und sparsameren SL 320, zunächst mit einem 231 PS starken Reihensechszylinder unterwegs, der dann von einem V6 mit nahezu identischen 224 PS abgelöst wurde. Während seines zwölfjährigen Modellzyklus sorgte eine Umstrukturierung in der Nomenklatur innerhalb des Mercedes-Konzerns kurz für Verwirrung: die bis zum Juni 1993 produzierten Fahrzeuge tragen das SL hinter der dreistelligen Motorenkennzahl, alle Nachfolgenden davor. Die Krone der SL-Schöpfung und erstmals ein V12 in einem offenen deutschen Zweisitzer nach dem Weltkrieg ist der SL 600. Der sechs Liter große Vierventiler leistet imposante 290 kW / 394 PS (vorher 300 kW / 408 PS) und ein maximales Drehmoment von 570 Nm. Der Schub ist nach einer leichten Verzögerung gewaltig, während das V12-Triebwerk der Bauart M120 so leise vor sich hinsäuselt, dass selbst unter Lastanforderungen kaum mehr als hintergründiges Grollen zu vernehmen ist. Der Drehzahlzahlmesser verharrt meistens nennenswert unter der 2.000-Touren-Marke. Das mag auch am größten seinerzeit gebauten Katalysator gelegen haben, der viele der Abgasgeräusche in sich versteckte.
Sicherheit und Fahrwerk
Doch der imposante Dutzendzylinder des 600er SL war kaum weniger beeindruckend als die Sicherheitsausstattung, die nicht nur in den 1990ern ihresgleichen suchte. Neben dem in Sekundenbruchteilen ausfahrbaren Überrollbügel sorgten Integralsitze für Sicherheit, die mit ihrer hohen Steifigkeit einen besseren Schutz bei Seitenaufprall-Unfällen boten. Derweil sorgten elektrische Ledersitze, ein vollelektrisches Stoffdach oder das adaptive Fahrwerk für konkurrenzlosen Komfort. Über einen Taster neben dem Lichtschalter lässt sich eine sonst geschwindigkeitsabhängige Niveauregulierung ansteuern, die mit einem adaptiven Dämpfersystem zusammenarbeitet. Im 600er ist das System gesetzt und wer ein solches Modell findet, sollte es genau kontrollieren – die Instandsetzung kostet schnell einen fünfstelligen Betrag, der schmerzt.
Es folgen zwei große Modellpflegen
Der Mercedes SL der Baureihe R129 wurde von 1989 bis 2001 produziert und damit nicht ganz so lang wie sein Vorgänger mit seinen 18 Jahren. Trotzdem gab es zwei große Modellpflegen. Die erste wird im September 1995 auf der IAA in Frankfurt vorgestellt. Leichte Veränderungen am Karosseriedesign, neue Leichtmetallräder und ein Glasdach mit Sonnenrollo zeichnen die erste Überholung aus. Hinzu kommen Scheinwerfer mit Xenonlampen und Veränderungen an Motoren und Getrieben der Acht- und Zwölfzylinderfahrzeuge. Und auch bezüglich der Fahrsicherheit verpasst Mercedes seinem schicken Roadster eine weitere Neuheit, die erst kurz zuvor ihre Weltpremiere im 600 SEC feiert: das Elektronische Fahrstabilitäts-Programm ESP. Ende April 1998 folgt Modellpflege Nummer zwei. Die wichtigsten Neuerungen sind die Einführung einer neuen V-Motorengeneration mit acht oder sechs Zylindern und eine leicht modifizierte Heckpartie. Ein Jahr später, im Frühjahr 1999, runden neue AMG-Versionen die Modellpalette nach oben hin ab.
Was kosten gute 129er?
Während der Nachfolger der Baureihe R230 in seinen verschiedenen Motorvarianten nach wie vor für überschaubares Geld und Preisen von unter 25.000 Euro zu bekommen ist, sieht das beim Vorgänger ganz anders aus. Besonders begehrt sind die Fahrzeuge der letzten Modellreihe und somit ab dem Modelljahr 1999. Sie bieten Xenonlicht, geänderte Rückleuchten, Schürzen und die modernere Mittelkonsole. Beliebtestes Modell ist der Mercedes SL 500, dicht gefolgt vom 320er. Gut erhaltene R129er mit kompletter Ausstattung liegen bei über 30.000 Euro. Die 500er kosten bisweilen über 45.000 Euro – gerade limitierte Editionen und Designo-Modelle ohne die bisweilen verbreiteten Fehlfarben. Für einen SL 600 mit einer Laufleistung von unter 100.000 Kilometern und lückenloser Wartungshistorie sind jedoch bis zu 60.000 Euro drin.
22 Bilder Fotostrecke | Das edelste Dutzend – nach oben offen: Voll auf die 12: Mercedes-Benz SL 600 (R129)
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