Alte Liebe rostet doch: Mercedes W108

Rostig. Ranzig. Rattig.

Alte Liebe rostet doch: Mercedes W108: Rostig. Ranzig. Rattig.
Erstellt am 9. September 2022

Was macht man mit einem 67er Mercedes-Benz W108? Man hält ihn in Ehren. Man hält ihn in Schuss. Man restauriert ihn fachmännisch und originalgetreu. Das alles kann man mit einem 55 Jahre alten Mercedes-Benz tun und viele würden es vermutlich genau so machen - aber man muss es nicht, wie Roberts Mercedes-Benz 250 S dem Betrachter eindrücklich vor Augen führt. Sein W108 kommt als heruntergerockte Ratte in Sichtweite. Upps, das gefällt vermutlich nicht jedem. Wer aber beim Anblick dieses Gilb zerfressenen, aber immer noch fahrbaren Mercedes weder Schnappatmung bekommt noch sogleich an „Sakrileg“ denkt, der vermag mit unvoreingenommener Haltung einen von Roberts Aussagen sogar nachzuvollziehen. „So was fährt nicht jeder", sagt er und hat damit irgendwie recht.

Der Mercedes W108 an sich gehört zu denjenigen Sternen, welche sich rühmen dürfen, sich zur Meilenstein-Kategorie zählen zu dürfen. Die im August 1965 präsentierte Baureihe W108 trat die Nachfolge der sechszylindrigen Heckflossen-Limousinen an. Die von Paul Bracq entworfene Karosserie steht für die erste eigenständige Oberklassen-Baureihe von Mercedes-Benz. Die klare Linienführung dieses Mercedes-Benz verzichtete auf modisches Beiwerk und begeistert mit ihrer zurückhaltenden Eleganz bis heute.

Mercedes mit Biss

Bracq schuf mit dem W108 ein Design für die Ewigkeit. Ja, zeitlos ist das Styling der Karosserie - es sei denn der Zahn der Zeit nagt an ihr. Bei Roberts Exemplar hat der Rost nun nicht nur geknabbert, sondern schon ganze Stücke herausgebissen.

Ein Mercedes-Klassiker zieht blank

Recht ranzig und richtig rattig statt beeindruckend benzig schaut der Mercedes-Benz 250 SE mit Baujahr 1967 aus. Letzte Ausfahrt Schrottplatz? Denkste! Um den Autofriedhof macht Robert derzeit noch einen großen Bogen - und zwar mit einem von AMG getunten 3,6-Liter-Motor mit 300-PS-Leistung, welcher das originale 130 PS starke 2,5-Liter-Aggregat zwischenzeitlich ersetzte. Eine Augenweide ist der Motor zwar nicht, aber er tut, was er soll. Durch den Einsatz eines Sperrdifferentials des Mercedes 300 SEL 6.3 bringt der rostige Benz seine respektable Leistung zuverlässig auf die Straße. Vorwärts geht‘s recht flott und gebremst wird ebenfalls ganz zügig, dank einer Porsche-964- Bremsanlage vo/hi.

Rattig. Rottig. Runtergekommen.

Dass der W108 so runtergrockt ausschaut, dürfte so manchen Mercedes-Klassiker-Enthusiasten vermutlich nicht begeistern und vielleicht sogar ein Fremdschämen-Anfall auslösen. Darf man einen einstmals stolzen, souveränen Mercedes-Benz der Oberklasse denn zum „Schlachtrost“ degradieren? Lass uns das mal den Robert fragen. „Sieht doch top aus“, meint der MIB und fügt ohne den kleinsten Selbstzweifel an der alles andere als alltäglichen Machart dieses Wagens hinzu: „Jeder guckt,denn so einen wie meinen sieht man nicht an jeder Ecke!“

Dieser W108 soll einer wie keiner sein? Im Mercedes-Benz Fahrerlager „Sektion historische Ikonen“ dürfte es einige geben, die Roberts Sichtweise nicht unwidersprochen hinnehmen wollen. Dessen Liebe zum Rost teilt gewiss nicht jeder. Dass im Kreise von Autoklassiker-Ästhteten der rau, roh und verrottet wirkenden Anblick dieses W108 kein seeliges Gefühl eines inneren Blumenpflückens auslöst, ist auch etwas, das man verstehen kann.

Heruntergekommener Stern

Das substantielle Niveau des Sterns ist suboptimal, unterirdisch, tief gelegt. Apropos heruntergekommen: Ein H&R-Sportfahrwerk befördert die kariöse Karosserie, die als Schuhwerk grün lackierte Stahlfelgen (7x15) und 205/70er Weißwandreifen besitzt, in die Versenkung.

Außen pfui, innen hui?

Glaubt irgendjemand, dass ein übertrieben sorgfältig durchzuführender Stubendienst auf der To-do-Liste des Halters steht? Nö, und das ist recht getan, denn innere und äußere Werte ergeben in der W108-Beschau somit eine Übereinstimmung, die man durchaus authentisch nennen darf. Nicht zu übersehene und nicht weggeschminkte Flecken und Runzligkeiten im Innenraum sind die natürlichen Spuren vieler Lebensjahre. Kann man schöner machen. Hat man schon schöner gesehen. - aber, hey, MIBs wie Robert stehen halt auf echten Used-Look. Und das ist okay.

Verkommen statt vollkommen

Mein Leben. Mein Benz. Mein Geschmack. Robert hat sein Ding duchgezogen. Verkommen statt vollkommen tritt sein Mercedes W108 in Erscheinung. Dieser Stern kommt auf eine Weise in Sichtweite, wie sie ihrem Besitzer gefällt. Dass dieser 67er 250 S sich in einem alten aber nicht unbedingt ehrwürdigen Zustand befindet, hat in gewisser Weise durchaus seinen eigenen Wert, Dellen, Beulen, Rostlöcher eregeben hier eine Melange aus Makel und Macken, welcher man einen Hinguckerfaktor nicht absprechen kann.

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