Technik-Hintergrundbericht: Weiterentwicklung der Sprachassistenten

Sprachschule für Fortgeschrittene

Technik-Hintergrundbericht:  Weiterentwicklung der Sprachassistenten: Sprachschule für Fortgeschrittene
Erstellt am 8. Juni 2020

Die Sprachsteuerung des Infotainmentsystems wird im Auto immer beliebter. In Zukunft sollen die Systeme noch besser in der Lage sein, Umgangssprache sowie Dialekte zu verstehen und empathisch und proaktiv zu agieren. Wer wissen will, wohin die Reise beim automobilen Infotainment geht, muss nur ein Blick auf die angesagten Tech-Spielerein werfen, die viele bereits daheim nutzen. So war es damals, als „Hey Alexa“ Googles Sprachassistenten aktivierte und im Laufe der Zeit eine Reihe von „Smart Home“ Funktionen dazukamen. Manch einer steuert und dimmt das Licht mithilfe von Amazons künstlichen Assistenten. Auch beim Auto wird sich die Funktionsvielfalt erweitern. Aus dem Fortbewegungsmittel soll ein rollendes Büro und Zuhause werden. Immer und überall vernetzt und leicht zu handhaben lauten die Maxime, denen die Autobauer in Stuttgart, München oder Wolfsburg folgen.

Die Richtung, in die die deutschen Autobauer beim Infotainment streben, ist identisch. Das haptische Bedienen per Knöpfe und Hebel hat bei weitem nicht mehr die prominente Stellung wie bisher. Die Cockpits werden zunehmend entschlackt und der Touchscreen wird zur haptischen Eingabezentrale. „Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass man Liebgewonnenes nicht mehr findet“, sagt VW-Chefdesigner Klaus Bischoff. Der Wolfsburger Autobauer hat bei den neusten Modellen diesen Schritt schon getan und die Bedienzentralen merklich von Hebeln und Knöpfen befreit. Auch anderorts wird über heilige Kühe diskutiert: Bei BMW steht der beliebte Drehdrücksteller immer mal wieder auf dem Prüfstand. Noch wollen sich die Münchner offenbar noch nicht davon lösen.

Dagegen ist Redundanz und damit verschiedene Bedienwege weiterhin ein großes Thema. Neben dem Berühren will man die Gesten nicht ganz aufgeben und experimentiert mit Erleichterungen, wie das Anlegen des Gurts durch eine Handbewegung quer über den Oberkörper. Aber das Schlüsselmedium der Zukunft wird die Sprache sein. „Bei der Technik im Auto geht es heutzutage hauptsächlich um die Schnittstelle zum Menschen“, sagt Nils Schanz, Leiter User Interaction / Voice Control bei Mercedes. Gemeint sind Sprachbefehle, die das fortsetzen, was mit den „intelligenten“ Lautsprechern inklusive Sprachassistenten im heimischen Wohnzimmer begonnen hat. Schon 80 Prozent der Mercedes-Fahrer halten die Sprachsteuerung für das wichtigste Bedienelement im Auto. Das ist bemerkenswert, da die Kunden des Sterns bislang nicht zwingend als „Digital Natives“ bekannt sind. Fragt man bei BMW oder Volkswagen nach, wird klar, dass die Zukunft der verbalen Bedienung des Infotainments gehört. Das schließt Dialekte und zunehmend umgangssprachliche Anweisungen mit ein. Alleine in China sind bei Mercedes vier Sprachen installiert. Die je nach Region einsetzbar sind. Doch mit dem bloßen Verfeinern der Sprache-Aktions-Anwendung würde das Infotainmentsystem zu kurz greifen. Wieder weisen die täglichen Gewohnheiten den Weg, wohin die Reise des Infotainmentsystems geht. Fragen nach einem thailändischen Restaurant in der Stadtmitte Münchens, das glutenfreie Speisen und freies Wifi bietet, kann das Mercedes MBUX-System beantworten. Bald können Kunden in China Ihr Essen aus dem Auto heraus bestellen und sich nach Hause liefern lassen. In Europa ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Funktion in die Autos kommt.

Die Infotainment-Systeme der Zukunft werden vom Deep Learning beziehungsweise der künstlichen Intelligenz profitieren. „Das System wird sich auf den Fahrer einstellen, nicht umgekehrt.“, erklärt Nils Schanz. Das hat ein empathisches und Proaktives Agieren zur Folge. Zum Beispiel soll das Infotainment sich an den Gewohnheiten des Fahrers orientieren und sein Verhalten dementsprechend anpassen. Ruft man öfters während der Fahrt zum Arbeitsplatz schon im Büro an, schlägt die Software das dann vor. Auch dem Spieltrieb wird bereits mit Apps wie „Idiom Solitaire“ oder „Geo Quiz“ Rechnung getragen. Weitere sollen folgen.

Grundsätzlich wird bei Mercedes, wie bei anderen Herstellern auch, das System für jedes Land angepasst. BMW hat in Shanghai eine Entwicklungsabteilung für solche Aufgaben. Das bedeutet, dass die einzelnen Märkte die jeweilige Plattform nutzen, um durch Kooperationen mit lokalen Dienstleistern die Fähigkeiten maßzuschneidern: Also kann bei Mercedes‘ MBUX-System Amazon Music aktiviert werden, oder die chinesische Suchmaschine Baidu – je nachdem, wo das Auto produziert wird. Kooperation mit Soundhound (Musikerkennung), Xiaomi (Smart Home) oder den Sprachsteuerungsspezialisten von Cerence (früher Nuance) sollen das Mercedes MBUX-System flexibler machen. Dann wird jeder Passagier im Auto mit dem MBUX-Infotainment kommunizieren können, das System wird die jeweiligen Personen anhand der Stimme erkennen.

Wie bei BMW, Audi oder VW wird auch bei Mercedes das MBUX-System per drahtloser Updates ständig verbessert. Allerdings wird irgendwann einmal bei den aktuellen Autos die Rechenleistung der Prozessoren nicht mehr ausreichen, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Dann werden vermutlich, wie bei PC-Herstellern auch, nur noch selektive Updates aufgespielt und – bis auf sicherheitsrelevante - irgendwann ganz eingestellt. Da eine Verbindung zur Cloud besteht, können viele Dienste, die auf diesem Weg abgerufen werden. Apropos Cloud. Hier zeichnet sich ein Wandel ab. Die Doktrin, dass Dienste im Online Speicher am besten aufgehoben sind, ist nicht mehr in Stein gemeißelt. Wichtige Funktionen, wie Navigation, Telefonieren oder die Suche nach POIs sollen in Zukunft auch offline, in Tiefgaragen oder Tunnels möglich sein. Dass man für die Anzeige des Echtzeitverkehrs die Online-Dienste benötigt, ist allerdings auch klar.

Eine gute Nachricht gibt es noch. Oft hat sich der Daimler-Assistent zu Wort gemeldet, nur weil im Gespräch das Wort "Mercedes" gefallen ist. Das gehört mit dem nächsten Update der Vergangenheit an. Nur noch "Hey Mercedes" weckt die schwäbische Siri auf. Sich wie bei anderen sein eigenes Start-Kommando zurechtzubasteln, wird den Schwaben aber nicht möglich sein. Allerdings soll es in Zukunft noch einfacher sein, das System zu aktivieren. Wie das geschehen wird, darüber schweigen sich die Schwaben noch aus.

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