Während sich die Nachfrage neuer Elektroautos auf einem soliden Niveau stabilisiert hat, sieht das bei den Gebrauchtwagen ganz anders aus. Insbesondere die teuren Fahrzeuge mit Batterie im Bauch stehen sich in den Verkaufsräumen die Reifen platt. Nach einer Studie ist eine Trendwende nicht in Sicht.
Egal, ob man mit Gebrauchtwagenhändlern im Ruhrgebiet, München oder in Berlin spricht – geht es um Elektroautos, gehen bei denen alle Warnlampen an. „Wir kaufen keinerlei Elektroautos mehr an und nehmen diese wenn möglich auch nicht in Zahlung“, wird der Inhaber eines großen Mehrmarken-Autohauses in Dortmund ernst, „die gebrauchten Elektroautos will bei uns kein Mensch.“ Die Antwort des Verkäufers eines Premiumherstellers im Großraum München sieht kaum anders aus: „Die Standzeiten sind ein Vielfaches so groß wie bei Modellen mit Benzin- oder Dieselmotor. Bei den Elektroautos dreht sich derzeit nichts.“ Die Autohersteller sind alarmiert; viele haben bereits erweiterte Rückstellungen gebildet, um die steigenden Verluste abzufangen. Das hilft den Händlern vor Ort jedoch wenig.
Nachdem sich die Neufahrzeuge auf dem deutschen Markt aktuell mittlerweile mit einem Verkaufsanteil von rund 20 Prozent stabilisiert haben, sieht es bei gebrauchten Elektromodellen im ganzen Land düster aus. Einen weitgehend toten Markt belegt auch eine aktuelle Studie im Auftrag von Dekra und Meinungsforschungsinstituts Ipsos. Nach ihr haben Gebrauchtwagenkäufer und ebensolche Interessenten nach wie vor große Bedenken, wenn es um Elektrofahrzeuge geht. Für 64 Prozent der Befragten käme ein gebrauchtes Elektrofahrzeug eher nicht oder überhaupt nicht in Frage. Damit liegt der Wert trotz größerer Marktdurchdringung und deutlich mehr Ladesäulen höher als bei der Befragung vor zwei Jahren, bei der bereits 59 Prozent haderten.
Nach der jüngsten repräsentativen Umfrage würden sich „sehr wahrscheinlich“ gerade einmal 19 Prozent der Befragten für ein gebrauchtes E-Auto entscheiden; weitere 17 Prozent sagen, es wäre eher wahrscheinlich. Dabei sind die Gründe für die Bedenken beim Kauf eines Elektromobils nahezu unverändert. Unter den Befragten, für die ein gebrauchtes E-Auto nicht in Frage kommen würde, ist für 43 Prozent die Frage nach der Leistungsfähigkeit der gebrauchten Batterie einer der Gründe für die Zurückhaltung und 41 Prozent sorgen sich um die Reichweite. Überraschend jedoch, dass fehlende Park- und Lademöglichkeiten gerade einmal für 27 Prozent ein Grund für Zurückhaltung ist und die nach aktueller Marktlage schwierige Restwertentwicklung nur jeden Vierten interessiert.
Ein Viertel der Ablehnenden lehnen Elektrofahrzeuge allgemein ab. „Angesichts der anziehenden Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen wird ein funktionierender Gebrauchtwagenmarkt in der Zukunft immer wichtiger“, sagt Dekra-Geschäftsführer Jann Fehlauer, „die bekannten Vorbehalte gegenüber gebrauchten Elektrofahrzeugen bestehen nach wie vor. Wenn der Gebrauchtwagenhandel mit E-Autos Erfolg haben will, muss er diesen Vorbehalten wirksam begegnen. Kunden wollen überzeugt werden, dass sie sich auf die Qualität der gebrauchten Fahrzeuge verlassen können.“
Wer einen gebrauchtes Elektromodell – gerade aus den höheren Preissegmenten – sucht, hat nahezu freie Auswahl und beste Verhandlungschancen, denn die Onlinebörsen platzen aus allen Nähten. Wer beispielsweise einen gebrauchten Audi Etron / Etron GT, einen Porsche Taycan oder einen Mercedes EQS sucht, kommt beim Blick auf den Wertverlust aus dem Staunen kaum heraus. Ein 18 Monate alter Audi Etron 50 / 55 Quattro mit guter Ausstattung und unter 15.000 Kilometern kostet durchweg deutlich unter 40.000 Euro. Der Neupreis: jenseits der 70.000 Euro. Noch heftiger ist der Preisverfall bei einem Porsche Taycan, der auf vielen Höfen mit nur wenigen Kilometern auf dem Hof steht – ein bis zwei Jahre alt – und je nach Motorvariante mit einem Wertverlust von mehr als 50 Prozent. Das gleiche Bild bei den großen Elektromodellen von Mercedes. Die Luxuslimousine EQS startet als 450+ mit weniger als 20.000 Kilometern zwei Jahre alt unter 60.000 Euro. Der Neupreis: über 120.000 Euro.
Noch schmerzhafter als der gigantische Verfall der Preise ist die geringe Nachfrage. Viele der Fahrzeuge in großen Börsen wie Mobile.de oder Autoscout24.de sind seit Monaten inseriert – die Händler verzeichnen kaum Nachfrage. Selbst die lange Jahre sehr wertstabilen Tesla Model 3 kommen angesichts eines wachsenden Angebots und vergünstigter Neupreise unter Druck. Ein Model 3 mit Hinterradantrieb kostet zwei Jahre auf dem Buckel nicht einmal mehr 30.000 Euro. Etwas besser sieht es dagegen bei den Volumenmodellen aus. Doch auch ein VW ID3 steht mit mittelprächtiger Ausstattung und unter 20.000 Kilometern für weniger als 25.000 Euro im Handel – nicht einmal zwei Jahre alt. Wer das mit dem geringen Preisverfall eines einstigen VW Golf TDI vergleicht, rauft sich zumindest als Verkäufer die Haare.
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