Sterne unterm Hammer

Unrestauriert und aufgeladen: 1934er Mercedes-Benz 500 K "Offener Tourenwagen"

Sterne unterm Hammer: Unrestauriert und aufgeladen: 1934er Mercedes-Benz 500 K "Offener Tourenwagen"
Erstellt am 5. April 2023

Update vom 12.4.2023

Der Mercedes-Benz 500 K "Offener Tourenwagen" wurde für einen Preis von 857.500 Dollar verkauft und liegt damit weit unter dem erwarteten Preis von 1.250.000 bis 1.750.000 Dollar.

Artikel vom 5.4.2023

Hört man den Namen "Offener Tourenwagen", dann erinnert man sich im Mercedes-Benz Sprachgebrauch oft an die riesigen und kräftigen 770 K der späten 1930er Jahre. Aber auch bei den aufgeladenen 500 K-Modellen bezeichnete der "Offene Tourenwagen" ein sehr attraktives zweitüriges Modell mit einer eher niedrigen, subtil geschwungenen Karosserieform. Der Mercedes-Benz 500 K "Offener Tourenwagen" war für damalige Verhältnisse ein sehr sportliches Automobil und eine der meisterhaftesten Kreationen der Karosseriebauer aus Sindelfingen. Damals wurde jede Karosserie für diese Fahrzeugtypen in hervorragender Handwerkskunst und mit hochwertigen Materialien gefertigt. Eins dieser Modelle kommt nun am 7. April in Lynchburg Virginia (USA) unter den Hammer. Der Preis hat es in sich...

Das hier gezeigte Fahrzeug mit dem Fahrgestell 105355 ist wohl eines von nur fünf erhaltenen Exemplaren dieses Modells auf dem 500 K-Fahrgestell. Doch so schön dieser Tourenwagen ist, umso dunkler ist seine Geschichte. Denn laut der originalen Mercedes-Benz Datenkarte, wurde dieser Wagen ursprünglich Ende 1934 an Rudolf Heß nach Berlin geliefert. Heß war eines der ranghöchsten Mitglieder der damals regierenden Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Laut Unterlagen flog Rudolf Heß 1941 nach Schottland um das Vereinigte Königreich zum Ausstieg aus dem Krieg zu bewegen. Doch stattdessen wurde er gefangen genommen und verurteilt. Sein 500 K wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmt und fand seinen Weg schlussendlich in die USA. 

50 Jahre im Besitz eines Sammlers 

Im Jahr 1955 befand sich der Wagen im Besitz von V. Link Milsark aus Vienna, West Virginia.  Milsark war Automechaniker, Pilot und Modelleisenbahnsammler. Es ist nicht bekannt, dass er den 500 K in den Jahrzehnten, in denen er ihn besaß, auf Treffen oder Events präsentierte. Milsark war aber dennoch begeisterter Besitzer, der jahrzehntelang Mitglied im Classic Car Club of America war und den Wagen dort auch eintragen ließ. 

Der aktuelle Besitzer Mark Smith erwarb den lange bei Milsark verborgenen 500 K schließlich im Jahr 2005 und behielt ihn bis heute in seiner Sammlung. Milsark besaß den 500 K also stolze 50 Jahre lang. 

500 K in tollem Original-Zustand

Mit dem originalen Fahrgestell und dem originalen Motor gemäß den Werksunterlagen sowie dem originalen Typenschild ist der Wagen erstaunlich authentisch geblieben, wurde nie restauriert und im Laufe der Jahre nur bei Bedarf repariert. Der aktuelle Besitzer Mark Smith hat den Wagen so belassen, wie er ihn von Milsark erworben hatte. Irgendwann wurden dennoch Teile der Vordersitze ausgetauscht und die Sitzlehnen neu bezogen. Die übrige Innenausstattung, einschließlich der Türverkleidungen, stammt aus dem Jahr 1934 in Sindelfingen. An der Windschutzscheibe ist sogar noch ein Inspektionsaufkleber des West Virginia DMV aus den Jahren 1955-1956 vorhanden.

Sieger in der Vorkriegs-Klasse

Smith stellte seinen 500 K in der Vorkriegs-Klasse beim Pebble Beach Concours d'Elegance im Jahr 2006 und beim Amelia Island Concours d'Elegance im Jahr 2019 aus, wo er einen Award in der exklusiven 500 K/540 K-Klasse abstauben konnte. Aufgrund seines hohen Maßes an Originalität dürfte der "Offene Tourenwagen" bei vielen anderen Concours-Wettbewerben ein willkommener Teilnehmer sein. Denn der unberührte Zustand ist wirklich selten. 

Beeindruckende Technik im "Offenen Tourenwagen"

Auch damals hatte ein "Tourenwagen" schon ziemlich viel Dampf. Für Vorschub sorgte in diesem Mercedes-Benz 500 K ein 5-Liter großer Reihen-Acht-Zylinder-Motor. Mit eingeschaltetem Roots-Kompressor leistet der 500 K circa 160 PS. Gebremst wird mittels hydraulischer Trommelbremsen. Geschaltet mittels 4-Gang-Schaltgetriebe. Für eine semi-saubere Straßenlage sorgt vorne eine Einzelradaufhängung mit Doppelquerlenkern und Spiralfedern. Hinten ist eine Schwingachse mit Spiralfedern verbaut. 

Welchen Preis erwartet Gooding & Company?

Am 7. April kommt der Mercedes-Benz 500 K "Offener Tourenwagen" aus dem Jahr 1934 in Lynchburg Virginia (USA) unter den Hammer. Das Auktionshaus Gooding & Company erwartet für dieses seltene Exemplar einen Preis von 1.250.000 bis 1.750.000 Dollar. Ein Mindestgebot gibt es für das Fahrzeug nicht. Fragt sich, ob der zukünftige Besitzer die Originalität beibehält, oder das Fahrzeug restaurieren möchte...

Was ist ein 500 K "Offener Tourenwagen" wirklich wert?

Um den möglichen Wert des 500 K "Offener Tourenwagen" herauszufinden, haben wir uns bei den Experten von Classic-Analytics schlau gemacht. Doch eine fundierte Expertise zu solch einem außergewöhnlichen Modell scheint komplexer als sonst. "So ein Auto läuft außerhalb einer gewöhnlichen Wertentwicklung", erzählt uns Martin Heinze von Classic-Analytics. Und weiter: "Die Autos sind damals mit verschiedenen Karosserien gefertigt worden. Diese sind im Laufe der Zeit auch gerne mal getauscht worden. Chassis sind gekürzt worden, Motoren sind dupliziert worden. Um eine seriöse Einschätzung eines aktuellen Wertes vornehmen zu können, bedürfte es zunächst einmal des Kommissionsblattes des Herstellers. Dann müßten Historie und Originalität geprüft werden. Dazu kommt noch, dass das Auto stark patiniert ist, was i.d.R. auch zu außergewöhnlichen Ergebnissen führen kann. Die Geschichte des Wagens könnte den Kreis der Interessenten von den reinen Oldtimer-Sammlern um die Militaria-Sammler erweitern. Ein in Deutschland eher unter dem Deckmantel stattfindendes Phänomen, was aber im Ausland (z.B. NL, UK, USA) sehr verbreitet ist. Bei so einem Fahrzeug können bereits Nuancen zu sechs- bis siebenstelligen 'Ergebniskorrekturen' führen", so Martin Heinze.

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