Sterne unterm Hammer: Moss Pagoda bei Silverstone Auctions

1966 Mercedes-Benz 230 SL (W113) von Sir Stirling Moss

Sterne unterm Hammer: Moss Pagoda bei Silverstone Auctions: 1966 Mercedes-Benz 230 SL (W113) von Sir Stirling Moss
Erstellt am 27. Juli 2022

Der Mercedes-Benz 230 SL der Baureihe W113 - auch bekannt als Pagode - gilt als wegweisendes Modell und als das was man heute hip als "Gamechanger" bezeichnen würde. Die Pagode sollte für die Marke mit dem Sterm ein enormer Erfolg werden...

Der 230 SL, der im März 1963 auf dem Genfer Salon als Nachfolger des 190 SL vorgestellt wurde, ersetzte den Vierzylindermotor seines Vorgängers durch einen 2,3-Liter-Sechszylinder mit Benzineinspritzung, der aus dem 220 SE stammte und 150 PS leistete. Die Pagode kam mit Einzelradaufhängung rundum (Pendelachsen hinten), Scheibenbremsen vorne und Trommelbremsen hinten sowie einem Viergang-Schaltgetriebe oder einer Automatik. Der SL der Baureihe W113 war nicht nur besoders schick, sondern gehörte auch zu den beliebtesten Sporttourern seiner Zeit. So fuhr Eugen Bohringer mit diesem Fahrzeug zum Sieg bei der Rallye Spa-Sofia-Lüttich.

Die Performance und das gute Aussehen des Wagens blieben auch einem bestimmten Rennfahrer jener Zeit nicht verborgen: dem jungen Stirling Moss, der sich bis 1966 als einer der größten Mercedes-Benz Piloten aller Zeiten etabliert hatte. 1954 begann Moss für Maserati in der Formel 1 zu fahren. Doch noch im selben Jahr wurde er von Mercedes-Benz Rennleiter Alfred Neubauer als Fahrer für die Saison 1955 verpflichtet. Dies war ein entscheidender Moment in Moss' Karriere, denn er wurde Mitglied des damals erfolgreichsten Rennstalls der Welt. 1955 war ein hervorragendes Jahr für Moss und Mercedes-Benz: Er und sein Beifahrer Denis Jenkinson gewannen die Mille Miglia 1955 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 157,65 km/h. Die beiden Briten stellten damit eine neue Rekordzeit für die "1.000 Meilen" auf, die bis heute Bestand hat.

Der zweite große Triumph von Moss im Jahr 1955 war sein Sieg beim Großen Preis von Großbritannien am 16. Juli in Aintree auf einem Mercedes-Benz W196R. Moss war der erste Brite, der dieses prestigeträchtige Rennen gewann, und er sorgte für einen Vierfachsieg der "Silberpfeile", gefolgt von seinen Teamkollegen Juan Manuel Fangio, Karl Kling und Piero Taruffi.

Wer auf der Rennstrecke erfolgreich ist, muss auch im "normalen" Straßenverkehr eine gute Figur abgeben. So dachte Stirling im Frühjahr 1966 über ein neues Alltagsauto nach. Dabei stand die Pagode ganz oben auf seiner Liste. Laut dem Buch "Mercedes W113: The Complete Story" war Moss von dem W113 so beeindruckt, dass er sogar persönlich einen Brief an seinen ehemaligen Rennleiter Alfred Neubauer schrieb in dem es hieß: "In all den Jahren, in denen ich Auto fahre, kann ich mich nicht erinnern, jemals ein Auto gefahren zu haben, das ich lieber besessen hätte (außer einen Rennwagen!)"

Aus demselben Buch geht auch hervor, dass Moss unbedingt einen frühen, leistungsstärkeren 250 SL haben wollte. Darüber hinaus wünschte Moss persönlich, dass sein Wagen mit einem weiteren exklusiven Feature ausgestattet werden sollte, nämlich mit einem Hardtop, das sich öffnen lässt. Eine Mischung aus Schiebedach und Dachluke befindet sich nun auf Hardtop der Pagode. Habt ihr das beim W113 schonmal gesehen?

Mercedes-Benz ging natürlich auf die Wünsche des Grand-Prix- und Mille-Miglia-Siegers ein und übergab ihm 1966 die Pagode - gebaut nach seinen Wünschen. Für Moss wurde der M129-Motor aus dem 250SE und jene Dachluke in einen 230 SL eingebaut und nachgerüstet. Natürlich kam der SL als Rechtslenker.

Weil auch damals schon Marketing und Kommunikation für Moss und Mercedes-Benz sehr wichtig waren, wurde die Abholung des Wagens stilsicher inszeniert. Die Bildunterschrift des Pressefotos besagt: "Der ehemalige Rennfahrer Stirling Moss, 36, wird von seinem alten Chef Alfred Neubauer, 75, 'weggeflaggt', als er Stuttgart, Deutschland, besucht, um seinen neuen Mercedes-Benz 230 SL Sportwagen abzuholen. Auf dem Beifahrersitz sitzt Stirlings Frau Elaine".

Nun kommt die "Moss Pagoda" bei Silverstone Auctions unter den Hammer. Die Fahrzeugpapiere zeigen, dass der Wagen beim Greater London Council registriert war und bei 11.136 Meilen einen Service in Mayfair (wo Moss lebte) erhielt. Dem SL liegen eine Kopie des Original-Bestellformulars aus dem Werk, ausgestellt auf "Stirling Moss of London, England", eine Kopie der Datenkarte, das Original-Serviceheft, Handbücher und historische Zulassungsdokumente bei. Bemerkenswerterweise verfügt der Wagen auch über eine vollständig dokumentierte Geschichte der Besitzer, der Wartung und der Kilometerleistung bis zum heutigen Tag - es gibt Fahrtenbücher, Quittungen, TÜV-Zertifikate, Kaufbriefe und den dazugehörigen Papierkram, der bis ins Jahr 1966 zurückreicht!

Nach Moss' Besitz wurde der Wagen 1968 von einem Herrn Mitchell gekauft. Auch hier dokumentiert die Historie des Wagens Wartungsarbeiten zwischen 1968 und 1974 (14.336 - 49.700 Meilen), in Brentford, Chelmsford und Chingford. Im November 1970 gibt es eine Rechnung für die Neulackierung des Wagens in Jaguar Pearl Grey (die Farbe, die die Pagode heute noch trägt).

Im Oktober 1974 wurde die Pagode laut Kaufbeleg über Hurst Park Automobiles of Surrey an einen Herrn McBride verkauft (der seinen Ford Granada Estate als Teil des Geschäfts eintauschte). McBride brachte den Wagen anschließend nach Nordirland. Er ließ den SL regelmäßig (zwischen 1974 und 1976 und 49.700 - 72.728 Meilen) bei Isaac Agnew Ltd. in Belfast, bei einem Mercedes-Benz-Händler, warten. McBride war mit dem Verkaufsdirektor des Autohauses, einem Herrn Jack McAleer, befreundet. Irgendwann kaufte Jack McAleer den Wagen und meldete ihn im September 1977 an.

In den 1980er Jahren wurde die Pagode in McAleers Familienhaus neben seinem "Snooker-Hobby-Raum" untergestellt. In der Blütezeit des Snooker-Sports und dank McAleers Beziehungen wurde die Pagode von Sport-Berühmtheiten wie Ray Reardon, Alex Higgins und Barry McGuigan, die alle bei Jack zu Gast waren, bewundert.

Das Auto blieb dann über Jahre sicher in McAleers "Snooker-Zimmer" verstaut. Im Jahr 2012 verstarb Jack McAleer und die "Moss Pagoda" ging in die Hände siner Tochter. Laut Silverstone Auctions ist der SL - abgesehen von der Farbänderung im Jahr 1970 - völlig original und unrestauriert. Auch das einzigartige Hardtop mit Frischluftluke ist noch vorhanden und soll laut Anbieter sogar funktionsfähig sein. Der niedrige Kilometerstand des Wagens von 79.485 soll vollständig nachweisbar sein.

Sir Stirling Moss war nicht nur einer der größten Rennfahrer im Dienste von Mercedes-Benz war, sondern auch einer der größten Rennfahrer aller Zeiten. Moss´ Pagode ist ein Stück britischer Rennsportgeschichte und mit einem erwarteten Preis von 115.000 Euro bis 140.000 Euro (£100,000 - £120,000) nicht viel teurer als eine gewöhnlich, gut gepflegte Pagode.

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