Vom Mercedes träumen und Lotus fahren. Autojournalisten sind schon irgendwie anders. Das gilt auch für unseren Autoren Stefan Gerhauser, der seit dem beruflichen Kontakt mit uns zum Mercedes-Fan reifte. Wer im Sommer ausschließlich Lotus fährt, der scheut sich auch nicht davor einen Clk im Winter zu fahren. Aber lassen wir ihn seinen Weg zum Sternanbeter selbst beschreiben:
Den ersten prägenden Kontakt mit der Sternmarke hatte ich bereits als Teenager. Ich war damals eigentlich Ferrari-Fan. Als Autoverrückter lernte ich, damals schon, schöne Autos mit netten Besitzern kennen. Mit „Auto waschen“ besserte ich mir Anfang der 90er Jahre mein Taschengeld auf.
Ich pflegte zuerst einen Ferrari Mondial, es folgte ein Ferrari 348TS und später kam eine Honda Goldwing hinzu. Meine Zuverlässigkeit und Gründlichkeit sprach sich im Bekanntenkreis herum. So kamen auch Sterne in den Genuss meiner Wellness Kur. Zum Beispiel pflegte ich einen Mercedes 500 SL W107 US Version mit AMG Felgen, einen Mercedes R129 und eine S Klasse W140. Am Ende kannte ich die Autos im Detail besser als die Besitzer. Das ist lange her. Das Hobby „Autos“ wurde zum Beruf. Als Kfz Designer und Fotograf kennt meine Leidenschaft für Autos heute kaum Grenzen. Daher treibe ich mich natürlich oft bei Auto-Events jeglicher Art herum. Ich fotografiere und schreibe seit vielen Jahren für die Automobilpresse. So kam eins zum Anderen. 2017 wurde ich auf Mercedes-Fans.de aufmerksam. Der Beginn einer schönen und einflussreichen Kooperation. Mein erster Artikel war der Bericht über den weißen Büffel. Spätestens seit dieser Veröffentlichung bin ich bekennender Mercedes-Fan und achte seither noch mehr auf jeden Stern, der mir begegnet.
Hilfe, ich bin CLK-Infiziert!
2003 bin ich Papa geworden. Wenn der Papa Autos liebt, bekommt das Kinder natürlich einen extra Schuss Benzin von ihm zur Muttermilch dazu. Mein Sohn Bela hatte ein cooles Feuerwehrauto aus Metall als Rutschauto. Wir besuchten Traktor-Treffen, Autotreffen, Flugtage,.. jaaaaa und er durfte auch kindgerecht im Sandkasten spielen ;-) Langsam war das Rutschauto dann zu klein geworden. 2008 sollte der Filius ein Tretauto bekommen. Nur welches? Ich recherchierte auf dem Gebraucht-Tretautomarkt. Da fiel mein Augenmerk auf das W208 CLK Cabrio. C für Coupé, L für leicht, K für kurz. Das Coupé heißt ab Werk eigentlich C208 und das Cabrio A208. W208 hat sich jedoch für beide zusammen eingebürgert. Sehr schick dachte ich mir. Die schlichte Eleganz fiel mir gleich auf.
Das Tretauto war, was die Proportionen betrifft, auch recht originalgetreu und keine überzeichnete Karikatur eines Autos, wie manch andere Tretautos. Hinzu kam, dass der Nachbar ein W209 CLK AMG Black Series Coupe fuhr. So fing die CLK Leidenschaft an.
Mittlerweile ist mein Sohn fast 18. Das Tretauto ist schon lange verkauft. Im Sommer fahre ich seit 18 Jahren mit ständig wachsender Begeisterung eine Lotus Elise Mk1 (Instagram: @gulf_elise_mk1 @foto.gerhauser). Also bin ich eher ein Purist, der wenig elektronische Spielereien braucht, aber unbedingt sein ästhetisches Wohlbefinden beim Anblick seines Fortbewegungsmittels befriedigt wissen möchte. Daher mag ich ältere Autos, die noch nicht mit elektronischem Firlefanz vollgestopft sind. Für den Winter leistet mir seit vielen Jahren ein Skoda Oktavia Kombi Baujahr 2004 treue Dienste. Mit seinem Dieselmotor, einer gelben Plakette, 250.000 km und der ein oder anderen Kriegsverletzung und Alterskrankheiten ist er nun im Rentenalter. Klar, ein Kombi ist praktisch, nützlich sinnvoll, vernünftig, gut, ausreichend und voluminös. Es ist und bleibt aber ein Nutzfahrzeug, Lastenesel, ein Lieferwagen der mich von A nach B bringt.
Ich habe die Vorteile immer genossen aber keine Leidenschaft in der Beziehung zu diesem „vernünftigen“ Auto empfunden, auch wenn es eine seltene Limited Edition GT Version ist. Die Frau an meiner Seite fährt einen 8 Sitzer und somit brauchen wir nicht 2 praktische Autos.
Spieglein, Spieglein...welcher ist der passende CLK im Land?
Ende 2020 redete ich noch mit meiner coolen Frisörin Silvia bei einem Termin über Autos. Da erzählte sie mir, dass sie einen CLK W208 fährt. Dann kam die zweite Corona-Zwangspause. Anfang 2021 überlegte ich mir, aufgrund der Kurzarbeit und der Zeit zu Hause, ob es nicht der richtige Moment wäre, Ersatz für den Skoda zu finden. Jetzt hab ich Zeit, mir einen guten Gebrauchten zu suchen und zu kaufen. Ich überlegte nicht lange und beschloss, nun Nägel mit Zylinderköpfen zu machen. Wenn ich mir ein Auto kaufe, dann einen CLK. Der verfolgte mich unterbewusst seit dem Tretauto meines Sohnes. Mein muskulöser tätowierter Harleyschrauber fuhr 2012 ein W208 Coupe in Nato Olive grün foliert. Damals viel mir auf, dass es eine bunte Szene für das Auto gibt. Die CLKs würde ich mal wie folgt in Kategorien schubladisieren:
„Alles original und rostfrei.“
„Tief, breit,großzöllige Felgen, mit getönten Scheiben und möglichst laut.“
„Alle Aftermaket Teile, die es gibt verbauen und Sticker müssen drauf.“
„Egal, viel Auto, viele Kilometer, viel Rost, also alles lavede, aber ein Stern für ganz kleines Geld“
Natürlich gibt es auch Schnittmengen.
Als ich mich dann Anfang 2021 mal in die gängigen Gebrauchtwagenportale im Internet wagte, war das Angebot groß, aber ich hatte nicht wirklich eine Ahnung, welches Model zu mir passt. Welche Ausstattung, welche Motorisierung gibt es bei den CLKs? Welcher tendiert ggfs. zum Motorschaden? Aber eins war klar. Ich kaufe mir einen!
Fragen über Fragen
Worin liegt der Unterschied bei den CLKs? Was ist besser? Was will ich? Was brauche ich? Was kann ich mir leisten? Was ist zuverlässiger und vernünftig? Die erste Serie W208 oder der Nachfolger W209? Vormopf (Vor Modellpflege) oder Mopf (nach dem Facelift)? Cabrio oder Coupé? Xenon oder H7? Leder oder Stoff? Avantgarde oder Elegance Ausstattung? 16“, 17“ oder 18“ Zoll Felgen? Automatikgetriebe, oder manuelle Schaltung? Wenig km oder mehr Laufleistung? Bekommt man etwas brauchbares für 4500 Euro oder muss ich mindestens 7000 Euro investieren? Wie sieht die Ersatzteilsituation aus? Was sind die neuralgischen Punkte des Wagens? Worauf muss ich beim Kauf achten? Was kosten die verschiedenen Modelle an Steuer und Versicherung? Wie hoch ist der Spritverbrauch?
Selbstfindungsphase
Heute gibt es für alles Communities. Ich habe mich natürlich auch gleich in verschiedenen Facebookgruppen angemeldet. Im ersten Moment schrecken viele Beiträge in diesen Gruppen jedoch ab. Jeden Tag Meldungen wie:
„Ist das normal? Zylinderkopfdichtung unter 150000km kaputt?“.
„Der Kofferraum geht nicht mehr auf, was soll ich tun?“
„Das Verdeck schließt nur noch halb, woran liegt es“?
„Hat jemand noch Kotflügel vorne ohne Rost für mich“?
„Einer Licht für unter Türe am schraubn wo strahlt MercedesSchtern auf Strasse“?
„Ich schlachte den CLK, wer Interesse an den Eingeweiden hat, kann sich melden“.
Die gängigsten Problemquellen habe ich mir notiert. In Wikipedia und auf anderen Seiten gibt es gute, recht neutrale, Darstellungen zu den Baureihen W208 und W209. Da sind auch die verschiedenen Motorisierungen mit Verbrauch aufgelistet.
Lastenheft
Ich musste mir erst mal überlegen, wofür ich den Wagen nutzen möchte. Die Antwort war: Alltagsauto von Oktober bis April um 30km Autobahn zur Arbeit zu fahren und zurück. Ich höre 90% der CLK Besitzer jetzt aufschreien. „FÜR DEN WINTER“? Natürlich hätte ich gern das Cabrio mit 4 Sitzen. Ohne B Säule, mit der schönen großen Öffnung, wenn bei geschlossenem Verdeck alle Scheiben abgesenkt sind. Es ist etwas teurer in der Anschaffung. Aber im Ernst, für den Winter macht es keinen Sinn. Im April und im Oktober kann man ab und zu offen fahren, aber die meiste Zeit ist es mir von Oktober bis April zu kalt. Ich hab ja schon ein Sommerauto mit abnehmbaren Dach. Welche Ausstattung ist mir wichtig?
Ich wollte Xenon, da ich im dunkeln morgens los fahre und im Dunklen nach Hause komme. Ledersitze sind ein Muss, weil die psychedelischen Sitzbezugsmuster der Stoffsitze von damals zum Selbstmord verleiten. Außerdem sind Stoffsitze eher fleckig und zerschlissen, als Ledergestühl. Das Automatikgetriebe wurde mir wärmstens empfohlen, weil dies angeblich besser ist, als das hakelige Schaltgetriebe. Der W208 gilt als robuster, weniger störanfällig, mit weniger elektronischen Helferlein. Außerdem hat seine Plattform der C-Klasse W202 einen besseren Ruf. Also beschränkte sich meine Suche auf die Baureihe W208. Beim W209, basierend auf der C-Klasse W203, lässt sich das dreieckige hintere Seitenfenster sogar herunterfahren. Das sieht natürlich durch das Fehlen der B Säule bei abgesenkten Seitenscheiben super elegant aus.
Die Scheinwerfer liegen beim W209 etwas flacher und sind miteinander verschmolzen, was dynamischer und moderner aussieht. Man kann nicht alles haben, merkte ich schnell. Der W208 ist puristischer, monolithischer, weniger verspielt und gefällt mir auch sehr gut. Die Seitenfenstergrafik ist beim W208 durch die aufsteigende Unterkante und den Radius am hinteren Ende harmonischer, als beim W209. Welche Motorisierung soll es sein? Die Buchstaben AMG haben natürlich eine Aura, die um den Stern erstrahlt, aber der Verbrauch und die Anschaffungskosten sind mir zu hoch. Die V8 Modelle kamen also schon mal nicht in Frage. Dann gibt es da ja noch die 6 Zylinder Versionen, die sich durch ihre Laufruhe auszeichnen, aber da ist mir der Verbrauch auch noch zu hoch. Ich spiele ja nicht Quartett, wo es um Übertrumpfen geht, sondern ich will etwas ästhetisch Angemessenes, Alltagstaugliches und Erschwingliches. Die Spritpreise sind ja im Januar 2021 gerade wieder gut gestiegen. Einen Diesel will ich gerade verkaufen und ich fahre nicht mehr so viel, wie früher. Die deutsche Politik hat den Diesel so madig gemacht und wer weiß auf was für abwegige Verbote die Politiker noch kommen. Mit der gelben Plakette darf man schon lange nicht mehr in viele Städte fahren und auf offener Straße parken. Aber den Parkhausbesitzern ist die Plakette egal ;-).
Der Erstbesitzer vom Skoda hat die gelbe Umweltplakette gekauft. Ich habe die Zweite gelbe gekauft und die Dritte, weil ich ihn Jahre später auf Saisonkennzeichen umgemeldet habe. Bei zwei neuen Windschutzscheiben war auch jeweils ein neuer Aufkleber nötig. Der nächste Besitzer zahlt nun die sechste gelbe Umweltplakette für das selbe Auto und darf mit ihr nicht in die Stadt. Mit Logik hat das nichts zu tun. Abzocke nenne ich das. Also auch kein Diesel mehr. Auch nicht mit grüner Plakette. Ich wollte keinen Vormopf, denn durch das Facelift wurde einiges am Auto verbessert. Die Blinker in den Rückspiegeln wurden eingeführt und die Serienausstattung enthielt nun ein Multifunktionslenkrad, Ausstiegsleuchten, Reiserechner, teil elektrische Sitzverstellung, Tempomat, ESP, mechanisches Sechsganggetriebe... Da blieb noch der 200er Motor mit 136Ps und der 200er Kompressor mit 163 PS. Nicht zuletzt seit meinem Artikel über den SSKL Kompressorrennwagen fasziniert mich diese schlaue Technik.
Ich bin mal eine Lotus Exige mit Kompressor probe gefahren. Der jaulte mir unerträglich die Ohren voll. Zum Glück jault der Kompressor beim CLK nicht so, wie beim Vorkriegs SSK, oder dem Lotus. Die 27 PS mehr beim W208 200 mit Kompressor fand ich sehr interessant. Der Mehrverbrauch gegenüber dem selben Motor ohne Kompressor ist sehr gering. Zum Glück habe ich vor 4 Jahren im Driftsport ein nettes Team kennen gelernt, welches den W208 exzessiv am Limit bewegt und den Wagen in und auswendig kennt. Der technische Betreuer hat selber eine Werkstatt, viel Erfahrung mit Mercedes Fahrzeugen und hat mich sehr gut beraten. So hatte ich also ein Lastenpaket geschnürt und schaute mir nun Annoncen unter bestimmten Gesichtspunkten an.
Welches Schneemobil darf es sein?
Zwei Autos in 1,5 Stunden Entfernung weckten mein Interesse. Auf ging`s.
Da kam der Schnee. Nicht die beste Zeit für einen Gebrauchtwagenkauf. Aber ich wollte den Wagen ja sowieso für den Winter. Der erste CLK, den ich mir anschaute, hatte äußerlich keinen Rost. Das war schon mal erstaunlich. Zur Zeit der Baureihe W208 wurde die Lackierung auf Wasserlack umgestellt, die Hohlraumversiegelung der Karosserie ist teilweise ungenügend und manche Plastikzierteile scheuern mit der Zeit den Lack durch. Warum auch immer, Fakt ist, der CLK rostet gern an den Radläufen, am Kofferraumschloss, an den Türunterkanten, an den Zierleisten und der Leiste über dem Kennzeichen hinten… Die Probefahrt überzeugte mich: Ich schwärmte zwar seit vielen Jahren insgeheim für dieses Auto, aber habe zuvor noch nie in einem drin gesessen. Die Automatik ist natürlich nicht mit modernen DSG Doppelkupplungsgetrieben zu vergleichen, aber sie tut, was sie soll und passt zu einem eleganten Mercedes.
Ich mag ja dieses Zeitreisegefühl und das klassische Ambiente in älteren Autos. Die Windschutzscheibe erinnert an das Format einer Kinoleinwand. Breit und niedrig. Die Motorhaube/Unterkante Windschutzscheibe liegt sehr hoch. Das Lenkrad hat einen großen Durchmesser. Warum liegt der Einarmwischer auf der Fahrerseite? So sehe ich den Stern auf der Haube schlecht. Der Einarmwischer von meinem Linkslenker Lotus liegt auf der Beifahrerseite. Die Ledersitze sind eher bequem, als sportlich, mit wenig Seitenhalt. Die Einstellung des orthopädischen Sitzes überforderte mich auf den ersten Blick, aber schön sie zu haben. Darum kümmerte ich mich später. Die Außenspiegel sind klein und sehr sphärisch. Der Motor ist etwas stärker, als bei meinem Skoda und beschleunigt mit 9 Sekunden 2 Sekunden schneller, als der Tscheche. Also ein Fortschritt. Genug Power um zügig zu fahren.
Das Fahrwerk ist straff komfortabel. Die breiten 245er Schlappen hinten folgen jeder Teer-Längsnaht und den Lastwagenspurrinnen im Straßenbelag. Das waren so die ersten Gedanken unterwegs. Genau mein Ding. Knapp über 100000 km, alles funktioniert soweit, keine auffälligen Geräusche während der Probefahrt. Xenon, schöne schlichte Fünfsternfelgen in 17 Zoll. Wagenfarbe schwarz, innen schwarzes Leder. Die blauen Wärmeschutzscheiben und das dunkle Holz der Avantgarde-Ausstattung ergab ein ruhiges hochwertiges und harmonisches Erscheinungsbild.
Hochmut kommt vor dem Fall
Bei einem Gebrauchtwagenkauf sollte man ja unbedingt auch unter das Auto schauen. Mutig schickte ich den CLK vor Ort in die Höhe. Als ich den Unterbau sah, traf mich der Schlag. Ein Blätterteigcroissant sieht besser aus, dachte ich. Rost OHNE ENDE an tragenden Teilen, Schrauben, Achsschenkeln,.... „Er muss im Salzwasser gestanden haben“ kommentierten die Gruppenmitglieder die Fotos, die ich geschossen hatte und später zur Rückversicherung in die Gruppe stellte. Unerklärlich, warum er außen rostfrei aber unten drunter marode war. Ominös! Finger weg. So dankte ich und fuhr 30 Minuten zum zweiten Termin. Der Klassiker erwartete mich. Vom lesen eigentlich fast ein Volltreffer: Rentnerauto, Erstbesitzer, 78000km, Scheckheft gepflegt, Xenon, Automatik, Leder, 8 fach bereift 16“ Felgen, mit Dachskibox und Schneeketten. Außenfarbe silbern. Leider abgemeldet, also keine Probefahrt möglich, aber wenn er mir gefällt kann ich rote Nummern besorgen und die Probefahrt nachholen, dachte ich.
Tja, wenn da nicht die Sache mit dem Xenon wäre. Der gute Mann wusste nicht, dass sein Auto kein Xenon hat. Keine Scheinwerferreinigungsanlage vorhanden, also kein Xenon. Dachgepäckträger mit Ski Box und Schneeketten haben mich dann auch nicht versöhnlicher gestimmt. Brauch ich nicht. Ein Blick unter das Auto sah auf jeden Fall besser aus, als das Croissant von vorhin. Wenig Rost war vorhanden. Ich fuhr aber erst mal unverrichteter Dinge und enttäuscht wieder nach Hause. Weiter suchen, weiter schlau machen. Ich schrieb alle Punkte auf, die ich bei der nächsten Besichtigung checken wollte. Mittlerweile war ich froh, dass ich die Coronazeit für die Gebrauchtwagensuche nutzen konnte. Es dauerte doch länger, sich mit dem Markt auseinander zu setzen und einen passenden Wagen zu finden. Ich habe mich richtig in die Materie reingefuchst. Es ist schwer bei einen Gebrauchten exakt die Zusammenstellung zu finden, die man sucht. Mal fehlt das Xenon, einer hat zu viel km, der Andere hat alles, aber keinen Kompressor. In welchem Punkt kann ich nachbessern und wo bin ich kompromissbereit, fragte ich mich.
Kompromissbereitschaft?
Einen Kompromiss muss man eingehen. Xenon nachzurüsten ist umfangreich und aufwendig. Da gibt es Sensoren an der Hinterachse, die beschafft und eingebaut werden müssen. Die Scheinwerferreinigungsdüsen mit Schläuchen und der Pumpe müssen besorgt und installiert werden. Die Frontstoßstange muss die Klappen für die Scheinwerferreinigungsdüsen haben. Also eine andere Stoßstange muss her. Die Xenon Scheinwerfer mit der Höhenregulierung muss man kaufen und einbauen. Im Innenraum am Armaturenbrett muss der Schalter für die Scheinwerferreinigungsanlage nachgerüstet werden. Der Lichtschalter ohne Höhenverstellung links neben dem Lenkrad muss ausgetauscht werden. Alles in allem nicht ohne. Das neue LED Nachrüstlicht, welches auf dem Zubehörmarkt erhältlich ist, ist für den CLK noch nicht zugelassen. Xenon ist mir für die Fahrsicherheit wichtig. Darauf wollte ich also nicht verzichten. Die Nachrüstung ist zu teuer und zu umfangreich. Ich suchte also nur noch Autos mit Xenon.
Im Vergleich zum sicherheitsrelevanten Licht ist die blaue Verglasung und das schwarze Holz eigentlich weniger wichtig. Es gefällt mir persönlich jedoch sehr und ich fragte mich: „Wäre ich glücklich in einem Wagen, wenn ich jeden Tag den Kompromiss in Form von braunem Holz vor Augen hätte?“ Auf Leder wollte ich definitiv nicht verzichten. 16“ Felgen würde ich zähneknirschend in Kauf nehmen, wenn sonst alles passt. Wenn ich im Auto fahre, sehe ich die Felgen nicht, aber das Holz im Innenraum. Reifen und Felgen kann man am einfachsten tauschen.
Gadgets, wie ein Heckscheibenrollo, das Comand Multimedia System und die komplett elektrische Sitzverstellung waren mir nicht wichtig. Ich würde schon einen Kompromiss finden.
Ein neuer Stern am Firmament
Es war ein komisches Gefühl, sich dank der Vorbereitung besser auszukennen, als der Besitzer, der den Wagen 20 Jahre fuhr und sagte: „Ich dachte, ich hätte irgendwo Xenon gelesen“. Trotzdem merkte ich bei der Probefahrt, dass es noch besser wäre auch die Funktion aller Schalter im Innenraum zu kennen. Daher schaute ich auch noch YouTube Videos über den CLK. Ich fand eins, in dem alle Innenraumfunktionen erklärt werden. Die per Knopfdruck absenkbaren Fond Kopfstützen, die Garagentoröffnerknöpfe am Innenspiegel, … Das gibt einem Sicherheit beim Kauf und man kann alles auf Funktion prüfen. Eine Woche später fuhr ich 2,5 Stunden zum nächsten Termin. "Gebrauchtwagen anschauen" erinnerte mich an Wohnungsbesichtigungen. Der Makler erzählt, was er will und vor Ort fällt man dann aus allen Wolken. Zeitverschwendung? Nein, man lernt dazu und einem wird immer bewusster, was man will. Selten ist bei einer Besichtigung die erste Wohnung, oder das erste Auto das Richtige. Mit meiner weitaus besseren Hälfte und dem Geld (Preisrahmen sollte max. 6500 Euro sein) war ich auf alles gefasst. Diesmal standen sich wieder zwei Mopf 200 Kompressor 163 Ps W208 Coupés gegenüber.
Die Qual der Wahl
Der Wagen beim ersten Termin war das einzige Fahrzeug, bei dem in der Verkaufsanzeige auch Bilder vom Unterboden gezeigt wurden.
- Außen Schwarz, Leder schwarz 118000km angeblich ABSOLUT rostfrei mit 8 fach Fünfstern 17" Zoll, davon 4 AMG mit polliertem Rand, bisher 3 Besitzer. Mit einem 6 Gang Schaltgetriebe. Avantgarde mit dem dunklen Holz, Pdc (Park distance control) und CD/Navi/Radio. Ein ergonomischer Mehrwert ist der orthopädische, sehr gut anpassbare Fahrersitz. Preis 6990Euro
In der anderen Ecke, eine Stunde entfernt, wieder der vermeintliche Volltreffer:
- Silbern, Leder schwarz nur 58000 km, vom verstorbenen Vater, also aus Erstbesitz, 16 Zoll 6 Stern Allwetterreifen Automatik. Aber keine Einparksensoren und nur ein Kassettenradio und Elegance Ausstattung mit dem braunem Holz. 5800Euro 5500Euro schon zugesagt. Ein Schnäppchen.
Von meinen Beratern wurde mir zum 1. Besitz mit wenig km geraten.
Ich verstand aber langsam auch die Marktsituation. Am beliebtesten sind die CLKs mit hoher Leistung. Auch wenn sie dann nur bei schönem Wetter und nur im Sommer gefahren werden. Der Verbrauch ist ja auch nicht ohne. Beliebt ist es auch AMG Schweller und Stoßstangen nachzurüsten, ohne einen AMG Motor unter der Haube zu haben. Die 200er sind schwer zu verkaufen, obwohl sie genauso schön sind und der Motor nicht schwach ist. Die Ausstattung spielt auch eine Rolle. Je mehr desto besser. Wie so oft schwimme ich gegen den Strom. Wie gut für mich, dass ich einen 200K ohne Comand System suchte.
Engelchen Teufelchen Showdown
Teufelchen: Der schwarze sieht besser aus, mit 17“ Fünfstern, dunklem Holz und blauen Scheiben.
Engelchen: Der silberne ist viel günstiger. Er hat das Automatik Getriebe. Er ist in der typischen Mercedes Farbe gehalten, vom Erstbesitzer und er hat knapp halb so viel km gelaufen. Das ist die sichere, technisch bessere und vernünftige Wahl!
Der Besitzer des schwarzen Mercedes hat eine Hebebühne, er holte eine Lampe und fragte sogar, ob ich die Unterbodenverkleidung vom Motor demontieren möchte. Der Wagen stand trocken in der Halle, so konnte ich keinen Flüssigkeitsverlust unter dem Auto, oder im Motorraum übersehen. Ich habe alles kontrolliert. Hier der Link zur Checkliste. Innen und außen. Einziges Manko: die linke Hälfte des kleinen digitalen Displays unter dem Tacho flackert im Takt vom Blinker und das Warndreieck ist vom Ständer abgebrochen. :)
Der zweite Besitzer hat keine Hebebühne. Ich habe daher vorab eine freundliche Werkstatt in der Nähe gefragt, ob ich während der Probefahrt bei ihnen mal auf die Bühne dürfte. Den Hebebühnentermin und den Besichtigungstermin vom Auto habe ich jedoch schnell abgesagt. Besser und rostfreier, als der schwarze CLK geht`s für mich nicht. Seitdem bin ich nun endlich glücklicher Sternbesitzer.
Wer will schon „vernünftig“ sein.
Wie kam es zur Entscheidung? Es stand natürlich zum Teil die Vernunft gegen die Ästhetik und Emotion. 48.500Km Laufleistung sind verlockend. Er wird auch seinen Käufer finden. Unvernünftig ist der andere mit 118.00km aber auch nicht. Die CLKs laufen mit den 200K Motoren bei guter Pflege 300.000km und mehr. Bei 7 monatiger Nutzung brauche ich ca. 10 Jahre, um die nächsten 100.000km zu fahren. Einen Kompromiss musste ich eingehen. Da hab ich mich auf das Schaltgetriebe eingelassen. Die Automatik kam mir bei der ersten Probefahrt etwas langsamer vor, als die manuelle Schaltung. Das manuelle Sechs-Gang-Getriebe soll besser sein, als die manuellen Vormopf Fünf-Gang-Schalter. Angeblich beschleunigt der CLK mit Schaltgetriebe besser und fährt auch etwas schneller, als mit Automatik. Wie ich in Erfahrung bringen konnte sind die manuellen Sechs-Gang-Getriebe durchaus gut. Laut GPS Messung erreicht mein neuer 200er fast 230 kmh.
Was der Vorbesitzer nicht mal wusste ist, dass sogar noch ein funktionstüchtiges Nokia in der Mittelkonsole versteckt ist und der Wagen eine Freisprechanlage besitzt. Mal sehen, ob ich das Mobiltelefon reanimiere. Er hatte den Wagen nur 1 Jahr, hat aber 2000 Euro sinnvoll in den Wagen investiert. Ölstopkabel, Kurbelwellensensor erneuert und abgedichtet, neue Reifen, neue Sachs Stoßdämpfer... So ist es mir lieber, als ein 20 Jahre altes Auto mit wenig km zu kaufen, bei dem ich das alles noch erneuern muss. Wie gesagt sind mir technische Spielereien nicht so wichtig. Das integrierte Navi werde ich nicht nutzen. Ein veraltetes Comand System hätte mich auch nicht gereizt. Ich hab ja Google Maps auf dem Handy. Ein nostalgisches Gefühl kam auf, als ich die 2 Umzugskartons mit den alten CDs wieder vom Dachboden geholt habe. CD hören ist mal wieder schön.
Alle Angaben ohne Gewähr
Bitte nagelt mich nicht fest, auf die ein oder andere Aussage, die W209 Fahrer schwören auf ihre Autos, den AMG Fahrern kommt nichts ohne die 3 Buchstaben in die Garage und was Automatik, oder Schaltung an geht, mag es auch unterschiedliche Sichtweisen geben. Ich habe jedenfalls ein sicheres Gefühl und die umfangreiche Recherche hat sich gelohnt. Die Checkliste ist natürlich nicht vollständig, je nachdem was Ihr für Prioritäten habt, oder ob Ihr vielleicht ein Cabrio wollt. Zum respektvollen Meinungs- und Erfahrungsaustausch und zur Hilfe sind ja die Facebook Gruppen gut - oder ein Kommentar unter diesem Beitrag. Den Spitznamen hat mein Benz schon weg. Eine Anspielung auf Bertha Benz, da ich unweit von Ladenburg wohne und eine Anspielung auf das Geschütz "Dicke Bertha" aus dem ersten Weltkrieg, weil der CLK ein ganz schönes Geschoss ist.
Anmerkung der Redaktion: Wir freuen uns sehr, dass die Suche unseres Autoren Stefan Gerhauser schlussendlich ein gutes Ende genommen hat. So mancher von Euch wird es natürlich nur schwer verstehen können, dass so ein schöner W208 nun als Winterauto herhalten muss. Schreibt uns dazu Eure Kommentare. Dir lieber Stefan wünschen wir viel Spaß und gute Fahrt mit deinem eleganten Coupé.
Technische Daten
Typ: Mercedes-Benz C208 CLK 200 Kompressor
Motor: M 111 E 20 ML EVO
Kraftstoff: Benzin
Nockenwellenantrieb: Kette
Hubraum: 1998 cm³
Ventile: 16
Leistung: 120 kW/163 PS bei 5300/min
Drehmoment: 230 Nm bei 2500–4800/min
Höchstgeschwindigkeit: 223 km/h
Beschleunigung: 0-100 km/h in 9,1 s
Bauzeit: 06.2000–05.2003
Maße (L/B/H): 4567 x 1722 x 1380 mm
Kofferraum: 237 Liter
Aufladung: Maximal 0,4Bar
Leergewicht: 1615kg
P.S.: Natürlich möchte ich lange Freude an Bertha haben. Daher werden die bestehenden winzigen Roststellen an Schrauben... mit Rostumwandler behandelt. Danach bekommt der CLK eine penible Korrosionsschutz -Behandlung und der Unterboden wird mit Wachs versiegelt.
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