Faszination: die Legende vom Bandabläufer

Der letzte seiner Art wird bei Mercedes zum Sammlerstück

Faszination: die Legende vom Bandabläufer: Der letzte seiner Art wird bei Mercedes zum Sammlerstück
Erstellt am 12. Januar 2024

Die Autoindustrie weiß seit Jahrzehnten, sich effektvoll zu präsentieren. Von vielen Autos gibt es Sondereditionen, beliebte Kleinserien und wertvolle Einzelstücke. Nichts ist jedoch so exklusiv wie ein Bandabläufer.

Wer in der Autoszene nicht zu Hause ist, dem wird der Begriff „Bandabläufer“ aufs erste Hören nicht viel sagen. Bei einem solchen Bandabläufer handelt es sich um das real letzte produzierte Modell einer Baureihe. Heißt, nach diesem einzelnen Exemplar ist Schluss, die Fertigung endet und die Produktionsanlagen werden auf die Nachfolgegeneration oder ein komplett anderes Fahrzeug umgestellt. Ein Hersteller wie Mercedes zelebriert diesen Bandabläufer bei besonderen Fahrzeugbaureihen und holt ihn als besonders exklusives Modell in seine eigene Sammlung. Hier parkt das Fahrzeug zumeist erst einmal ein paar Jahre weitgehend unbeachtet, denn das gerade eingestellte Modell hat für Sammlung oder Museum zunächst keinen besonderen Wert. Das ändert sich erst nach ein paar Jahren, wenn es zu Jubiläen oder besonderen Anlässen wieder ans Tageslicht geholt wird.

So geschehen zum schneereichen Winterstart 2023 als die Fertigung des Mercedes CLS, interne Bezeichnung C257, ausläuft. Nicht nur mit der aktuellen Generation ist Schluss, denn die gesamte CLS-Baureihe, ehemals betont exklusiv und imageträchtig zwischen E- und S-Klasse positioniert, wird eingestellt. In Sachen Volumen setzte der Mercedes CLS seit 2004 kaum Bestmarken, sorgte jedoch für jede Menge Image und begründete ein Fahrzeugsegment, das es zumindest in Europa nicht gab. Gerade die erste Generation des Mercedes CLS sorgte als elegante Baureihe C219, erschaffen vom damaligen Chefdesigner Peter Pfeiffer für viel Aufsehen. Zu groß waren die Unterschiede mit der technisch weitgehend baugleichen E-Klasse des W211. Optisch war die viertürige Coupélimousine eine derart große Schau, die man allenfalls von einer Beau-Marke wie Alfa Romeo, Maserati oder Aston Martin erwartet hatte.

Zwischen Oktober 2004 und Juli 2010 wurden rund 170.000 CLS-Modelle verkauft. Von der Nachfolgegeneration C218 waren es mit einer zweiten Karosserievariante des Shooting-Brake-Kombis von Anfang 2011 bis Ende 2018 ebenfalls rund 170.000 Stück. Die aktuelle Generation C257 geht - seit Anfang 2019 gefertigt - nach 140.000 Fahrzeugen in den Ruhestand. Der Grund für die Einstellung ist nicht eine etwaige Erfolglosigkeit, sondern der technische Gleichklang mit der E-Klasse. Die neue E-Klasse als letztes von Mercedes mit einem Verbrennungsmotor neu entwickeltes Fahrzeug bekommt keinen technischen Coupélimousinenableger her. Hier muss die neue Generation CLE als Symbiose aus C- und E-Klasse als zweitüriges Coupe reichen, um die Schöngeister zu erfreuen. Die immer größer werdende Anzahl an Elektromodellen mit Stern sorgt dafür, dass auch die Schwaben das Verbrennerportfolio wegen der zu großen Fahrzeugvarianz verkleinern müssen.

In Rente geht der Mercedes CLS mit einem Bandabläufer, der sich wahrhaft sehen lassen kann. Lackiert in der dunklen Farbe smaragdgrünmetallic ist die Nappalederinnenausstattung eine sehenswerte Symbiose aus sattelbraun und schwarz. Dabei handelt es sich um einen CLS 450 4matic, der bei der finalen Übernahme an der Fertigungsstelle gerade einmal 14 Kilometer gelaufen hat. Sein Neupreis: 110.000 Euro. Die 270 kW / 367 PS starke Coupélimousine mit dem Reihensechszylinder vom Typ M256 ist nahezu in Vollausstattung unterwegs und rollt dabei auf 20-Zoll-Felgen mit AMG-Design. Weil der Wagen langfristig einmal für Kommunikationszwecke genutzt werden soll, wurden die üblicherweise düster getönten Fondscheiben für etwaige Fotoaufgaben abbestellt. „Üblicherweise wird ein Bandabläufer mit einer Konfiguration im Produktionssystem erfasst, der die Sonderausstattungen und Farbkombinationen umfasst, die während der Bauzeit gängig waren“, erläutert Matthias Knebel, bei Mercedes verantwortlich für die Fahrzeugsammlung, „einfach gesprochen: ein Bandabläufer entspricht den Käufervorlieben der jeweiligen Zeit und dokumentieren, wie ein Mercedes-Benz typischerweise im Straßenbild anzutreffen war.“

In der Mercedes-Fahrzeug-Sammlung, untergebracht in einer ebenso geheimen wie streng gesicherten Halle in Fellbach, stehen zahlreiche besonders exklusive Mercedes-Modelle. Dazu gehören 600er-Staatslimousinen, die gepanzerten S-Klassen von Ex-Kanzler Helmut Kohl oder eben einige Bandabläufer. Das Muster der Bandabläufer ist am Beispiel des S-Klasse Coupés der Baureihe C126 z erkennen. Dieser ist in der damals sehr populären Außenfarbe „blauschwarz Metallic“ (Code 199) lackiert und hat Innen Leder champignon (265). Mit den aufpreispflichtigen Sonderausstattungen elektrisches Schiebedach, Klimaanlage oder der prestigeträchtigen Scheinwerferreinigungsanlage wurde das Coupé damals bestellt und ausgeliefert. „Die Bandabläufer sind in der Regel Modellpflege-Fahrzeuge und dokumentieren den letzten Stand der jeweiligen Baureihe. In der Dokumentation ist auch die häufig vorkommende Vollausstattung begründet“, erläutert Matthias Knebel, „Sondereditionen, meist limitiert, sind unseren Kunden vorbehalten – entsprechend werden solche Fahrzeuge bei Bedarf auf dem freien Markt, einige Jahre später zugekauft.“

Nicht jedes auslaufende Fahrzeug rollt in die exklusive, millionenschwere Klassiksammlung von Mercedes. Pro Jahr kommen von besonders wichtigen Modellen nur ein bis maximal drei Fahrzeuge hinzu – wie eben der dunkelgrüne CLS der Baureihe C257. Der älteste Bandabläufer der Schwaben ist die in den 1960er Jahren vorgestellte Luxuslimousine und spätere Staatslimousine des Mercedes 600 (Baureihe W100). Ein Bandabläufer hat jedoch nicht nur die Aufgabe der Erinnerung zu späteren Jubiläen allein. Matthias Knebel: „Alle Bandabläufer sind für uns für die Dokumentation, eine mögliche in fernerer Zukunft liegende Ersatzteilnachfertigung und natürlich in der Kommunikation wichtige Fahrzeuge.“ Bei Veranstaltungen werden die Fahrzeuge nicht nur statisch gezeigt, sondern auch gefahren. Das Fahrzeug mit der geringsten Laufleistung in der Fahrzeugsammlung ist ein Mercedes 560 SEC mit gerade einmal 130 gefahrenen Kilometern. Doch erst einmal heißt es für den Mercedes CLS 450 4matic ein paar Jahre warten, ehe er wieder ans Tageslicht geholt wird.

Archiviert wird bei Mercedes übrigens nicht der Bandabläufer allein. Das Fahrzeug einer Baureihe ist nur der sichtbarste Teil. Es existieren jedoch eine Vielzahl von Dokumenten, Dateien oder Bildern, die zur Historie einer Baureihe gehören. Dazu kommen das Lastenheft, Ideen zur Realisierung, maßstabsgetreue Modelle oder Prototypen bis das Fahrzeug fertig entwickelt und in der Produktion ist. Mit Konstruktionsunterlagen, technische Zeichnungen oder Verkaufsliteratur fallen weiteres archivierbares Material an. Dies geht zusammen mit einem Bandabläufer in die Archive und Sammlung, um das Wissen für nachfolgende Generationen zu erhalten.

Bildergalerie: Legende vom Bandabläufer

21 Bilder Fotostrecke | Faszination: die Legende vom Bandabläufer: #01 #02

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1 Kommentar

  • W124-300E

    W124-300E

    Der CLS mag durchaus als Designerstück gelten, aber mir persönlich hat damals der W211 deutlich besser gefallen. Beim CLS hat mich die abfallende Hecklinie gestört und auch das Scheinwerferdesign konnte mich nicht ganz überzeugen. Der 211er hingegen auch heute sieht immer noch klasse aus - vor allem in schwarz eine der schönsten Limousinen aller Zeiten!

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