Technik: Erste Fahrt im Prototypen Mercedes Sprinter 4x4

Schlammwühler

Technik: Erste Fahrt im Prototypen Mercedes Sprinter 4x4: Schlammwühler
Erstellt am 1. September 2021

Mercedes hat den Sprinter überarbeitet. Im Zuge des technischen des Großreinemachens bekommt die Allradversion des Kleintransporters nur noch einen Dieselmotor in verschiedenen Ausbaustufen und den Allradantrieb des GLE mit verschiedenen Anpassungen. Der Technikwechsel bringt das erhoffte Resultat: Auch ohne Untersetzungsgetriebe schlägt sich der Offroad-Sprinter gewaltig.

Wenn es dem Esel zu gut geht, wagt er sich auf das Eis, weiß der Volksmund. Etwas Ähnliches könnte man sich auch beim Mercedes Sprinter 4x4 denken. Ein Kleintransporter mit Allradantrieb klingt eher nach Oligarchen-Spielzeug als nach einer sinnvollen Ergänzung einer Modellpalette. Doch genau das ist der Sprinter-Allradsprinter, der vor allem in den USA beliebt ist. Doch nicht nur jenseits des Atlantiks fragen etliche Kunden nach der Viermalvierversion des Sprinters, auch in Europa greifen Firmen, die im Baugewerbe tätig sind oder solche, die Güter auf verschneiten Wegen einen hohen Berg hinaufwuchten müssen gerne zu. „Die Österreicher oder Schweizer freuen sich jeden Winter über den Sprinter mit Allradantrieb“; erzählt Techniker Sascha Belca. Auch für Wohnmobile, die auch mal abseits vorgefertigter Campingplätze stehen sollen, ist der Sprinter 4x4 eine sinnvolle Basis.

Also gehört der geländegängige Sprinter schon länger zum Angebot, doch Mercedes packt zum Jahreswechsel den Antriebsstrang vom SUV GLE unter den Kleintransporter. Das bedeutet einen Vierzylindermotor statt eines Sechszylinderaggregates, eine Neungangautomatik statt eine, die sieben Fahrstufen zur Verfügung hat und keine Getriebe-Untersetzungen mehr. Bei unserer Testfahrt zeigt der neue Allrad-Sprinter, dass er beliebe keine Sparlösung ist, die auf dem Schreibtisch synergieversessener Controller entstanden ist. Selbst steile Rampen erklimmt der Kleintransporter ohne Probleme mit Reifen, deren Profil mit Schlamm bedeckt ist. Anhalten und wieder losfahren? Vorwärts oder rückwärts den Hang hinauf? Kein Problem, der Sprinter meistert die gestellten Aufgaben souverän und mit einer beeindruckenden Souveränität.

Wo früher die Räder kurz durchdrehten, ehe sie die nötige Traktion fanden, wühlen sich die Pneus jetzt unaufgeregt durch den Schlamm und erledigen diese Aufgabe ziemlich komfortabel. Kein aufjaulender Motor, kein Knarzen, kein Anrucken. Der Sprinter 4x4 folgt den feinen Befehlen des Gaspedals, ohne nur einmal zu murren. Der ganze Stunt geht wie selbstverständlich über die Bühne. Auch bergab hilft die moderne Technik in Form einer adaptiven Bergabfahrkontrolle, die auf Knopfdruck aktiviert wird und sich den Geländegegebenheiten anpasst. Damit auch kupiertes Gelände nicht zum unüberwindbaren Hindernis wird, ist die Bodenfreiheit des Sprinters 4x4 vorne um 155 Millimeter und hinten 135 mm höher als bei der Version mit Hinterradantrieb. „Jeder, der durch hohe Schneewehen fahren muss, freut sich darüber. Der Sprinter 4x4 ist als Schlechtwege und Traktionsallrad konzipiert“, sagt Entwickler Mirko Bänisch.

Damit der Sprinter das alles zustande bringt ist, ist ein perfektes Abstimmen von Hard- und Software nötig. Das fängt mit dem Motor sowie dem Getriebe an und hört mit gezielten Veränderungen einzelner Bauteile auf. Die Basis des technischen Paradigmenwechsels ist der Vierzylinder-Diesel OM 654 mit 140 kW / 190 PS (die weiteren Varianten haben 84 kW/114 PS, 110 kW/150 PS oder 125 kW/170 PS) im Zusammenspiel mit der Neungangautomatik. Aufgrund der breiteren Spreizung des Getriebes ist der erste Gang fast genau um jene 25 Prozent kürzer übersetzt, wie es sonst das Untersetzungsgetriebe war. Hilfreich sind außerdem das hohe Anfahrdrehmoment des Selbstzünders und die feineren Eingriffe der Regelsysteme, die Vorankommen bei rutschigem Untergrund geschmeidiger ablaufen lassen als beim Vorgänger. Das gilt auch für das Rückwärtsanfahren am Berg, eine Übung, die der Offroad-Sprinter im Alltag öfter absolvieren muss, als man glaubt.

Die variable Kraftverteilung zwischen den Achsen übernimmt jetzt eine in das Verteilergetriebe integrierte elektronisch geregelte Lamellenkupplung. Bisher war die Momentenverteilung auf 35 Prozent vorne und 65 Prozent hinten festgelegt. Die Vorderachse hat stärkere Stabilisatoren erhalten, um die Wankneigung zu reduzieren, was vor allem Wohnmobilfahrer freuen wird, bei der Hinterachse haben die Entwickler dagegen auf die Verschränkungsmöglichkeit geachtet. Der Vorteil des Systems ist, dass es auch bei der 5,5 Tonnen-Version des Sprinters verwendet werden kann, bei dem aber die Hinterachse kürzer übersetzt ist. Aufgrund des Gewichts von bis zu 5,5 Tonnen mussten die Techniker auch beim Vorderachsgetriebe ein eigenes Bauteil verwenden.

13 Bilder Fotostrecke | Fahrt im Prototypen Mercedes Sprinter 4x4: #01 #02

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