Mercedes-Benz in der Rallye WM

Wilde W123 / R107 mit Kriegsbemalung und herrlichem Motorsound

Mercedes-Benz in der Rallye WM: Wilde W123 / R107 mit Kriegsbemalung und herrlichem Motorsound
Erstellt am 27. Juni 2012

Als der britische Rallye Profi Andrew Corwan die „London-Sidney“-Rallye 1977 mit einem Mercedes W123 280E überragend gewonnen hatte, entschloss man sich bei der Daimler-Benz AG, das Thema Rallye stärker zu unterstützen. Ab 1978 folgte der offizielle Einstieg in den Rallye-Sport. Erstmals wurden neben Langstreckenrallyes auch einige Veranstaltungen der Rallye Weltmeisterschaft als Werkseinsatz bestritten. Doch der Aufstieg des neuen Sterns am Rallye-Himmel endete leider schnell.

Die Mercedes 280E waren zwar unglaublich zuverlässig, aber für die weitere Rallye Planung sollte ein Fahrzeug mit mehr Power an den Start gehen. Daimler Sportchef Erich Waxenberger wählte den brandneuen 450 SLC 5.0 zur Speerspitze der Daimler Armada. Das für die damalige Zeit ziemlich voluminöse Coupé verfügte über einen neuen Aluminium-V8 (M117) Motor, der für europäische Verhältnisse mit fünf Liter Hubraum schon ein rechter Kracher war. 320 PS bei 6.300 U/min und ein gewaltiges Drehmoment von 405 Nm schüttelte die Maschine ganz unaufgeregt aus den acht Zylindern.

Fehlten nur noch erfahrene Rallyepiloten und hier kam es zu einem Novum der Motorsportgeschichte. Da Mercedes zunächst nur an ultraharten Langstecken-Rallyes teilnahm, die wiederum das personalmäßig sehr gut aufgestellte Ford Werks-Rallye-Team nicht fuhr, wurden die Ford Werkspiloten für diese Rallyes von Mercedes verpflichtet. Als Waxenberger mit dem Ford Rennleiter telefonierte und nach den Gagen der Fahrer fragte, teilte der ihm die Jahres-Gage pro Fahrer mit. Waxenberger hatte das wohl missverstanden und bei Mercedes gab es diese Gage pro Rallye, danach wurden Rallyefahrer erstmals ordentlich bezahlt.

Die Herren Rallye-Fahrer kamen bei Mercedes auch in den Genus eines komfortabelen Automatikgetriebes. Die Sportabteilung der Schwaben nahm der Dreigangautomatik die Kick-Down-Schaltung, so mussten die Fahrer die drei Fahrstufen manuell sortieren. Mit der kurz übersetzten Hinterachse rannte der SLC in etwa 7 Sekunden auf 100 km/h und erreichte eine Spitze von 190 Stundenkilometer. Das rennfertige Leergewicht bezifferte sich dank Aluhauben auf immerhin 1.350 Kilogramm.Damit war man bei den afrikanischen Veranstaltungen und auf den Langstrecken-Rallyes absolut konkurrenzfähig.

Werksteam bestand aus vier 450 SLC 5.0 und zwei 280E (W123)

Ihr Debüt gab die Mercedes Werksmannschaft bei der Rallye „Vuelta-del-Sud“ 1978. Die mit 30.000 km in 42 Tagen längste Rallye der Welt führte einmal rund um den südamerikanischen Kontinent. Das Mercedes-Benz Werksteam trat unter der Leitung von Erich Waxenberger an. Mit vier 450 SLC 5.0 und zwei 280E (W123). Die Rallye war ein Riesenerfolg für das Mercedes Team. Erster bis Vierter so wie Sechster und Neunter Platz. Der Erfolg bestätigte Waxenberges Einsatz, legte aber auch die Erwartungshaltung der Daimler Konzernleitung in unerfüllbare Höhen.

Bei der „East-African-Safari“-Rallye 1979 lag Hannu Mikkola lange vorn, dann stellten sich Probleme mit der Kühlung ein, die ihn auf den zweiten Platz zurück warfen. Björn Waldegaard mit einem weiteren 450 SLC lief auf dem sechsten Rang ein, Andrew Cowan mit einem 280 E auf Platz vier.

Im Dezember 1979 machten die Daimler-Fahrer bei der Rallye Elfenbeinküste dann die Konkurrenz restlos platt, vier der Fünf-Liter SLC Coupés vorn, besser ging nicht. Die Reihenfolge: Mikkola, Waldegaard, Cowan und Vic Preston.

Erich Waxenbergers Team bestritt 1980 auch Rallyes in Europa

Diese Erfolge führten dazu, dass Erich Waxenberger 1980 auch Rallyes in Europa mit seinen mächtigen Brummern bestritt, obwohl sich die Autos hierfür nicht wirklich eigneten. In Portugal landeten Waldegaard und Carlsson auf den Rängen 4 und 5. Bei der „East African Safari“ 1980 blieb Mercedes wieder der Sieg verwehrt. Ein Materialfehler vernichtete die Hinterachsen der Mercedes Coupés reihenweise. Der bis dahin Führende Hannu Mikkola war der Erste, den dieses Schicksal traf.

Björn Waldegaard lag danach in Front, hinter ihm Cowan (Mercedes). Joginder Singh’s SLC glich nach einem Überschlag mehr einer zerquetschten Blechdose. Als es in die berüchtigten Taita Hills ging, verließen die beiden führenden Mercedes-Fahrer unplanmäßig die Strecke. Waldegaard benötigte ewig lange, bis er weiterfahren konnte. Kurze Zeit darauf ging auch ihm die Hinterachse ein. Andrew Cowan, inzwischen Führender, blieb von dem Defekt auch nicht verschont, der ihn dann auf den sechsten Platz schob. Im Mercedes Team lagen die Nerven blank, Erich Waxenberger ist in dem Wald gegangen und hat geheult. Vic Preston jr. rettete als gesamt Dritter den letzten Platz auf dem Podium für das Mercedes Werksteam.

Auf Grund von Lenkungs- und Bremsdefekten schieden die SLC bei der Akropolis-Rallye in Griechenland aus. Ein zweiter Platz bei der Argentinien Rallye und ein dritter bei der Neuseeland Rallye stimmten das Mercedes Team aber zurecht positiv. Denn bei der Bandama-Rallye in Afrika, gelang ein Doppelsieg mit Waldegaard und Recalde. Von Seiten des Werkes war die Bandama-Rallye 1980 aber der letzte Einsatz im Rallye-Sport.

Daimler-Benz verpflichtete den frischgebackenen deutschen Rallyeweltmeister Walter Röhrl.

Für das darauffolgende Jahr gab es dann große Pläne und eine bittere Enttäuschung für die Sportabteilung und ihren Leiter Erich Waxenberger. Für die Saison 1981 verpflichtete die Daimler-Benz AG bereits im November, noch vor dem Doppelerfolg an der Elfenbeinküste, den frischgebackenen deutschen Rallyeweltmeister Walter Röhrl. Ein genialer Schachzug.

Röhrl fuhr erste Tests noch mit dem 500 SLC für die Rallye Monte Carlo. In der 81er Saison sollte dann der 500 SL zum Einsatz kommen. Bei dem Cabrio für die Rallye-Weltmeisterschaft wurde das Hardtop fest montiert. Mit gut 350 PS stärker als das Fünf-Liter Coupe, leichter, 20 Zentimeter kürzer, mit geringerem Radstand und der bereits beim 500 SLC verbauten neuen Viergang-Automatik.

Bei Testfahrten mit dem 500 SL (R 107) stellte Mercedes Entwicklungsleiter van Winsen die Frage wie hoch die Change sei mit dem Auto die Rallye WM 1981 zu gewinnen. „Null!“ antwortete Röhrl ehrlicher, aber auch fatalerweise. Diese für Walter Röhrl typisch ehrliche Antwort führte unmittelbar zum Rückzug von Daimler-Benz aus der Rallye Weltmeisterschaft. Im Daimler-Vorstand war man der Meinung. „Wenn Mercedes nicht gewinnen kann, lassen wir es lieber ganz.“ Noch am gleichen Tag reiste Waxenberger nach Saalbach, um Walter Röhrl die Entscheidung des Vorstandes persönlich zu überbringen. Der Weltmeister absolvierte Testfahrten in Österreich und Frankreich mit dem SL, als die Nachricht aus Stuttgart eintraf: „Die Tests werden sofort gestoppt. Der Monte Carlo Einsatz ist abgesagt.“

Walter Röhrl war 1981 arbeitslos!

Röhrl wollte, dass Mercedes ein Mittelmotorauto mit Allradantrieb für die WM baut und ist scheinbar davon ausgegangen, dass seine Wünsche erfüllt würden. Aber die Daimler Geschäftleitung war anderer Ansicht, ein Mercedes hat den Motor vorn und den Antrieb hinten - basta. Daimler zog sich vollumfänglich aus dem Rallye-Sport zurück und Herr Röhrl war 1981 arbeitslos. Ein unglaublicher Skandal.

Ein „Überbleibsel“ aus dem Mercedes Rallye-Engagement war der 190E 2.3-16V, der dann 1983 debütierte. Als die Weichen für diesen Sportwagen in Stuttgart gestellt wurden, war der Gedanke damit Rallyes zu fahren im Hinterkopf.

Text: Jörg Sand

Fotos: Daimler AG

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