Vorgehaltene Knarre

Als Autoerprobung bei Daimler noch ein echtes Abenteuer war!

Vorgehaltene Knarre: Als Autoerprobung bei Daimler noch ein echtes Abenteuer war!
Erstellt am 25. Oktober 2021

Frank Knothe hat in seiner Karriere so einiges erlebt. Wenn der langjährige Mercedes-Ingenieur Anekdoten aus seinem Erfahrungsschatz als Automobilingenieur die eine oder andere Anekdote zum Besten gibt, offenbart sich eine Welt, in der die Erprobung von Autos noch mehr Abenteuer als Programmierkunst war.

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Anfang der 1970er-Jahre rückte bei den Mercedes-Erprobungsfahrten das Thema Geschwindigkeit immer mehr in den Fokus. Allerdings existierte damals das Hochgeschwindigkeitsoval in Nardo, auf dem man unter Volllast unendlich lang fahren kann, noch nicht. Also wanderte der Erprobungstross in die natürliche Hitzekammer Sahara aus, um die Kühlleistungsmessungen vorzunehmen. Als in Algerien Probleme mit den Visa gab, wichen die findigen Schwaben nach Mauretanien aus. „Der Service hat uns gesagt, dass es zwischen der Hauptstadt Nouakchott und Akjoujt eine Strecke gibt, die kerzengerade und eben ist.“ Die Entwickler machten dann nicht viel Federlesens und brachen in die mauretanische Hauptstadt auf. Die Autos kamen aus Dakar per Schiff oder Flugzeug und die Strecke hielt, was die unternehmenseigenen Fährtensucher versprochen hatte. Bolzengerad und topfeben. Wie gemacht zum Tempobolzen unter glühender Sonne. Ein echter Härtetest für die Kühlsysteme.

Arrêter!

Damals waren schon sehr schnelle Autos dabei. Unter anderem der Mercedes SLC (C 107) mit einem Vierscheibenwankelmotor, der es immerhin auf eine Spitzengeschwindigkeit von rund 230 km/h brachte. Also ballerte der Tross volles Rohr auf der Straße entlang, um die Belastungsgrenze der Kühlung auszuloten. Um dafür die Fahrwiderstände zu erhöhen, waren auf dem Dach Holzbretter angebracht, die wie Bremsspoiler wirkten. Auf der Rückfahrt in die Hauptstadt hat man die Autos wieder zurückgerüstet und ist mit Vollgas dahingeheizt. „Zehn Kilometer vor Nouakchott ist ein Bewaffneter auf die Straße gesprungen und ich konnte nur noch knapp ausweichen“, erzählt Frank Knothe. Der Ingenieur stieg voll in die Eisen und wollte wissen, was los sei. Der Ordnungshüter erklärte den verdutzen Testteam mit vorgehaltener Waffe auf Französisch, dass sie zu schnell gefahren seien.

Frank Knothe plaudert aus dem Nähkästchen

Auf die Gegenfrage, wo denn die Geschwindigkeitsbegrenzung festgelegt sei, zückte der Mann eine Art Bibel, in der aber nur stand, dass bei schneller Fahrt mit Reifenschäden zu rechnen sei. Auch die Antwort, dass diese Bestimmung auf die Fahrzeugflotte nicht zuträfe, da sie auf guten Reifen unterwegs seien, stieß auf taube Ohren. „Dann hat er so einen riesen Zinnober gemacht, das wir uns schon hinter Gittern gewähnt haben“, erzählt Frank Knothe. Doch die heikle Situation löste sich auf, als der Gesetzeshüter die Marke der getarnten Fahrzeuge erkannte. Die Miene des gestrengen Beamten hellte sich blitzschnell auf „Der hat Mercedes très bien gerufen, salutiert und wir konnten weiterfahren. Wir haben wirklich Fracksausen gehabt“, schmunzelt der ehemalige Leiter Gesamtfahrzeugversuch und spätere Baureihenchef S, SL und SLK-Klasse.

Experimente am lebenden Objekt

Neben der Staatsmacht waren auch die überladenen Peugeot-Pritschen-Taxen ein Problem, die oft die ganze Fahrbahn benötigten. „Einmal wurde ein Prototyp des W123 in den Sand abgedrängt und hat sich mehrmals überschlagen. Die Jungs sind ohne eine Blessur ausgestiegen. Das hat uns im Realtest gezeigt, dass der Rohbau sehr stabil ist. Die Mechaniker haben das Auto sogar wieder hinbekommen“, erinnert sich Knothe, der bei Mercedes sieben Entwicklungsvorstände und einige Vorstandsvorsitzende erlebt. Gerade bei den Konzernchefs war nicht immer die Nähe zu den Automobilen gegeben. Edzard Reuter war so ein Fall. Oft wurden die Erprobungsfahrten genutzt, um mit den Vorgesetzten neue Modelle abzusprechen. Bei den Prototypentests der C-Klasse (Baureihe W202) in Spanien war der damalige Mercedes-Chef Helmut Werner dabei und das erste Lastenheft für den Mercedes SL R230 wurde erstellt. Die Testfahrten im 45 bis 50 Grad heißen Backofen Death Valley in Kalifornien gehören ebenfalls zum Standard-Prozedere. Solange die Autos klimatisiert sind, ist das noch einigermaßen erträglich. Aber Frank Knothe durchquerte das Tal des Todes einmal mit einem Mercedes 190 D mit dem OM601-Saugdiesel mit ausgeschalteter Klimaanlage. „Bei diesem Auto konnten Sie mangels Leistung entweder Kühlen oder fahren“, erinnert sich der Mercedes-Veteran. Wie man dann die sengende Hitze aushält? „Viel trinken.“ Übrigens wurde diese Modellvariante nicht in den USA eingeführt.

Katz- und Mausspiel zwischen Ingenieuren und Fotografen

Von der heißen Sonne Afrikas und des Death Valley in die Arktis. Das war der Alltag eines Auto Testers. Auch wenn zu Frank Knothes Zeiten schon Kältekammern gab, kam man um die Erprobung in der freien Natur nicht herum. Damals wurden nach einer klirrenden Nacht Kaltstarts probiert. Wenn die zukünftigen Modelle nachts unter freiem Himmel standen, war das natürlich ein gefundenes Fressen für die Erlkönigjäger. Das Katz- und Mausspiel zwischen Ingenieuren und Fotografen gehörte zum Testalltag dazu. Frank Knothes Kälterekord hält aber nicht das schwedische Arjeplog, sondern ein Seitental Richtung Norwegen in der Nähe der schwedischen Stadt Kiruna an dessen Ende sich das Dorf Nikkaluokta befindet. „Dort war die tiefste Temperatur, die ich erlebt habe, minus 38,5 Grad“, erzählt der Techniker und redet lachend weiter „da stand eine Telefonzelle, die nicht abgeschlossen ist, sondern nur bis zum Knie geht. Und ich hatte einen verrückten Kollegen, der musste da rein zum Telefonieren.“

"Es gibt keine gute alte Zeit..."

Bei den Testfahrten im Norden gab es eine ungeschriebene Regel: Wenn man bei Winterfahrten in Schweden in den Schnee abgeflogen ist, musste man einen Obolus in die Kaffeekasse zahlen, als aber die Anzahl der am Test beteiligten Personen immer größer wurde, wurde diese Tradition gestoppt, weil die Preise für alkoholische Getränke in Schweden die Finanzen des Büßers überfordert haben. Aber das war nicht die einzige Herausforderung. „Die Ingenieure haben ihr Brot selbst gebacken, weil das schwedische so labbrig war“, so der ehemalige Leiter Gesamtfahrzeug. Knothe ist sicher, dass die klassischen Erprobungsfahrten auch in Zukunft Teil des Entwicklungsprozesses sein werden. Aber der ehemalige Mercedes-Leiter Gesamtfahrzeugversuch wehrt sich dagegen, einen Vergleich der Entwicklungs-Ären zu ziehen: „Es gibt keine gute alte Zeit, sondern eine alte Zeit und es gibt eine neue Zeit. Das ist in allen Bereichen des Lebens so und genauso beim Automobilbau.“

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