Wer bremst, gewinnt! Seit 40 Jahren ist Mercedes-Benz der Vorreiter, wenn es um das Thema Sicherheit und Assistenzsysteme geht. Von lebensrettenden Helferlein wie ABS und Airbag bis hin zur „künstlichen Intelligenz“ des brandneuen MBUX wollen wir die Entwicklung der letzten 40 Jahre mal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Doch bevor wir in die Evolution der letzten 40 Jahre eintauchen, gehen wir zurück in das 19. Jahrhundert, denn bereits hier wurden Sicherheit und Assistenten zu einem wichtigen Bestandteil.
Im Jahr 1893 wurde die sogenannte Achsschenkellenkung in den Modellen Victoria und Vis-à-Vis (die ersten vierrädrigen Motorwagen der Firma Benz & Cie.) verbaut, ein technischer Kniff, bei dem jedes Vorderrad eine eigene Schwenkachse besitzt und der noch heute in zahlreichen Fahrzeugen zu finden ist.
1900 entwickelt Wilhelm Maybach den Mercedes 35 PS, welcher dank seines langen Radstandes, einer breiten Spur, einem tiefen Schwerpunkt sowie dem am Rahmen verschraubten Motor eine Ansage in puncto Sicherheit war.
1921 erhält der Mercedes 28/95 PS Vorderradbremsen. Ab 1928 werden kugelsichere Modelle zu einem Bestandteil des sicheren Transports. Die schussfesten „Panzerfahrzeuge“ tragen später den Namen „Guard“. 1931 wird der Mercedes-Benz Typ 170 das erste Fahrzeug mit Einzelradaufhängung. Die Einzelradaufhängung sollte die Straßenlage des Fahrzeugs verbessern und für mehr Komfort sorgen. 1958 folgt das Keilzapfen-Türschloss, welches bei einem Unfall das Aufspringen der Tür verhinderte. 1959 bekommt der W111 eine Sicherheitsfahrgastzelle, und 1963 erhält die SL Pagode als erster Sportwagen eine Sicherheitskarosserie.
Ab 1973 gehört der Dreipunktgurt zur Serienausstattung, und so geht es Meilenstein für Meilenstein weiter in Richtung Anti-Blockier-System, kurz ABS, das im Jahr 1978 gemeinsam mit BOSCH entwickelt wurde. Das ABS war das erste Assistenzsystem, welches dem Fahrer mit digitaler Elektronik dabei half, Bremsmanöver in gefährlichen Situationen zu meistern.
Das Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen
Mercedes-Fans.de hatte nun die Chance, wegweisende, innovative und modernste Techniken wie ABS, ASR, ASD, 4MATIC, ESP, BAS, BAS PLUS und PRE-SAFE sowie Intelligent Drive und DISTRONIC zu testen. Als Testgelände dafür diente das neue Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen. Auf dem 500 Hektar großen Daimler-Testgelände befinden sich über 30 verschiedene Test- und Prüfstrecken um das Fahren von morgen schon heute zu entwickeln. Ingenieure arbeiten hier an zukünftigen Fahrassistenten, am autonomen Fahren oder an den neuesten Elektrofahrzeugen der Marke EQ.
ABS - Das Anti-Blockier-System
In der ersten offiziellen S-Klasse, dem W116, findet ABS zum ersten Mal und exklusiv Anwendung. Das in Zusammenarbeit mit BOSCH entwickelte ABS sorgte für volle Lenkfähigkeit auch bei einer Vollbremsung. So konnten Hindernisse auch mit einer Vollbremsung sicher umfahren werden. Heutzutage ist ABS eine Selbstverständlichkeit und nahezu in jedem Fahrzeug zu finden. Das Anti-Blockier-System ist 1978 eine echte Sensation und markiert einen Meilenstein der Sicherheitstechnik im Automobil-Bereich. Damals gehörte ABS nicht zur Serienausstattung, und der Aufpreis dafür betrug beim W116 damals 2.217,60 DM. Zwei Jahre nach Einführung in der S-Klasse ist ABS für sämtliche Mercedes-Benz-Modelle optional bestellbar. Seit 1992 gehört ABS in allen Mercedes-Fahrzeugen zur Serienausstattung.
Optimaler Grip dank ASD, ASR und 4MATIC
Wenn es um optimale Bodenhaftung auf glattem Untergrund geht, spielen die drei Fahrdynamiksysteme ASD, ASR und 4MATIC eine entscheidende Rolle. ASD steht für das automatische Sperrdifferenzial, welches per elektrohydraulischer Regelung für eine bessere Traktion sorgt. Sobald die Räder durchdrehen, wird das Differenzial zu 100% gesperrt und dient so auch auf glattem Unterboden als komfortable Anfahrhilfe. Über Sensoren ermittelt das Steuergerät die Geschwindigkeit der angetriebenen und der nicht angetriebenen Räder. Ist der Geschwindigkeitsunterschied größer als 2 km/h, schaltet sich bis zur einer Geschwindigkeit von 35 km/h das ASD zu.
In den 90er Jahren wird das ASD durch die Antriebs-Schlupf-Regelung ASR ersetzt. Auch ASR dient der Stabilisierung der Fahrzeugdynamik sowie als Traktionskontrolle, damit beim Anfahren die Räder nicht durchdrehen; zusätzlich wirkt ASR einem seitlichen Ausbrechen beim Beschleunigen entgegen, indem das Spiel der Längskräfte zwischen Reifen und Fahrbahn geregelt wird. Dabei beeinflusst ASR sowohl die Bremsverzögerung als auch auf das Drehmoment des Motors derart, dass die Reifen im Bereich der Haftreibung bleiben. Auf diese Weise stabilisiert das System das Anfahren auf Untergrund mit geringer Haftung, beispielsweise auf Eis, Schnee, nassem Kopfsteinpflaster oder Rollsplitt.
Der 1985 vorgestellte, automatisch schaltende Vierradantrieb 4MATIC besitzt drei Schaltstufen, die je nach Erfordernis abgerufen werden. Die Vorteile der 4MATIC liegen in einer höheren Fahrstabilität aufgrund der maximal möglichen Traktion aller Räder durch Vierradantrieb mit zwei Differenzialsperren, der Zuschaltung in extremen Kurven sowie dem sicheren und präzisen Funktionieren der selbstregelnden, lernfähigen Elektronik. Heute ist der Allradantrieb 4MATIC permanent aktiv und arbeitet deshalb ohne Reaktionszeit.
Im Jahr 1907 gab es übrigens bereits die ersten Schritte in Richtung 4MATIC. Mit dem Mercedes Dernberg-Wagen drehte das „erste Personenfahrzeug mit Allradantrieb für den Alltagsbetrieb“ in Namibia seine Runden. Den Namen verdankt das Modell dem Staatssekretär Berhard Dernburg, der als Kolonialbeamter mit diesem Auto in Namibia viel unterwegs war.
ESP - Das elektronische Stabilitäts-Programm
Das von Bosch entwickelte, elektronische Stabilitäts-Programm ESP fand 1995 zum ersten Mal in einem Mercedes C140, einem S-Klasse Coupé, Anwendung. Das ESP bremst gezielt einzelne Räder ab und passt das Drehmoment an. So können kritische Situationen sicherer gemeistert werden. Um die Wirkung des ESP zu demonstrieren, dient am besten der sogenannte „Elchtest“. Der Elchtest ist ein Fahrmanöver, welches das abrupte Ausweichen vor einem Hindernis demonstriert – quasi ein Elch, der auf einer Landstraße plötzlich in den Fahrweg des Autos rennt. Dementsprechend wird der Elchtest zumeist mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h bis 80 km/h durchgeführt. Im Optimalfall bricht das Fahrzeug bei diesem Manöver weder aus, noch kippt es um.
Ein mit ESP ausgerüstetes Fahrzeug verhält sich beim Elchtest wesentlich stabiler als ein Fahrzeug ohne ESP. Seit 2011 ist ESP in der EU für Neuwagen Pflicht. Das ESP nutzt die Signale von ABS, ASR und BAS und kann somit durch gezielte Bremsimpulse die Schleuder- und Überschlagsgefahr verringern.
Die Bremsassistenten BAS und BAS PLUS
Das Brake Assist System BAS ist ein vorausschauendes Hilfssystem für die automatische Bremskraftverstärkung, die den Bremsweg verkürzt. 1996 führt Mercedes-Benz den Bremsassistenten BAS als Weltneuheit in die Serie beim SL und in der S-Klasse ein. Abhängig von der Wechselgeschwindigkeit vom Gas auf die Bremse und der Geschwindigkeit und Stärke der betätigten Bremskraft greift BAS ein und verstärkt gegebenenfalls die Bremskraft zusätzlich. Hier hilft BAS vor allem dann, wenn der Fahrer das Bremspedal zu sanft oder zu zögerlich betätigt. In Sekundenbruchteilen baut das BAS den maximalen Bremsdruck auf und verringert somit erheblich den Bremsweg. Daimler spricht bei der Verwendung von BAS sogar von einem verkürzten Bremsweg von bis zu 45 %:
„Bei trockener Fahrbahn benötigen die meisten Fahrer aufgrund des zu sanften Tritts aufs Bremspedal bis zu 73 Meter Bremsweg für eine Vollbremsung bei Tempo 100. Mit BAS stehen die Räder dagegen bereits nach nur 40 Metern still; das entspricht einer Verkürzung des Bremswegs um rund 45 Prozent.“
Das modernisierte Helferlein BAS PLUS mit Kreuzungs-Assistent und PRE-SAFE® Bremse wurde mittlerweile um eine Fußgängererkennung erweitert. Durch die Kombination von Stereokamera und Radarsensoren können Fußgänger im Bereich vor dem Fahrzeug erkannt werden. Bei erkannter Gefahr wird optisch und akustisch gewarnt. Reagiert der Fahrer durch Bremsen, wird durch BAS PLUS mit Kreuzungs-Assistent bei Bedarf die Verzögerung situationsgerecht bis hin zur Vollbremsung verstärkt. Reagiert der Fahrer nicht, bremst die PRE‑SAFE® Bremse das Fahrzeug autonom ab.
Intelligent Drive Next Level
Mit intelligent Drive Next Level macht Mercedes-Benz einen großen Schritt in Richtung autonomes und automatisiertes Fahren. Ein guter Rundumblick dank zahlreicher, fortschrittlicher Radar- und Kamerasysteme sorgt dafür, dass das Verkehrsgeschehen zu jeder Zeit vom Auto beobachtet werden kann. Der aktive Abstandsassistent DISTRONIC passt die Geschwindigkeiten nun an den Straßenverkehr an. Kommt eine Kurve, wird die Geschwindigkeit vorrausschauend geregelt. Das gilt auch bei Kreuzungen oder Kreisverkehren. Dabei ist die Angleichung der Geschwindigkeit auch abhängig von den bekannten Fahrprogrammen Sport, Comfort oder Eco.
Zum Intelligent Drive Next Level gehört auch der aktive Spurwechsel-Assistent. Auf der Autobahn kann das Fahrzeug durch Betätigen des Blinkers die Fahrspur selber wechseln. Nach Betätigung des Blinkers prüfen die Sensoren die Abstände der umliegenden Fahrzeuge und passen die Geschwindigkeit dementsprechend an. Befinden sich keine Fahrzeuge im Gefahrenbereich, wechselt das Fahrzeug die Spur selbst, im Falle einer Gefahrensituation wird der Spurwechsel abgebrochen.
Ebenfalls zum Intelligent Drive Next Level gehört der Aktive Geschwindigkeitslimit Assist, welcher über die Kamera Geschwindigkeits- und Baustellen-Schilder erkennt und die Geschwindigkeit dementsprechend regelt. Darüber hinaus kann auch über die Navigation die erlaubte Geschwindigkeit erkannt und reguliert werden.
Der Abstandsregel-Tempomat DISTRONIC PLUS
Der Abstandsregel-Tempomat DISTRONIC PLUS hält das Auto im gewählten Abstand zum Vordermann und bremst es je nach Verkehrssituation bis zum Stillstand ab. Dabei hält das System immer einen sicheren Abstand zum Vordermann. Das passiert, indem das System, wenn nötig, abbremst, und wenn möglich, wieder beschleunigt. Für den Fall, dass die Situation mehr erfordert, als DISTRONIC PLUS ausführen kann, wird der Fahrer durch optische und akustische Signale gewarnt. Dieses Helferlein arbeitet bis zu einer Geschwindigkeit von 200 km/h.
Auch in Zukunft dürfen wir viel erwarten, wenn es um Sicherheits- und Assistenzsysteme geht. Gerade mit dem Kommen des autonomen Fahrens werden Fahrhilfen und Assistenten eine wichtige Rolle spielen. Die kommende S-Klasse (W223) soll laut Ola Källenius bereits das hochautomatisierte Fahren auf Level 3 beherrschen. Auf Level 3 bedeutet, dass ein Auto dank seiner Assistenzsysteme in der Lage ist, über längere Strecken und in bestimmten Verkehrssituationen komplett autonom zu fahren. Dies würde dem Fahrer sogar ermöglichen, sich unter bestimmten Voraussetzungen mal vom Verkehrsgeschehen abzuwenden. Wir sind echt gespannt…
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