175. Geburtstag von Gottlieb Wilhelm Daimler

Vor 175 Jahren, am 17. März 1834, wird der geniale Visionär, Erfinder und Konstrukteur Gottlieb Wilhelm Daimler in Schorndorf geboren.

175. Geburtstag von Gottlieb Wilhelm Daimler : Vor 175 Jahren, am 17. März 1834, wird der geniale Visionär, Erfinder und Konstrukteur Gottlieb Wilhelm Daimler in Schorndorf geboren.
Erstellt am 18. März 2009

1883: der 49-jährige Erfinder Gottlieb Wilhelm Daimler atmet durch. Seine Erfindung funktioniert. Der Motor hustet und keucht, aber er läuft.

Mit einem Hubraum von rund 100 Kubikzentimetern leistet er 0,25 PS bei sensationellen 600 Umdrehungen, dreimal so viel wie die Deutzer Gasmotoren, und er ist leicht. Damit sollte er die Fortbewegung zu Land, zu Wasser und in der Luft revolutionieren können!



Gottlieb Daimler schenkt der Welt eine Antriebsquelle in Form eines leichten, schnell laufenden Benzinmotors. Sie verändert wie kaum eine andere Erfindung das Leben der Menschen, macht es mobil und durchdringt alle Lebensbereiche in bis dahin unbekannter Weise.

Lehr- und Wanderjahre

Für Gottlieb Daimler (links: Das Gottlieb-Daimler-Geburtshaus in Schorndorf) sind die Jugendjahre in dem um 1840 knapp 4000 Einwohner zählenden Städtchen Schorndorf prägend. Schorndorf gehört nach Stuttgart, Tübingen und Urach zu den bedeutendsten Städten im Königreich Württemberg. Seine Eltern ermöglichen ihm dort eine fundierte Ausbildung, die aber für sie eine große finanzielle Belastung bedeutet. Nur Zuschüsse anderer Familienmitglieder erlauben es, dass Gottlieb nach dem Besuch der Elementarschule auch die beiden Klassen der berühmten Schorndorfer Lateinschule absolvieren kann. Neben der Lateinschule besucht Gottlieb die 1821 in Schorndorf gegründete Zeichenschule, in der sich seine exzellente zeichnerische Begabung entfaltet.

Nach dieser Ausbildung soll der junge Gottlieb ein Handwerk erlernen, und so wird 1848 der Büchsenmacher J. Chr. Wilke sein Lehrherr.

Das Gesellenstück Gottlieb Daimlers 1852 ist eine doppelläufige, an Beschlägen und Knauf fein ziselierte Pistole. An eine handwerkliche Zukunft des frischgebackenen Büchsenmacher-Gesellen in Schorndorf ist jedoch nicht zu denken.

1852/53: Studium in Stuttgart und weitere praktische Ausbildung

Daimlers Pläne reichen ohnedies schon weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus. Das beginnende Maschinenzeitalter, die industrielle Revolution, großartige Erfindungen wie Dampfmaschine, Gasmotoren und Eisenbahn locken den 18-Jährigen, erschließen ihm ein weites, erfolgversprechendes Feld, das seinen Neigungen sehr entgegenkommt. Der junge Mann besucht folgerichtig die Königliche Landesgewerbeschule in Stuttgart zur weiteren Ausbildung.

Ferdinand Steinbeis, der große Förderer der württembergischen Industrie, wird rasch auf den vielfältig Interessierten aufmerksam und schickt ihn, ausgestattet mit einem Reise- und Ausbildungszuschuss der Regierung, in das Werk Graffenstaden, eine Maschinenfabrik, die vor allem Eisenbahnbedarf herstellt und bei Straßburg im französischen Elsass liegt. Hier soll er praktische Erfahrungen sammeln. So beginnt Daimlers Weg nach oben am 20. Januar 1853 als einfacher Industriearbeiter. Als in Graffenstaden der Lokomotivbau aufgenommen wird, verlässt Daimler das Werk, um sich an der Polytechnischen Schule in Stuttgart auf die neue Herausforderung vorzubereiten. Physik und Chemie, Maschinenbau, Geschichte, Volkswirtschaft und Englisch stehen auf dem Stundenplan. Elektrotechnik allerdings fehlt noch. 1859 kehrt er nach Graffenstaden zurück, aber er kann sich für den Lokomotivbau nicht mehr so recht erwärmen.



oben rechts: Die Frau an seiner Seite: Gottlieb Daimler und seine zweite Frau Lina, aufgenommen im Jahr 1893

Der Weg zum Motor

Im Sommer 1860 verlässt Daimler daher die Maschinenfabrik Graffenstaden und fährt nach Paris, wo er einige Monate arbeitet.

Ein Reisestipendium von Ferdinand Steinbeis erlaubt es ihm, ins Mutterland der Technik zu fahren, nach England, dem Ziel aller Technikbegeisterten und Wissbegierigen jener Zeit. In Leeds, Manchester und Coventry findet Daimler Arbeit und studiert hier auch Maschinenfabrikation, Gewindeherstellung und Schiffbau.

Den krönenden Abschluss seines Englandaufenthaltes bildet 1862 die Londoner Weltausstellung. Danach kehrt Daimler zurück und wirkt bis zum Ende des Jahres 1863 in Geislingen in der Metallwarenfabrik Straub und Sohn.



Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte in Bad Cannstatt, hier entstand 1883 der erste schnelllaufende Benzinmotor der Welt.

1863: Bruderhaus Reutlingen

Steinbeis unterstützt ihn auch nach seiner Rückkehr in die Heimat. Auf seine Veranlassung und der von Emil Kessler, Gründer der Karlsruher Maschinenfabrik sowie Initiator und Leiter der Maschinenfabrik Esslingen, erhält Daimler im Dezember 1863 eine Anstellung beim Bruderhaus Reutlingen (rechts: Gottlieb Daimler im Alter von 30 Jahren, als er die Werkstätten der Maschinenfabrik des Reutlinger Bruderhauses leitete.). Die von dem sozial sehr engagierten ehemaligen Pfarrer Gustav Albert Werner gegründete Unternehmung beschäftigt vor allem Vollwaisen, Verarmte und Behinderte in einer Papierfabrik, einer Holzbearbeitungsanstalt und einer Maschinenfabrik.

Letztere ist bei Daimlers Eintritt in finanziellen Schwierigkeiten. Daimler wird mit der Sanierung beauftragt, was ihm auch gelingt.

1867: Emma Kurz und Wilhelm Maybach

In den fünf Jahren seiner Reutlinger Tätigkeit findet Gottlieb Daimler zwei Menschen, die sein zukünftiges Leben begleiten werden. Zum einen Emma Pauline Kurz, die Tochter des Maulbronner Apothekers Kurz. Er heiratet sie 1867. Zum anderen ist es der 1846 geborene und damit um zwölf Jahre jüngere Wilhelm Maybach, der als Vollwaise im Bruderhaus Zuflucht gefunden hatte. Maybach fällt durch sein hohes technisches Verständnis, hervorragende Leistungen und seinen Erfindungsreichtum auf.

Als Daimler 1868 zur stark expandierenden Maschinenfabrik Karlsruhe als Vorstand der Werkstätten wechselt, die vor allem Eisenbahnmaterial herstellt, nimmt er Maybach (links Wilhelm Maybach auf dem Reitwagen, 1885) mit. Das Duo wird von nun an bis zu Daimlers Tod im Jahre 1900 unzertrennlich bleiben. Daimlers Organisationstalent bringt die Fabrik sicher durch die unruhigen Zeiten des Krieges 1870/71 mit Frankreich.

1872: Gasmotorenfabrik Deutz

Die beiden Inhaber der Gasmotorenfabrik Deutz (siehe Bild rechts), der Ingenieur Gustav Langen und der Erfinder Nikolaus August Otto, erweitern nach diesem Krieg die wirtschaftliche Basis ihrer Fabrik und machen daraus eine Aktiengesellschaft. Grundlage der Tätigkeit ist eine atmosphärische Gaskraftmaschine Ottos.

Langen wünscht für die Werkstätten und das Zeichenbüro einen erfahrenen Betriebsleiter, eben Gottlieb Daimler. Maybach wird Leiter der Konstruktionsabteilung und tritt seinen Dienst am 1. Juli 1872 an, Daimler folgt einen Monat später. Maybach gelingt es im Laufe der Zeit, den Gasmotor zu verbessern, aber dessen Leistungsfähigkeit ist begrenzt: Er ist zu hoch und zu schwer.

Otto nimmt daher seine Versuche mit dem Viertaktprinzip wieder auf, was 1876 auch zum Erfolg führt: Die Viertakt-Kompressionsmaschine entsteht. Doch der Motor ist selbstverständlich noch nicht völlig serienreif. Ihn so weit zu bringen, ist die Aufgabe von Daimler und Maybach. Sie optimieren den Motor und machen aus ihm einen Verkaufsschlager.

Daimler hat schon damals die Vision von einem kleinen, universell einsetzbaren Motor, doch diese Vision lässt sich auf der Basis des bestehenden Motors und in Verbindung mit der Gasmotorenfabrik Deutz nicht realisieren, zumal auch starke Spannungen zwischen den beiden Erfindern Daimler und Otto bestehen. 1882 wird Daimler schließlich gekündigt. Daraufhin veranlasst er Maybach, von sich aus die Firma zu verlassen, um mit ihm zusammen an der Entwicklung eines leichten, schnell laufenden Motors zu arbeiten, von der beide ahnen, dass es die „Kapitalerfindung“ sein wird.

1882: Neuer Anfang in Cannstatt

Als neuen Wohn- und Arbeitssitz wählt Daimler Cannstatt in unmittelbarer Nähe zur Residenzstadt Stuttgart und sichert sich Maybachs Mitarbeit durch einen Vertrag „… für die Durchführung diverser Projekte und Probleme im maschinentechnischen Bereich, welche ihm von Herrn Daimler aufgetragen werden“.

Im Juli 1882 zieht Daimler mit seiner Familie in das neu erworbene Haus samt Garten und geräumigem Gartenhaus in der Taubenheimstraße 13.

Gottlieb Daimler ist jetzt 48 Jahre alt und hat endlich Zeit, sich mit seiner Vision intensiv zu beschäftigen. Das Gartenhaus in Daimlers Garten wird umgebaut und erweitert. Der Vorraum beherbergt Schreibtisch und Kommode und wird als Büro genutzt. Der anschließende helle und lichte Raum wird durch den Einbau von Werkzeugbank und Schmiede das Refugium der beiden Ingenieure.

Das Konstruktionsbüro befindet sich zunächst in Maybachs Cannstatter Wohnung in der Pragstraße 34, wo Maybach mit seiner Frau Bertha seit Oktober 1882 wohnt.

Bald regt sich handwerkliches Leben im Gartenhaus. Beide Männer beginnen den leichten und schnell laufenden Benzinmotor zu entwickeln und zu bauen, der sich für den Einbau in Kutschen, Lastkarren, Booten, Schiffen, Eisenbahn- und Straßenbahnwagen, landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten, Feuerwehrpumpen und sogar in Luftschiffen eignen soll.



Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte in Bad Cannstatt, hier entstand 1883 der erste schnelllaufende Benzinmotor der Welt. Hier: die Werkzeugbank.


1883: Der Motor entsteht

Daimler und Maybach versuchen zunächst das alte Problem der Zündung in den Griff zu bekommen. Maybach arbeitet sich durch zahllose Patentschriften und findet schließlich den Hinweis auf die Möglichkeit einer ungesteuerten Glührohrzündung in der Patentschrift des Engländers Watson, die sich für die angestrebten hohen Drehzahlen als geeignet erweist. Nach Überwindung dieser Hürde geht es um das Arbeitsverfahren. Aus der Tätigkeit in Deutz ist beiden das Viertaktprinzip bestens vertraut. Sie wählen es, wohl wissend, dass Ottos Viertaktpatent DRP 532 noch gültig ist, gekoppelt allerdings an die von Otto angenommene schichtenförmige Ladung des Zylinders und langsame Verbrennung des Gasgemisches. Daimler begründet daher seinen Patentanspruch in der Patentschrift zum DRP 28022 unter anderem mit einer Explosion und rascher Verbrennung.

1883: Der Motor ist fertig – und läuft

1883 gibt Daimlers Traum seine ersten Töne von sich – der Motor läuft. Mit einem Hubraum von rund 100 Kubikzentimetern leistet er 0,25 PS bei sensationellen 600 Umdrehungen, dreimal so viel wie die Deutzer Gasmotoren, und er ist leicht. Mit ihm sind erste wesentliche Konstruktionsziele erreicht.

1885: Deutsches Reichspatent DRP 34926 für die „Standuhr“

Die folgende verbesserte Ausführung verwandelt den zunächst liegend gebauten Motor in einen stehenden, der unter dem Namen „Standuhr“ bekannt wird, weil er in seiner Form den damals gebräuchlichen Standuhren gleicht. Er bildet die Basis der Patentanmeldung, die schließlich unter dem Datum des 3. April 1885 und der DRP-Nummer 34926 Daimlers Vision öffentlich macht.

Die „Standuhr“ hat ein geschlossenes Kurbelgehäuse, auf dem der luftgekühlte Zylinder steht. Das Einlassventil öffnet und schließt automatisch, das Auslassventil wird durch die von Daimler erfundene Kurvennutensteuerung betätigt, die gleichzeitig auch die Drehzahl im Zaum hält. Ein Schwimmervergaser und ein später wieder eliminiertes Kolbenbodenventil zur zusätzlichen Ladung sind weitere Merkmale des Motors. Der Einzylinder wiegt nur 60 Kilogramm, hat einen Hubraum von 264 Kubikzentimetern und leistet 0,5 PS bei jetzt schon 700 Umdrehungen pro Minute.

November 1885: Erste Ausfahrt mit dem „Reitrad“

Daimler und Maybach bauen ihren universell in beliebigen Fahrzeugen zu verwendenden Motor in ein Zweirad ein, einem höchst kostengünstigen Versuchsträger. Im November 1885 legt Gottlieb Daimlers Sohn Adolf mit diesem Fahrzeug die drei Kilometer lange Strecke zwischen Cannstatt und Untertürkheim ohne Probleme zurück.



Daimler-Reitwagen, 1885. Das erste Motorrad der Welt.

1886: Motorkutsche und Schiffsantrieb

Der Einbau in eine Kutsche – einer „Americain“, dunkelblau mit roten Zierstreifen, schwarzen Ledersitzen und einer „Laterne mit Schein“, so steht es im Lieferschein der Wagenbaufirma Wimpf & Sohn in Stuttgart vom Sommer 1886 – ist der nächste Schritt. Das „Motorkutsche“ genannte Gefährt erreicht mit der „Standuhr“ und ihren 1,5 PS immerhin schon 16 km/h. Öffentlich dokumentiert sind die Fahrten mit der Motorkutsche allerdings erst im Sommer 1888. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Daimler am 17. Juli 1888 einen Antrag auf eine Fahrgenehmigung stellt für „eine viersitzige, leichte Chaise mit kleinem Motor“. Führerschein ante portas.

Schneller als auf der Straße hat sich der neue Motor auf dem Wasser durchgesetzt. Am 9. Oktober 1886 meldet Daimler seine „Einrichtung zum Betriebe der Schraubenwelle eines Schiffes mittels Gas oder Petroleumkraftmaschine“ zum Patent an und präsentiert seine Boote (rechts bei Vorführfahrten auf dem Neckar, vor dem Steuermann: Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach) mit diesem Antrieb bei einigen Anlässen. Auf das größte Interesse stößt die neue Antriebsquelle vor allem in Hamburg, wohin Daimler nun die Bootsmotoren in großer Stückzahl liefert.

1887: Die Fabrik auf dem Seelberg

Daimler macht sich jetzt, um größeren Konstruktionsaufgaben und der steigenden Nachfrage nach seinem Motor gerecht zu werden, auf die Suche nach einer geeigneten Fabrikationsstätte, die sich bald in der Nähe seiner Wohnung auf dem Seelberg in den Bauten einer zum Verkauf stehenden Vernickelungsanstalt findet.

Im Juli 1887 beginnen die Arbeiten in der neuen Fabrik mit 23 Arbeitern, die Daimler sorgfältig nach Können aussucht und einstellt. Hier hat jetzt auch Maybach sein Konstruktionsbüro, Karl Linck führt den kaufmännischen Bereich.

Nun wird Daimler sehr aktiv, um seinen Motor zu Lande, zu Wasser und in der Luft bekannt zu machen.

Er baut mit Zustimmung des Gemeinderates eine kleine, von seinem Motor angetriebene Bahn für die Strecke vom Cannstatter Kursaal zum Wilhelmsplatz. Ähnliche Bahnen erfreuen sich in weiteren Städten ebenfalls großer Beliebtheit. Auf dem Feuerwehrtag 1888 in Hannover erregt eine motorbetriebene 4-PS-Feuerspritze (rechts im Bild) großes Aufsehen, und das vom Leipziger Buchhändler Wölfert konstruierte Luftschiff fährt mithilfe des Daimler-Motors die vier Kilometer von Cannstatt nach Kornwestheim.

1889: Zweizylinder und Stahlradwagen

Es zeigt sich, dass der Einzylinder für etliche Einsatzgebiete zu schwach ist. Maybach entwirft einen Zweizylinder auf Basis der „Standuhr“. Der neue Motor in V-Form mit einem Zylinderwinkel von 17 Grad leistet zwei PS bei knapp über 600 Umdrehungen und erschließt neue Einsatzmöglichkeiten. Er wird in dem von Wilhelm Maybach 1889 konstruierten „Stahlradwagen“ eingesetzt. Es ist eine Automobilkonstruktion, die maßgeblich, vor allem in Frankreich, die Weiterentwicklung des Automobils prägt. Dort wird der Wagen anlässlich der Weltausstellung in Paris 1889 präsentiert.

Daimlers Präsenz in Frankreich

Kontakte nach Frankreich pflegt Daimler bereits seit seiner Zeit in Deutz, da die Gasmotorenfabrik Deutz in Paris eine Tochtergesellschaft unterhalten hatte. Dort hatte der Anwalt Edouard Sarazin gearbeitet, der später aussteigt und ein Lizenznehmer von Daimler wird. Nach dessen Tod 1887 übernimmt seine Frau die Geschäfte und schließt sich mit starken Partnern, den Herren René Panhard und Emile Levassor, zusammen.

1890 heiraten Louise Sarazin und Emile Levassor, und mit Panhard legen die drei den Grundstock für die rasch aufstrebende französische Automobilindustrie. Sie bauen die Panhard-Levassor-Motoren, Bauart Daimler, für die in Frankreich eine rege Nachfrage besteht, in ihre Automobile ein und sind damit auch bei Rennen sehr erfolgreich. Die Zuverlässigkeit der Motoren macht sich bezahlt.



Links: Der Panhard-Levassor Wagen mit Daimler-Motor, auf der ersten Automobilwettfahrt zwischen Paris und Rouen im Jahre 1894


Daimler-Motoren-Gesellschaft

Max Duttenhofer, Generaldirektor der Köln-Rottweiler Pulverfabriken, und Wilhelm Lorenz, Vorstand einer Patronenfabrik in Karlsruhe, beschwören Daimler immer wieder, er müsse eine breitere finanzielle Grundlage für seine epochemachende Erfindung schaffen. Obwohl auch die am 28. Juli 1889 verstorbene Ehefrau Daimlers schon zu Lebzeiten die Pläne der beiden Finanzleute unterstützt hatte: Auch im Hinblick auf die Zukunftssicherung der Kinder zögert Daimler lange, ist misstrauisch und versucht, seine Interessen in puncto Weiterentwicklung des Motors so gut wie möglich abzusichern.

Nach einem Vorvertrag vom 14. März 1890, der Daimlers Erfindungen in der projektierten Gesellschaft bestmöglich absichern soll, wird schließlich am 28. November 1890 eine neue Firma ins Leben gerufen, die „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ (DMG).

Nun hält Daimler – wie Duttenhofer und Lorenz auch – 200 Aktien, die ein Drittel des Grundkapitals von insgesamt 600 000 Mark repräsentieren. Außerdem wird ihm zugesichert, dass seine engsten Mitarbeiter, Wilhelm Maybach und der Buchhalter Karl Linck, in den Vorstand berufen würden. Doch diese Zusage wird nicht eingehalten. Verärgert verlässt Maybach am 11. Februar 1891 die Gesellschaft, Linck folgt ihm ein halbes Jahr später.

Mit Maybach verlässt der technisch fähigste Kopf die Gesellschaft. Sein Nachfolger, Max Schrödter, versteht von Verbrennungsmotoren nur wenig, die Firma gerät zunehmend in unruhiges Fahrwasser. Die bereits im Gründungsjahr von 22 auf 163 Mitarbeiter vergrößerte Belegschaft erweist sich für den komplizierten Maschinenbau als wenig qualifiziert. Die Produktivität sinkt, die Zahl der Reklamationen steigt. Es schmerzt Daimler sehr, zusehen zu müssen, dass die Firma ihr Potenzial nicht für die Vervollkommnung seines Motors einsetzt, sondern sich mit der Entwicklung anderer Produkte verzettelt. Die Verluste im dritten Geschäftsjahr in Höhe von 140 000 Mark eliminieren die Gewinne der ersten beiden Jahre völlig.

Daimler will diesen Tendenzen entgegensteuern und schließt bereits 1891 im Geheimen einen Vertrag mit Maybach ab, um die Entwicklungsarbeiten in seinem Sinne fortzuführen.

Zunächst benutzt Maybach seine Wohnung als Konstruktionsbüro, wo er die Grundlagenforschung für ein neues Automobil betreibt. Es sollte der sogenannte Riemenwagen werden. Als Produktionsstätte mietet Daimler den stillgelegten Gartensaal des Hotels Hermann in Cannstatt. Mit zwölf Arbeitern und fünf Lehrlingen stürzt sich Maybach auf neue Aufgaben, die nur wenige Jahre später letztlich auch der Daimler-Motoren-Gesellschaft zugute kommen werden.

In jener Zeit entstehen der Spritzdüsenvergaser, der Urahn aller heutigen Vergaser, und auch einige Neuerungen am Kühlsystem, denn immer noch ist die unzureichende Motorkühlung eines des größten Probleme, das es zu lösen gilt.

Die bedeutendste Schöpfung Maybachs ist aber ein Motor, den Levassor in seiner Begeisterung „Phoenix“ nennt. Motoren dieser Bauart – die Zylinder sind stehend nebeneinander angeordnet und in einem Block gegossen – sollten später zum „motorischen“ Rückgrat der Daimler-Motoren-Gesellschaft werden.

Derweil gerät die Position Daimlers in seiner Firma zusehends ins Wanken. Im März 1893 verliert er durch Duttenhofer mit Stimmenmehrheit seine Stellung als technischer Leiter und bleibt nur noch Aktionär und Mitglied im Aufsichtsrat. Auch das Privatleben Daimlers erfährt eine bedeutende Änderung: Am 8. Juli 1893 heiratet er seine zweite Frau, Lina Hartmann, und beide unternehmen ihre Hochzeitsreise nach Chicago zu der dort stattfindenden Weltausstellung. Dort stellt der Daimlersche Lizenznehmer, William Steinway, der bereits seit 1888 Kontakte nach Cannstatt pflegt, eine ganze Palette der Produkte der DMG in Daimlers Auftrag aus. Darunter befindet sich auch der von Maybach konstruierte „Stahlradwagen“. Es ist das erste Automobil überhaupt in den USA.

Der Abstieg der Daimler-Motoren-Gesellschaft ist indessen weder durch den Personalabbau noch durch die Verlagerung des Konstruktionsbüros in den Betrieb von Lorenz nach Karlsruhe zu bremsen. In dieser Lage beschaffen Duttenhofer und Lorenz, ohne Wissen von Daimler, einen Kredit über 385 000 Mark, und als die Bank die Rückzahlung anmahnt, drohen sie Daimler mit einem Konkurs über das Gesellschaftsvermögen. In diesem Falle würden sie aus der Konkursmasse alle Aktien erwerben. Als Alternative soll sich Daimler mit 66 666,66 Mark abfinden lassen. Daimler stimmt zu, um seinen guten Ruf nicht als „Bankrotteur“ zu verspielen. Am 10. Oktober 1894 verlässt er die Daimler-Motoren-Gesellschaft. Dieser Schritt wird aber der Gesellschaft nicht zum Vorteil gereichen

1895: Frederick Richard Simms

Daimler Motorkutsche (Phoenix-Wagen) mit 6 PS Phoenix-Motor aus dem Jahre 1899.





Die DMG liefert zu jenem Zeitpunkt nur wenige Fahrzeuge aus, die zudem noch erhebliche Mängel aufweisen, und ist dem Konkurs nahe, als ein englisches Konsortium 1895 unter der Führung von Frederick Richard Simms von der Daimler-Motoren-Gesellschaft die Lizenzrechte für den Phoenix-Motor mit einer ungewöhnlich hohen Summe erwirbt – allerdings unter der Voraussetzung, dass die Herren Daimler, Maybach und Linck wieder in ihre alten Rechte und in führende Stellungen eingesetzt werden. Simms’ Forderungen werden erfüllt.

Die Daimler-Motoren-Gesellschaft gewinnt dank der nun von Daimler und Maybach energisch vorangetriebenen Verbesserungen und Neukonstruktionen schnell wieder an Boden. Sie hat in Amerika, Österreich und England (Links: F. R. Simms, Gründer des Daimler Motor Syndicate, im Jahr 1895 bei einer Vorführung des ersten in England eingeführten Daimler-Riemenwagens am Crystal Palace in London) eigene Niederlassungen. In Italien ist die sehr rührige Generalvertretung ein Katalysator für den jungen Kavallerieleutnant Giovanni Agnelli, sich mit der Herstellung von Automobilen zu befassen. Er gründet die Fabbrica Italiana Automobile di Torino, kurz Fiat. In Amerika baut Henry Ford nach Daimler-Vorbild sein erstes „Gasolin-Wägelchen“.

Mit dem Tod Gottlieb Daimlers am 6. März 1900 endet die erste Phase der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Auch deren Standort in der Seelbergstraße ist gefährdet. Im August 1900 erwirbt die DMG ein großes Gelände in Untertürkheim zwecks Expansion, und Emil Jellinek fährt Rennen unter dem Pseudonym „Mercedes“, dem Namen seiner jüngsten Tochter (siehe Bild rechts). Unter diesem Namen, der ab 1902 für Daimler-Automobile zum Markennamen wird, nimmt die Daimler-Motoren-Gesellschaft in den folgenden Jahrzehnten einen ungeahnten Aufschwung.

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