Mercedes-Benz 280 SE und 350 SE

W116 - Der Charme der Buchhalterausstattung

Mercedes-Benz 280 SE und 350 SE: W116 - Der Charme der Buchhalterausstattung
Erstellt am 14. Juli 2022

Die Mercedes-Benz S-Klasse ist die bekannteste Luxuslimousine der Welt. Dieser Nimbus wurde insbesondere vom ersten Luxus-Mercedes begründet, der die offizielle Bezeichnung S-Klasse trug. Die S-Klasse der Generation W116 war jedoch nicht nur mit kraftvollen Achtzylindern oder als Überflieger 450 SEL 6.9 zu bekommen, sondern auch als schmaler 280er. Und selbst den 350er gab es im Buchhalterpaket.

Manchmal darf es auch etwas weniger sein. Es ist schon irgendwie etwas widersinning. S-Klasse fahren wollen und das mit möglichst wenig Ausstattung. Mittlerweile gibt es für diese sogenannten Buchhalterausstattungen tatsächlich auch einen Sammlermarkt, denn es bedarf schon etwas Glück, so ein Exemplar zu erwischen. Und ein Liebhaber-Zuschlag wird dann meist auch noch fällig. Wohl dem, der dann noch etwas extra auf der hohen Kante hat. In Internet Casinos ist dies längst möglich den Betrag X unkompliziert mit etwas Glück und Geschick einzufahren. Warum auch nicht?

So schwer einem dieser Ausspruch "Buchhalter" bei der Mercedes S-Klasse fällt, kann man einem dünn ausstaffierten 280 SE diesen nennenswerten Charme kaum absprechen. Zugegeben – der 280er Vergaser ist mit seinen allzu blassen 156 PS für eine Luxuslimousine doch etwas wenig des allzu Guten und über die US-Version des zugeschnürten 300er Diesel sollte man den Mantel des Schweigens hüllen. Doch der 280 SE mit seinem 136 kW / 185 PS starken Einspritzer hatte zwar nicht das Image der stämmigen Achtzylinder 350, 450 oder eben des 450 6.9, doch das Leistungsdefizit war überschaubar und der Sechszylinder mit 2,8 Litern Hubraum war modellübergreifend einer der besten Sechszylinder, die es in den 1970er Jahren zu kaufen gab.

Stoffsitze, Stahlfelgen und Fensterkurbeln

Viele Mercedes 280er, aber sogar einige 350er, begegneten ihren geneigten Kunden aus der Oberschicht mit überraschenden Entbehrungen, denn wer sich bei einer imageträchtigen S-Klasse für eine der Basisversionen entschied, der griff bei den teuren Sonderausstattungen zumeist ebenfalls nur überaus zaghaft zu. So sind viele Modelle auf dem Klassikmarkt zumindest in Europa mit Stoffsitzen, Stahlfelgen oder gar manuellen Fensterkurbeln unterwegs, die in einer Luxuslimousine nichts zu suchen haben, auch wenn sich der Flockveloursstoff bei einigen Fans großer Beliebtheit erfreut. Anders sieht es bei dem taxifarbenen 280 SE aus, der vor der Tür auf dem Parkplatz strahlt. Der ungewöhnliche Taxilook ist auf dem W116 eine echte Schau und gerade die Kombination mit Stahlfelgen, entsprechend kolorierten Radkappen, dem grünen Colorglas und den rötlich schimmernden Pepitasitzen macht ihn ungewöhnlicher denn je. Sein Zustand im Innern ist grandios, die Atmosphäre typisch frühe 1970er Jahre, als der 116er das Fahren lernte und man in einer S-Klasse in seiner ganz eigenen Liga unterwegs war. Jede Fahrt eine kleine Reise – bis heute!

SE oder SEL? Kurz oder lang?

Viele meinen, dass eine S-Klasse nur mit langem Radstand und dem entsprechenden SEL-Signet am Heck die rechte Eleganz ausstrahlt. Dieser Mercedes 280 SE zeigt, dass es ausnahmsweise auch einmal mit der kurzen Fondtür geht. Unverzichtbar sind allerdings die mächtigen Ohrenkopfstützen vorne wie hinten, über die dieses Modell glücklicherweise ebenso verfügt wie Klimaanlage und elektrische Fensterheber. Eine S-Klasse mit Fensterkurbeln hat keinen Charme, sondern ist ein schlichter Spar-Fauxpas, den man sich nicht erlauben sollte. Eine kleine Kontrollleuchte in den Instrumenten zeigt, dass dieser taxifarbene 280er eine Vorgeschichte in Japan gehabt haben dürfte, denn in Europa gab es dieser Anzeige, die Abgasstrang überwacht, nicht.

Die 8-Zylinder scheinen die bessere Wahl

Es geht entspannt über schwäbische Schnell- und Landstraßen, Wald und Flur, durch namenlose Dörfer vorbei an mehr als sehenswerten Landschaften in sattem Grün und mit prächtigen Farben. Gerade in den kleinen Ortschaften fällt die ungewöhnlich lackierte S-Klasse frühen Ursprungs auf. Hier und da reckt sich ein Daumen hoch und gerade zwei Motorradfahrer würden die eigenen schwer bepackten Donnervögel asiatischer Herkunft wohl allzu gerne gegen den ungewöhnlichen Exiljapaner tauschen, der entspannt über die welligen Fahrbahnen gleitet und seine beiden Insassen im Galopp kräftig schunkeln lässt. Bei schnelleren Tempi steigen die Windgeräusche. Kein Wunder bei dem Chromornat, mit dem sich die S-Klasse bei warmen Temperaturen jenseits der 100 km/h gegen den Fahrtwind stemmt. Mit den 185 PS des 2,8er-Einspritzers ist man solide unterwegs.

Keine Frage, dass die Achtzylinder in dem schwäbischen Luxusmodell die deutlich bessere Wahl sind. Gerade auch weil die Getriebeautomatik einen spürbaren Teil der Antriebsleistung verputzt und im Nirgendwo des mechanischen Antriebs verschwinden lässt. Doch der 280 SE ist alles andere als eine Wanderdüne und die Lenkung aus den 70er passt perfekt zu dem Komfortanspruch einer bewegten Automobilzeit.

Auch den 350er gabs mit Buchhalterausstattung

Buchhalterausstattungen gibt es übrigens nicht nur bei den Modellen Mercedes 280 S und 280 SE. Ein Modell wie der klassisch-dunkelblaue Mercedes 350 SE belegt, dass auch die Achtzylinder in den 1970er Jahren ab Werk ebenfalls mit einem Sparpaket ausgestattet sein konnten. Dieser historische Proband hat gerade einmal 70.000 Kilometer auf der Uhr und steht ebenfalls prächtiger denn je da. Statt der exklusiven Leder- oder zumindest der edlen Velourssitze betten sich die oldtimergeneigten Insassen auch hier auf dem zeitgemäßen Pepitagestühl. In der Farbe Blau zumindest in Verbindung mit dem ebenso kolorierten Armaturenbrett ebenso mutig wie zeitgenössisch. Hier fehlt nicht nur die japanische Kontrollleuchte für die Abgastemperatur, sondern auch ein Drehzahlmesser. Dafür gibt es elektrische Fensterheber, Radio mit elektrischer Antenne, Schiebedach und die Scheinwerfer-Wischwasch-Anlage.

Wieviel Geld muss man in die Hand nehmen?

Wer eine Mercedes S-Klasse aus der Baureihe W116 sucht, bekommt nicht nur eine einzigartige Zeitkapsel auf Rädern, sondern ein vergleichsweise günstiges Fahrzeug mit jeder Menge Alltagsqualitäten als Daily Driver. Während andere Mercedes-Modelle und insbesondere die Nachfolgebaureihe W126 in den vergangenen Jahren stattlich an Wert zugelegt haben, ist der W116er gerade als 280er vergleichsweise günstig geblieben. Begehrtestes Modell ist der 450 SEL und wer viel Geld für Exklusivität und Ersatzteile ausgeben will, sucht sich direkt den Über-Benz vom Typ 450 SEL 6.9. Solide Mercedes 280 SE starten bei deutlich unter 10.000 Euro; doch hier heißt es, genau hinzuschauen. Der 116er ist in Sachen Rost anfällig; die Technik ist gut beherrschbar und alles andere als teuer. US-Modelle sind besonders günstig; aber oft nicht gut gepflegt. Die beste Wahl ist ein Japaner und auch aus Südeuropa gibt es immer wieder gepflegte Modelle auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Mit wenig Kilometern und einer nachvollziehbaren Servicehistorie kostet ein guter Mercedes 280 SE / 350 SE jedoch schnell 25.000 bis 30.000 Euro – die Langversionen mit guter Ausstattung sind besonders beliebt.

18 Bilder Fotostrecke | Mercedes-Benz 280 SE und 350 SE: W116 - Der Charme der Buchhalterausstattung #01 #02

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