Reportage: Monterey Car Week 2023

Halbinsel der Glückseligkeit

Reportage: Monterey Car Week 2023: Halbinsel der Glückseligkeit
Erstellt am 21. August 2023

Die Monterey Car Week ist seit einigen Jahren längst zur wichtigsten Automesse der Welt geworden. Wer in der Autoszene etwas auf sich hält, stellt seine Neuheiten bei den zahllosen Events rund um die Luxusenklave von Pebble Beach vor. Nirgends wird das Auto mehr zelebriert als an den kalifornischen Pazifikküste.

Lamborghini-CEO Stephan Winkelmann steht auf der Showbühne und lässt nach kurzer Rede das Tuch vom neuen Lanzador ziehen – ein sehenswerter Elektro-SUV in strahlendem blau, der erst im Jahre 2028 seine Marktpremiere feiern wird. So wie er aussieht, könnte er auch bereits im kommenden Jahr über die Autobahnen der Welt rollen. Der Lamborghini-Stand beim Luxusevent The Quail platzt aus allen Nähten, während sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken bahnt, hunderte von Kameras klicken sowie Besucher und Verantwortliche um die Wette strahlen. Nach weniger als zehn Minuten zieht die Meute weiter – zur nächsten Weltpremiere. The Quail – a Motorsports Gathering – ist die Luxusmesse der Neuzeit. Schöner, exklusiver, teurer und alle lieben Autos.

Hier interessiert allenfalls am Rande, was die Fahrzeuge auf den Bühnen für einen Antrieb haben. Elektromodelle übernehmen nur langsam das Kommando, denn hier geht es unabhängig vom Antrieb um die Lust am Auto an sich. Für Klimakleber, die IAA in München oder die längst nicht bewältigte Halbleiterkrise interessiert sich unter den einigen tausend Besucher, die für die Eintrittskarte auf dem Schwarzmarkt bis zu 3.000 Dollar bezahlt haben, niemand. Rolls-Royce hat kurz vorher sein elektrisches Luxus-Coupé Spectre vorgestellt, Rimac-CEO Mate Rimac eine 12er-Sonderedition des Nevera und Ford lässt seinen Übersportwagen Mustang GTD im Sonnenlicht strahlen, während Bugatti sein Einzelstück Chiron Golden Era vorstellt. Maserati enthüllt seinen 730 PS starken MCXtrema, Kia präsentiert der elitären Kundschaft seinen elektrischen Oberklasse-SUV EV9 vor und Aston Martin könnte sich keinen besseren Platz vorstellen, als seinen offenen DB12 Volante erstmals in Szene zu setzen.

Derweil spielen zwei Meyers Manx Buggys auf dem kurzzeitig umgewidmeten The-Quail-Golfplatz werbewirksam in einem Sandbunker. Das Publikum ist so exklusiv, wie es die Eintrittspreise vermuten lassen. Doch nicht alles spielt sich auf dem Golfplatz von The Quail ab, denn die bodenständigeren Fanevents wie Legends of Autobahn mit den Klassikern von Audi, BMW und Mercedes, dem Concours de Lemons, dem Concorso Italiano oder die Little Car Show bekommen auch in diesem Jahr nicht viel weniger an Aufmerksamkeit. Einige Hersteller enthüllen die neuen Modelle gleich auf ganz eigenen Veranstaltungen. Mercedes feiert imposant die Weltpremiere seines neuen AMG GT Coupé, Bentley zeigt sein Luxusmodell Bentayga Extended Wheelbase Mulliner und Ferrari feiert einen feuerroten Abend mit seinem Roma Spider.

Doch wer meint, dass die Monterey Car Week in erster Linie ein abgedrehter Event einer kranken Luxusliga ist, irrt gewaltig. Aus den gesamten USA, Asien und Europa kommen Autofans nach Monterey und huldigen dem Auto in seiner Gänze. Tausende von Kindern und Erwachsenen stehen tagelang an Straßenkreuzungen, bevölkern Supermarktparkplätze, besuchen Fantreffs und fotografieren, was Smartphone und Digitalkamera hergeben. Neid und Missgunst sucht man hier ebenso vergeblich wie Hass auf das Auto. Nirgends auf der Welt stehen millionenschwere Supersportwagen so natürlich neben Lowridern oder VW Bullis, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Überall gibt es für die mobilen Schmuckstücke einen strahlenden Daumen hoch, wird gefachsimpelt und diskutiert, während in der Cannery Row ein Jaguar D-Type vorbeirollt und sich tausende von Autosammler zu den millionenschweren Versteigerungen aufmachen, die RM Sothebys, Goodings, Bonhams oder Mecum zeitgleich veranstalten.

Gibt es nur strahlende Gesichter und wird die Monterey Car Week in jedem Jahr besser? Sie wird zumindest in jedem Jahr wichtiger und kaum einer der internationalen Hersteller kann sich erlauben, hier zu fehlen – gerade, wenn er in Nordamerika glänzen will. Doch gerade die Kultevents wie Legends of Autobahn, die Little Carhow in Pacific Grove oder Concours de Lemons mit den größten Klapperkisten in Salinas haben nicht mehr den abgefahrenen Fancharme wie vor ein paar Jahren. Keine Frage rund um die zahllosen Events von Pebble Beach ist längst der große Kommerz eingezogen und das kostet gleichermaßen Kult wie Charme. Bleibt die Frage, wie lange es dauert, bis die chinesischen Autohersteller die Monterey Car Week für sich entdecken, denn eine vergleichbare Veranstaltung von alt und neu, teuer und günstig, elitär und Fantreff gibt es auf der ganzen Welt nicht.

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