Ratgeber: der verrückte Gebrauchtwagenmarkt

Ungeahnte Höhen

Ratgeber: der verrückte Gebrauchtwagenmarkt: Ungeahnte Höhen
Erstellt am 12. Januar 2022

Die Suche nach einem Neuwagen ist durch die anhaltende Chipkrise unerquicklicher denn je. Doch auf dem Gebrauchtwagenmarkt sieht es kaum besser aus, denn die Preise haben sich in den vergangenen Monaten in ungeahnte Höhen emporgepresst. Ein Ende ist nicht absehbar.

Wer im vergangenen Frühjahr noch einen fair gepreisten oder gar günstigen Gebrauchtwagen bekommen konnte, darf sich freuen. Denn seit Anfang des Jahres 2021 stiegen die Preise für Jung- und Altmetall nahezu segment- und markenübergreifend in ungeahnte Höhen. Gerade in Ländern wie Deutschland oder Österreich wurden die Gebrauchtwagen von Monat zu Monat teurer denn je. Bei besonders beliebten Modellen legten die Zahlen auf den Preistafeln sogar um 20 bis 30 Prozent zu – während das Angebot gleichzeitig dünner denn je wurde. Einziger Vorteil: immerhin haben die Gebrauchtwagen keine endlos langen Lieferzeiten. Derweil müssen nicht wenige Kunden mittlerweile mehr als ein Jahr auf das bestellte Neufahrzeug warten. Autoscout24, eine der größten Onlinebörsen Europas, verzeichnete im abgelaufenen Jahr europaweit einen Preisanstieg von acht Prozent. Gleichzeitig reduzierte sich das Angebot um elf Prozent. Auch wenn es bei den Neuwagen in der Verkaufsstatistik mittlerweile bergab geht, blieb der VW Golf auch 2021 wieder der beliebtesten Gebrauchtwagen Europas. Das machte sich auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt bemerkbar, denn die Preise kletterten 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 21 Prozent.

„Der Blick auf die europäischen Märkte zeigt ein ähnliches Bild wie der auf Deutschland: Die Preise steigen im zweistelligen Prozentbereich, während das Angebot europaweit sinkt“, sagt Dr. Michael Luhnen, Vertriebschef bei AutoScout24, „aufgrund der Pandemie bevorzugen Verbraucher europaweit verstärkt das Auto gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr. Die steigende Nachfrage trifft dabei auf ein reduziertes Angebot, denn durch den Halbleitermangel stehen oder standen derzeit viele Fabriken still. Wer sich eigentlich einen Neuwagen kaufen wollte, weicht zunehmend auf Gebrauchte aus.“

Ähnlich sehen die Zahlen bei dem zweiten großen Autoportal Mobile.de aus. So mussten die Autokäufer hier fast ein Viertel mehr als im Vorjahresmonat für ein Fahrzeug ausgeben. Im Dezember riefen Händler auf Deutschlands größtem Fahrzeugmarkt durchschnittlich 29.910 Euro für ihre Modelle auf. Den höchsten Preisanstieg im Vergleich zum Vormonat fällt auf Kleinstwagen (plus 3,9 Prozent). Aber auch bei Modellen der Kleinwagen-, Kompakt- und Mittelklasse zeichnet sich der allgemeine Preistrend im Jahresvergleich ab: In den drei Segmenten stiegen die Preise um mehr als 25 Prozent. „Den andauernden Preisaufwärtstrend können wir auf die nach wie vor angespannte Lage im Neuwagenmarkt zurückführen“, sagt Martin Fräder, Head of Sales bei Mobile, „allerdings sehen wir auch, dass die Laufleistungen über alle Segmente hinweg seit Juli 2021 rückläufig sind. Zudem Ist das Durchschnittsalter im Jahresvergleich um 5,6 Prozent gesunken. Und weniger gefahrene Kilometer sowie ein jüngeres Alter machen sich vermutlich auch in höheren Preisen bemerkbar.“

Auch wenn es mit den Durchschnittspreisen für Gebrauchte europaweit bergauf ging, gab es deutliche Unterschiede in den einzelnen Märkten. So zahlten Verbraucher in Frankreich 2021 gerade einmal zwei Prozent mehr als vor einem Jahr, während die österreichischen Konsumenten 13 Prozent mehr hinlegen mussten. Dennoch kommen die Alpenländler unter dem Strich günstiger weg als die Franzosen, da das Preisniveau in Frankreich bereits 2020 sehr hoch war. So kostete ein Gebrauchtwagen in Österreich in den Onlinebörsen von Autoscout24 im Jahre 2021 durchschnittlich 22.949 Euro, während in Frankreich 24.167 Euro aufgerufen wurden. Teurer ist ein Gebrauchtwagen allein in Luxemburg, wo der Durchschnittspreis mit über 28.000 Euro europaweit am höchsten war. Wenig überraschend angesichts des Fahrzeugsmarktes: nirgends ist der Durchschnittspreis von einem Gebrauchtwagen günstiger als in Italien. Auch wenn die Preise um sieben Prozent stiegen lag der Wert hier bei gerade einmal 17.816 Euro. Kaum teurer sind die Fahrzeuge in den Niederlanden und Belgien, wo die Werte trotz Zuwächse noch unter 20.000 Euro lagen.

Egal, in welchem Land man unterwegs ist, die deutschen Automarken sind die beliebtesten auf dem internationalen Gebrauchtwagenmarkt. Volkswagen platzierte sich auf Rang eins, gefolgt von Mercedes auf dem zweiten Platz vor BMW auf Rang drei und Audi auf dem vierten Platz. Nach dem Bestseller VW Golf belegte der Audi A4 Platz zwei vor seinem kleinen Bruder Audi A3. Der VW Polo auf Platz vier ist mit einem Durchschnittspreis von 14.082 Euro das günstigste Fahrzeug unter den Beliebtesten; mit einem Plus von nur einem Prozent hält er seinen Preis nahezu stabil. Größere Scheine müssen die Fans des Audi A6 mitbringen, der sich im Ranking auf Platz 5 behauptet: Die Limousine wird in Europa derzeit für durchschnittlich 28.112 Euro gehandelt, das sind 6 Prozent mehr als im Vorjahr.

So langsam werden Elektroautos in Europa auch als Gebrauchte immer beliebter. So sind die Kaufanfragen für Stromer nicht nur bei Mobile.de oder AutoScout24 im Jahresvergleich angestiegen. Vergleicht man beispielsweise November 2021 mit November 2020 so stellt man einen durchschnittlichen Anstieg der Anfragen von knapp 150 Prozent fest. Nach einer Autoscout-Umfrage erwägen 35 Prozent der Autokäufer den Kauf eines Elektromodells. Etwas überraschend sind die Modelle es US-Autobauers Tesla dabei nicht die beliebtesten Modelle, was wohl an den hohen Preisen liegen dürfte. Trotz seines desaströsen Abschneidens beim letzten Euro-NCAP-Crashtest ist der Renault Zoe wohl wegen seines Durchschnittspreises von 16.400 Euro das beliebteste Elektroauto. Denn das Tesla Model 3 hat auf dem zweiten Elektroplatz einen Durchschnittspreis von 49.000 Euro und das ältere Model S knapp 52.000 Euro.

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