Die Automessen in England sind tot – seit Jahren. Doch statt den grauen Messehallen von Birmingham oder London hat die Gartenparty bei Lord March den Platz einer müden Automesse längst eingenommen. Beim Festival of Speed feiert sich die angeschlagene britische Autoindustrie selbst und viele jubeln lautstark mit.
Das Goodwood Festival of Speed ist seit Jahrzehnten eine gelungene Mischung aus Fantreff, Automesse, Klassik-Event und munterem Motorsport-Happening. Das meiste dreht sich um den fragwürdigen Hill Climb, ein nicht einmal zwei Kilometer langes Asphaltband, das sich mit zwei Rechtskurven einen Grashügel emporwindet. Rennwagen von heute und einst, Prototypen, Neuvorstellungen oder sehenswerte Einzelstücke donnern in deutlich unter einer Minute unter dem Applaus zehntausender Zuschauer mit Vollgas den Hang hinauf – elektrisch oder als Verbrenner. Wem das noch nicht reicht, der schlendert an historischen Modellen zur nahegelegenen Rennstrecke herüber und schaut sich hier noch weitere Geschwindigkeitsorgien an. Das ganze Areal gehört Lord March, der längst nicht mehr grauen Eminenz in der britischen Autoindustrie, der die Marken und Verantwortliche vieler Autohersteller nur allzu gerne um sich schart.
Über 100.000 Besucher strömen nach England
Nach der Internationalen Automobil-Ausstellung in München ist das Goodwood Festival of Speed mit über 100.000 Besuchern der wohl wichtigste Autoevent des Jahres in Europa. Viele Marken mit dynamischem Anspruch und ebensolchen Träumen folgen dem Ruf des Duke und bauen auf dem Areal stattliche Markenwelten auf, um sich bei möglichst sommerlichen Temperaturen unter freiem Himmel stilvoll in Szene setzen können. Nicht so schön, nicht so bunt und bei weitem nicht so abwechslungsreich wie die Monterey Car Week im August; doch eine Veranstaltung, die einer drögen Automesse seit Jahren eben gekonnt die britischen Rücklichter zeigt. Gerade wenn das Wetter passt, vergessen manche sogar das Wimbledon-Finale Jannick Sinner gegen Carlos Alcaraz oder die bevorstehenden Wirren der kommenden Arbeitswoche.
Auch dort funktioniert die E-Mobilität nicht
Das Festival of Speed funktioniert seit seiner Erstauflage in den frühen 1990ern nicht zuletzt deshalb, weil die Hersteller nicht nur ihre Markenwelten, sondern auch Premieren mit in den Süden Englands bringen und die Elektromobilität trotz neuer Modelle eher ein Schattendasein fristet. Die Boliden von einst und heute dröhnen, bollern und jubeln sich von bekannten Rennfahrern pilotiert zumeist in Drehzahlhöhen, die es sonst wohl nur in Silverstone oder einst am Nürburgring zu bejubeln gibt.
Was präsentieren die Hersteller?
Hyundai lässt bei seinem neuen Sportgeschoss Ioniq 6 N – 478 kW / 650 PS stark und knapp 260 km/h schnell – die Reifen ebenso qualmen wie Bentley beim Bentayga Speed, der eine neue zeitliche Bestmarke für SUVs setzt. Er schaffte mit seinem aufgeladenen Achtzylinder den Hillclimb in 55,8 Sekunden – dank 650 PS, 850 Nm und einer maximalen Renngeschwindigkeit von 210 km/h. Auf freier Wildbahn schafft der über 2,5 Tonnen schwere Luxus-Crossover sogar Tempo 310. Noch schneller: der 1.275 PS starke McLaren W1, der bald hybride Formel-1-Technik auf die Straßen bringen wird. Kaum weniger imposant: der nicht einmal eine Tonne schwere Einsitzer McLaren Solus GT mit seinem 840 PS starken 5,2-Liter-Zehnzylinder. In Goodwood zeigt sich fast jeder, der schnell, laut und betont motorsportaffin ist. Hersteller wie Mercedes, Ferrari, Aston Martin, Koenigsegg, Pagani, Lotus oder sogar Rolls-Royce mit seinem imposant surrenden Spectre posen im Minutentakt. Wer lieber Rallye-Klassikern wie Ford Escort RS 1800, Audi Quattro, Subaru Impreza, Toyota Celica ST 185s oder Peugeot 205 T16 Evo hinterherglotzen will – bei der Gartenparty vom Duke gibt es alles zu bestaunen.
Elektro-CLA kommt nur mäßig an
BMW präsentiert nicht allein spektakuläre Klassiker im Renngewand, sondern auch die Zukunftsstudie des Vision Driving Experience, die bereits auf der Auto China für Aufsehen sorgte oder den seriennahen Ausblick auf den kommenden BMW iX3. Neben dem elektrischen Visions-Modell donnern auch BMW M2 CS und M3 CS Touring den knapp 1,2 Meilen langen Hügel hinauf, während die Historienfans fünf Jahrzehnte Dreier-Reihe zelebrieren. Während Mercedes seinen elektrischen CLA über die Piste surren lässt, bekommen die Siilberpfeil-Boliden vergangener Jahrzehnte deutlich mehr Applaus. Porsche setzt in Goodwood nicht nur auf neue Modelle, sondern auch Stars und Sternchen. So enthüllt Popstar Dua Lipa einen von ihr gestalteten Porsche 911 GT3 RS, der zugunsten der Sunny Hill Foundation versteigert wird, während der zweifache Oscar-Gewinner Adrien Brody die Premiere seines Dokumentarfilms ‚The Intern‘ feiert, in dem er als Praktikant hinter die Kulissen der Porsche-Produktion blickt. Noch wichtiger für viele Autofans: ein erster dynamischer Blick auf den elektrischen Porsche Cayenne.
Auch beim Festival of Speed drücken die Chinesen
Lamborghini präsentiert an den vier Tagen in den seichten Hügelketten von Sussex nicht nur den neuen Temerario, sondern auch gleich seine Motorsportversion des Temerario GT3, der ab kommendem Jahr in aller Welt erstmals mit Turbopower auf Rekordjagd nach seinem Vorgänger Huracan gehen wird. „Nach den sportlichen und kommerziellen Erfolgen des Huracán GT3, mit dem wir 96 Meisterschaften gewonnen und über 200 Fahrzeuge verkauft haben, haben wir von Beginn des Temerario-Projekts an Rennsport-Varianten ins Auge gefasst“, erläutert Lamborghini-CEO Stephan Winkelmann. Mehr denn je setzen sich beim Festival of Speed in den vergangenen Jahren die chinesischen Autohersteller und hier speziell MG mit Cyberster und Cyber X in Szene. „MG hat vergangenes Jahr sein hundertjähriges Bestehen mit uns gebührend gefeiert. Nun kehrt die Marke mit zwei wichtigen neuen Serienmodellen und einigen herausragenden Konzeptfahrzeugen zum Goodwood Festival of Speed zurück“, sagt Festival-Gründer Charles Gordon-Lennox, Duke of Richmond, „die Möglichkeit, einen ersten Blick auf zukünftige Entwicklungen und technische Innovationen zu werfen, ist ein wichtiger Teil des Goodwood Festival of Speed.“
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