Rostverächter: Mercedes 230.6 (W114)

“Strich-Acht“-Benz trotzt dem Zahn der Zeit

Rostverächter: Mercedes 230.6 (W114): “Strich-Acht“-Benz trotzt dem Zahn der Zeit
Erstellt am 25. Mai 2018

Bei allen unbestrittenen Qualitäten der Baureihe W114/W115 ist der mittlerweile in die Jahre gekommene Mercedes-Benz, der gern auch als “Strich-Acht“ (mercedes-intern: "/8") bezeichnet wird, leider nicht völlig immun gegenüber Rostbefall. Doch an dem Mercedes 230.6, der sich im Besitz von Michael Dahmen befindet, beißt sich der braune Nager die Zähne aus.

Der “Strich-Acht“ ist ein Erfolgstyp

Ohne Frage dürfen die Baureihen W114/W115 (W114 steht für die Sechszylinder- und W115 für die Vierzylinder-Varianten)  bzw. der “Strich-Acht“ (als Kürzel für das Erscheinungsjahr 1968) als automobile Legenden gelten. Denn mit ca. zwei Millionen verkaufter Modelle erreichte der W114/W115 eine Stückzahl, die in etwa der Produktionsziffer aller zuvor gefertigten Mercedes-Fahrzeuge der Nachkriegsbaureihen entspricht. Hut ab!

Der W114/W115 weist neue Wege

Der “Strich-Acht“ war also ein regelrechter Kassenschlager. Dabei rief der Mercedes “der neuen Generation“ - so wurde der Benz der Weltöffentlichkeit vorgestellt - bei seinem Erscheinen durchaus auch einige Skepsis hervor. Denn wegen seiner sachlichen Linienführung und der eher puristischen Basis-Ausstattung, die man bis dato von der Premium-Marke Mercedes-Benz eigentlich nicht gewohnt war, mussten sich die Kundschaft erst einmal mit dem Konzept des Neulings anfreunden.

Technisch top

Doch fiel dies den Mercedes-Freunden damals dann doch nicht allzu schwer. Denn zu überzeugend waren die herausragenden Technik-Merkmale (z.B. Motoren, Fahrwerk und Bremsanlage) und die Vorzüge einer zeitgemäßen Innenraum-Architektur, als dass man diesem modern-fortschrittlichen Mercedes hätte widerstehen können – geschweige denn wollen!

Zudem wartete die Baureihe W114/W115 mit einer schier endlosen Zubehörliste auf. Hier blieben nun wirklich keine Wünsche offen! Opulenter ausgestattet war, so sich der seinerzeitige Neuwagen-Käufer die attraktiven Extras denn leisten wollte, wohl noch kein Vertreter der oberen Mittelklasse auf die Räder gestellt worden!

Was lange fährt...!

Die enorme Solidität und allseits gerühmte Langlebigkeit des “Strich-Acht“ ließen einen Mercedes im Laufe seiner Jahre durch so manche Hand gehen. Etliche Exemplare kamen irgendwann in den Besitz von Autofahrern, die sich zwar für das enorme Platzangebot und den sänftengleichen Komfort des Benz begeisterten, nicht aber für die Einhaltung des vorgeschriebenen Wartungsplans. Aus diesem Grunde findet sich unter den heute noch angemeldeten Fahrzeugen der Baureihe W114/W115 eben auch der eine oder andere Pflegefall. Am Nimbus der Unkaputtbarkeit ändert dies freilich nichts. Denn wird der Mercedes W114/W115 ordentlich behandelt, darf man einen treuen Weggefährten und Garanten für ungetrübte Fahrfreude sein Eigen nennen.

Gutes von gestern

Und genau so verhält es sich auch mit dem Mercedes 230.6 von Mercedes-Fan Michael. Der Jülicher erstand die Limousine von einem Senior, der sich aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von dem “Strich-Acht“ trennen musste. Offenkundig hatte der Herr stets ein wachsames Auge auf den W114 gehabt. „Denn die Karosserie ist hinsichtlich ihrer Substanz gut, der Chrom-Besatz noch tadellos, und der Sechszylinder läuft wie ein Uhrwerk“, bestätigt Michaels Zustandsbericht den guten Ruf, der einem W114 zurecht anhaftet.

Es muss Mercedes sein!

Ich mag den Look klassischer Automobile“, sagt Michael. „Weil ein Auto aber auch alltagstauglich sein soll, fiel meine Wahl auf einen Mercedes der Baureihe W114/W115." Übrigens: Michael ist selbständiger Kfz-Händler, und insofern hätte er sich zweifellos aus (s)einem großen Angebot nach Herzenslust bedienen können. Dass er sich dennoch für einen “Strich-Acht“ entschied, spricht ebenfalls für die Vorzüge dieser Baureihe.

Der Benz zeigt Muskeln

Der Mercedes hat Stil. Die Limousine ist ein attraktiver Hingucker, und die sportive Ausstrahlung kommt dank der Updates ebenfalls nicht zu kurz“, sagt Michael. Gemeint sind die Tieferlegung (H&R-Federn) um 60/50 mm und die verbreiterten Gehäuse. Die Radläufe wanderten nämlich ein gutes Stück nach außen, um den mit Maxxis-Pneus (205/55 vorne und 245/40 hinten) bereiften 16-zölligen BBS-Felgen (“RS“) den erforderlichen Platz einzuräumen. Die Absenkung bekommt der dynamischen Ausstrahlung des bullig wirkenden Benz sichtlich gut. Nicht minder wie die am Dach prangenden Chromleisten (Eigenfabrikation), die dem Mercedes zusätzliche Glanzpunkte und dem “Strich-Acht“ auf diese Weise den Charakter eines Custom Cars verleihen.

Heiß auf Rot-Weiss!

Inwendig macht Michael es sich mit neuen Bezügen (Elfenbein und Rot) hübsch bequem. Passend zur neuen Ausstattung lackierte er Lenkrad und Lenksäule auch in Elfenbein. Hinzu gesellen sich eine gleichfalls elfenbeinfarbene Billard-Kugel, die als Schaltknauf dient und auf einem eigens fabrizierten Schaltstock aus VA-Stahl thront. Das Ambiente mutet nicht zufällig amerikanisch an. Michael begeistert sich nämlich – neben Mercedes – für klassische US-Cars. Aus diesem Grunde brachte er einen kleinen Drehzahlmesser von Chevrolet in Stellung, welcher die ursprünglich verbaute Uhr von ihrem angestammten Platz im Cockpit verdrängte.

Langläufer Mercedes 230.6

Bis auf kleine optische Retuschen präsentiert sich der 120 PS leistende Sechszylinder als alter Bekannter. „Der Motor läuft genauso gut, wie er aussieht“, lobt Michael die Standfestigkeit des Aggregats, dessen Kräfte immerhin ausreichen, die fast 1400 Kilogramm schwere Limousine auf eine Höchstgeschwindigkeit von über 170 km/h zu beschleunigen.

Theoretisch. Tatsächlich lässt es der Mercedes-Fan deutlich langsamer angehen. „Ich habe es nicht eilig, sondern genieße jede Minute am Steuer dieses coolen Cruisers.“

22 Bilder Fotostrecke | Rostverächter: Mercedes 230.6 (W114): "Strich-Acht"-Benz trotzt dem Zahn der Zeit #01 #02

Mercedes-Fans Technische Daten

Fahrzeugtyp: Mercedes-Benz 230.6 (W114, “Strich-Acht“)

Baujahr: 1976

Motor: Reihensechszylinder, Hubraum: 2292 ccm, Leistung: 120 PS bei 5400 U/min, Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h

Getriebe: Automatik

Bremsen: Hydraulische Bremsanlage mit Scheibenbremsen rundum

Räder: BBS “RS“, 8,5 x 16 vorne und 10 x 16 hinten

Reifen: Maxxis, 205/55-16 vorne und 245/40-16 hinten

Fahrwerk: H&R-Federn (minus 60/50 mm), Koni-Dämpfer

Karosserie: Radläufe gezogen, Chromleisten für Dach in Eigenbau gefertigt, Lackierung in Signalrot (Original)

Innenraum: Lenkrad und Lenksäule elfenbeinfarben lackiert, neue Ausstattung (zweifarbig: Rot und Elfenbein), Chevrolet-Drehzahlmesser, Schalthebel aus VA-Stahl, Billard-Kugel-Schaltknauf, Zusatzinstrumente für Wasser-Temperatur und Bordspannung, Vintage-Zusatzschalter zur Steuerung der Alarmanlage

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community