Diesen raren Flügeltürer können Sie auf der Mercedes-FanWorld im Rahmen der Essen Motor Show (30.11.-8.12.2013) sehen.
Flügeltürer waren und sind etwas ganz Besonderes. Als echter Paradiesvogel unter den beflügelten Automobilen darf der SGS Gullwing auf Basis des Mercedes 500 SEC gelten. In den Achtziger Jahren waren die außergewöhnlichen Kreationen der Hamburger Styling Garage Spezial-Karosserien GmbH berühmt bis berüchtigt. Heute sind sie hingegen nur noch wenigen bekannt. Wie auch? Vom SGS Gullwing sind in Deutschland überhaupt nur noch drei Modelle aktenkundig. Eine dieser seltenen Kuriositäten befindet sich im Besitz von Mercedes-Fan Ralf Weber.
Feuer und Flamme für den Stil der Achtziger
Schon lange Jahre sammele ich mit großer Leidenschaft originale Mercedes-Automobile, eröffnet Ralf Weber das Gespräch. Doch schlägt mein Herz auch für das Auto-Tuning der siebziger und achtziger Jahre. Aus der Masse der modifizierten Fahrzeuge jener Jahre ragen die außergewöhnlichen Schöpfungen des Hamburger Karosseriebauers SGS (Styling Garage Spezial-Karosserien GmbH) heraus. Von diesen wiederum hatte es mir der SGS Gullwing besonders angetan.
Teures Vergnügen
Die SGS-Schöpfungen waren total abgefahren, gerät der selbständige Kaufmann ins Schwärmen. Seinerzeit hatten sie in der Bevölkerung leider das Image des Halbseidenen. Viele Modelle galten hierzulande als Zuhälter-Schlitten, weiß Ralf Weber zu erzählen. Zu Unrecht, denn die super-exklusiven SGS-Autos waren so teuer, dass sich selbst gut verdienende Rotlicht-Fürsten einen SGS-Wagen nur schwerlich leisten konnten. Mit dieser Feststellung dürfte der Hofheimer richtig liegen, wie folgende Preisliste verdeutlicht: Zum Anschaffungspreis eines Mercedes 500 SEC kamen die Umbaukosten zum Flügeltürer von etwa 83.000 D-Mark hinzu. Mit weiteren Extras kostete der SGS Gullwing ganz fix 200.000 D-Mark (ca. 102.000 Euro). Dabei war die Preis-Skala nach oben sogar offen, denn SGS erfüllte seinen Kunden jeden noch so ausgefallenen Wunsch.
SGS-Umbauten avancierten zum Exportschlager
Angesichts solcher horrenden Anschaffungskosten ist es kein Wunder, dass das Gros der SGS-Fahrzeuge in die Golfstaaten exportiert wurde. Denn im Land der munter sprudelnden Öl-Gewinne spielte Geld tatsächlich keine Rolle. Den Scheichs ging es vielmehr darum, in einem garantiert einzigartigen Auto über den sengenden Wüstenasphalt zu brausen. Und SGS war dafür bekannt, auch exaltierteste Vorstellungen zu verwirklichen.
Auch SGS fing mal klein an
Der Mann, der die SGS-Umbauten konzipierte, hieß Chris Hahn. Seines Zeichens gelernter Karosseriebauer begann Chris Hahn seine Karriere mit einem - vor allem inwendig mit allerlei Schnickschnack vollgestopften - VW-Golf, den SGS 1982 auf der Frankfurter IAA zeigte. Was mancher Fachjournalist möglicherweis abschätzig als verbastelte Kirmesbude abqualifiziert haben wird, traf voll den Nerv der über das Messegelände wandelnden Scheichs und Prinzen aus Arabien. Sie waren hin und weg von dem mit rotem Leder, Edelhölzern und einem großen Fernseher ausgestatteten Golf und rannten sogleich Chris Hahn die Hamburger Bude ein. Im Nu waren die SGS-Auftragsbücher prall gefüllt.
Der Kunde ist König
Was folgte, war ein beispielloser Boom mit allen Auswüchsen, die so ein Goldrausch nun einmal so mit sich bringt. Denn wie weiß der Volksmund doch ganz richtig zu sagen? Der Kunde ist König! Und was der Kunde wünschte, wurde von SGS gebaut. Demzufolge gingen Chris Hahns Modifikationen bis an die Grenzen des damals Machbaren und zuweilen auch an die, des guten Geschmacks. Aber hey, Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters! Und so verließ die SGSWerkstatt sicherlich auch so manche automobile Merkwürdigkeit, die von der Spleenigkeit ihres Eigentümers sichtbar Zeugnis ablegte.
Die Farben des Geldes
Geradezu legendär sind die Automobile, die SGS im Auftrag des Scheichs Hamad bin Hamdan al Nahyan, eines wahrlich total abgefahrenen Auto-Fans, anfertigte. Das gut betuchte Mitglied der königlichen Familie von Abu Dhabi ist auch unter dem schillernden Namen Regenbogenscheich bekannt. Zur Hochzeit seiner Cousine orderte der wohlständige Wüstensohn bei SGS sage und schreibe 36 Autos. Die allesamt weiß lackierten Fahrzeuge waren mit einem umlaufenden Regenbogen versehen und sämtliche Chromteile in 24 Karat vergoldet! Der Scheich orderte sogar noch weitere sieben Automobile bei SGS. Jedes Auto in einer anderen Farbe des Regenbogens.
Michael Jackson und Frank Sinatra bestellten bei SGS kostspielige Spezialumbauten
Länger, breiter, voller - teurer. Doch nicht nur gelangweilte Ölmultis karrten ihre Petro-Dollars gleich Säckeweise nach Hamburg. Auch amerikanische Superstars wie Michael Jackson oder Frank Sinatra bestellten bei SGS ihre ganz auf die persönlichen Bedürfnisse und Wünsche zugeschnittenen Luxus-Limousinen. So ließ sich Frank Sinatra für einen saftigen Aufpreis von 200.000 D-Mark ein ausziehbares Doppelbett in seinen S-Klasse-Mercedes einbauen.
Auf Basis des Mercedes 500 SEC entstand der SGS Gullwing
Auch der Papst war SGS-Kunde
Doch Vorsicht, wer nun glaubt, dass ausschließlich überkandidelte Leute, die zu schnell an zu viel Geld gekommen sind, selbiges aus Jux und Dollerei wieder bei SGS verjubelten, liegt falsch. Denn selbst Papst Johannes Paul II bestellte bei SGS einen Spezial-Mercedes. Ja, richtig gelesen! Selbst der Heilige Vater ließ sich in einer überlangen S-Klasse aus Hamburg chauffieren. Übrigens: SGS-Mastermind Chris Hahn fuhr selbst keinen Luxus-Schlitten. Obwohl seine Werkstatt die teuersten Fahrzeuge realisierte und es in der SGS-Kasse einige Jahre richtig rappelte, gondelte er lieber in einem VW Golf Diesel durch die Lande.
Ein Lenken in Luxus
Der von spektakulären Design-Visionen erfüllte Karosseriebauer war offenkundig mehr an technische reizvollen Lösungen als an einem eigenen Lenken in Luxus interessiert. Sein Ziel war es, ausgefallene Automobile zu bauen. Und dass in einer Qualität, die bis heute ihresgleichen sucht, sagt Ralf Weber. Die handwerkliche Ausführung des SGS Gullwing ist von einer solchen Qualität, dass selbst der TÜV-Prüfer anerkennend mit der Zunge schnalzte. Das ist noch richtig solide Wertarbeit, lobt der Mercedes-Sammler.
Die Mercedes-Technik des Gull Wing blieb unangetastet
Bei den Umbauten beschränkte SGS sich übrigens auf die Modifikation von Fahrwerk, Chassis, Karosserie und Innenraum. Motor und Getriebe ließen die Hamburger unangetastet. So auch beim Gullwing. Dank der originalen Technik bleibt der modifizierte Mercedes vergleichsweise servicefreundlich. Im Grunde kann jeder Mercedes-Partner die Wartungsintervalle durchführen. Bei der Gelegenheit sei aber angemerkt, dass Mercedes-Benz von den drall-prallen SGS-Schöpfungen damals nicht sonderlich angetan war
Das jähe Ende des Goldrauschs
In der zweiten Hälfte der Achtziger war der große Run auf extrem kostspielige Spezialumbauten und spektakulär auf Luxus getrimmten Limousinen schon wieder vorbei. Der einbrechende Dollar-Kurs machte den Export der Autos nahezu unrentabel. Trotz voller Auftragsbücher musste SGS daher die Pforten schließen. Von nun an betätigte sich die Firma von Chris Hahn mehr als Konstruktions-Büro in Kooperation mit anderen Unternehmen. Die einst so für Furore in den Fachmagazinen sorgenden SGS-Autos sind heute nahezu vergessen. Wie gut, dass Ralf Weber dieses Exponat der Mercedes-Szene erhalten hat. Vor kurzem wurden Elektrik und Elektronik aufwändig erneuert, gibt er zu Protokoll.
Auffallend anders: Mercedes SGS Gull Wing
Auf Mercedes-Treffen fällt der automobile Paradiesvogel aus dem üblichen Rahmen. Im Grunde sind die Reaktionen auf den SGS Gullwing genau dieselben wie in den Achtzigern: Von Bewunderungen über ungläubiges Staunen bis zu Kopfschütteln reicht die Bandbreite der Feedbacks, berichtet Ralf Weber. In jedem Fall ist der SGS Gullwing stets Anlass für interessante Gespräche. Tja, die Firma SGS mag zwar längst vom Markt und aus dem Bewusstsein der allermeisten Zeitgenossen verschwunden sein, aber ihre Kreationen bewegen noch immer die Gemüter. Und das ist gewiss nicht das Schlechteste, was man von einem Auto sagen kann.
Text & Fotos: Frank Ebeling
Mercedes-Fans Facts
Fahrzeugtyp: SGS Gullwing auf Basis Mercedes-Benz 500 SEC (C126)
Baujahr: 1984
Motor: V8-Motor mit 4973 ccm, Leistung: 231 PS
Getriebe: Automatik
Bremsen: Serie
Räder: BBS RS, 8 x 16 vorne und 9 x 16 hinten
Reifen: Bridgestone
Fahrwerk: Serie
Karosserie: Umbau von SGS: Body-Kit und Flügeltüren
Innenraum: SGS Gull Wing, Leder-Ausstattung
3 Kommentare
Finzeltier
21. Juni 2015 19:28 (vor über 9 Jahren)
Mercedes-Fans.de
6. Dezember 2013 14:04 (vor über 11 Jahren)
Wombat
29. November 2013 14:21 (vor über 11 Jahren)
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