Die besondere LeBenz-Art: Das zweite Leben eines Mercedes Oldtimers

Als Mercedes Tuning noch Customizing hieß: 1952er Mercedes 170 S Hot Rod

Die besondere LeBenz-Art: Das zweite Leben eines Mercedes Oldtimers: Als Mercedes Tuning noch Customizing hieß: 1952er Mercedes 170 S Hot Rod
Erstellt am 19. Januar 2010

 Kennen Sie Hot Rods? Klar, das sind doch diese wilden Umbauten aus Ami-Land, oder? Vorzugsweise mit alten Fords? Stimmt, aber Hot Rods sind auch eine Lebensart. Mehr noch, sie sind heute Auto-Kultur. Respektiert und bewundert. Mercedes-Botschafter Jay Leno ist beispielsweise ein begeisterter Hot Rodder Und dann gibt es noch Zeitgenossen, die ihre Liebe zu dieser Auto-Kultur mit ihrer Liebe zu Mercedes-Benz verbinden. Eine ganz besonders ausgefallene Liebe zur Marke? Oder gar Frevel am Stern? Wir haben diesen Mercedes-Fan, der diesen 52er Mercedes 170 sein eigen nennt, in einem entlegenen Winkel von Belgien für Sie besucht!

Seit 25 Jahren unterwegs als Mercedes-Rod: 170 S von 1952

Das Schöne an unserem allerliebsten Hobby ist, dass es uns auf wundersame Art verbindet. Jeder favorisiert gewisse Details und Stile beim Tuning und doch eint alle Freunde der Modifikationen der kleinste gemeinsame Nenner: Veränderung. Leben bedeutet Veränderung, Tuning bedeutet Veränderung. Wo die Serienproduktion bestenfalls als Rohdiamant angesehen wird, gerät der Umbau für Auto-Individualisten zur Pflicht.

So einig sich die Veränderungswilligen also darüber sind, dass serienmäßige Autos dazu geschaffen wurden, diesen einen eigenen Stempel aufzudrücken, so sehr gehen die Meinungen doch bei der Art des Stempels auseinander. In letzter Zeit erlebt das sogenannte OEM-Tuning eine Renaissance. Dabei werden Umbauten in der Regel unter Berücksichtigung der Originalteile oder konzernverwandter Teile durchgeführt. Felgen anderer Modelle und Baureihen finden Verwendung, oder Anbauteile modellgepflegter Serien und behutsam modifizierte Karosseriedetails.

Hugo extrem

Genau das strikte Gegenteil von alledem ist der Mercedes 170 S von Hugo Vervliet, den wir Ihnen heute vorstellen möchten. Wo Liebhaber originalgetreu restaurierter Modelle angesichts dieses Umbaus vielleicht verzweifelt zu den Herztropfen greifen und hyperventilierend Protestmails schreiben, blüht Herr Vervliet erst so richtig auf. Und wir als aufgeschlossene Redaktion, schauen uns auch gern polarisierende Gefährte an.

Wo Hugo und seine Frau Daisy mit ihrem bronze-goldenen Ausnahme-Oldtimer aufkreuzen, sorgen sie für verblüffte Gesichter. Zugegeben, eine gewisse Portion Souveränität - andere sagen auch "Schmerzfreiheit" - gehört schon dazu, will man einen solchen Mercedes Oldtimer zu einem Hot Rod umfunktionieren. Der Vorteil des Pärchens Vervliet liegt unbestritten darin, dass die beiden bereits über zwei originale W191 verfügten. Das beruhigt dann vielleicht doch die Nerven!

Einer davon diente als Daily Driver, der andere wurde gehätschelt und als Oldtimer nur gelegentlich bewegt. Dann kam Nummer 3 ins Spiel: Ein verlockendes Angebot stand damals, 1983, im Raum und nur umgerechnet 150 Euro trennten den etwas mitgenommenen Mercedes von seinem zukünftigen Besitzer. Kaum war der Transfer perfekt, beschloss der Belgier, aus seiner Neuerwerbung einen in Europa einzigartigen Mercedes-Benz 170 zu machen.



Der belgische Auto-Enthusiast Hugo Vervliet hat diesen einzigartigen Mercedes Hot Rod geschaffen!

Inspiration im Kaninchenstall

Als Werkstatt diente Hugo und seinem Freund Karel Geentjes ein Kaninchenstall mit rund 300 Bewohnern. Da wir alle wissen, was Kaninchen gerne tun, verwundert es uns nicht, dass die beiden Schrauber inmitten des geselligen Treibens der pelzigen Nager wohl die eine oder andere „Inspiration“ durchströmte. was macht einen Hot Rod aus? Was ist typisch für diese Gattung. Und was passt zu meinem Mercedes 170? Hugo Verfliet entschied sich für ein Top Chop und setzte den Trennjäger an den Holmen seines Mercedes Oldtimers an. Der „Top Chop“, also das Absenken des Daches, in diesem Fall um gute zehn Zentimeter, ist ein klassischer Kunstgriff des Hot Roddings und gilt der Reduktion des Windwiderstands.

Vorsicht Dacharbeit: 10 cm wurden dem Dach abgeschnitten!

Nun ist es beim „Top Chop“ nicht einfach damit getan, alle Holme und Dachsäulen zu kürzen und das Dach wieder aufzusetzen. Durch das Verändern der Höhe ändern sich auch die Proportionen. Soll das Dach nicht wie ein zu kleiner Topfdeckel einfach in den Innenraum fallen, muss die Dachfläche in alle Richtungen angepasst - und schwieriger noch, die Wölbung des Daches muss komplett neu geschaffen werden. Fragen Sie mal einen Karosseriebaumeister, das ist Handwerkskunst!

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Von Rundungen und Kurven, insbesondere im Fensterbereich, die dank des fehlenden Blechs nun überhaupt nicht mehr zueinander passen, ganz zu schweigen. Änderungen ziehen weitere Änderungen nach sich. Für die originalen Scheibenwischer hatte Hugo Vervliet aufgrund der gekürzten Frontscheibe auch keine Verwendung mehr. Sie waren schlichtweg zu groß. Statt sie zu kürzen, griff Hugo ins MG Teileregal und fand dort etwas Passendes.

Mercedes Tuning mit Rover V8

Von Anfang an stand fest, dass der Benz-Rod auch über eine standesgemäße Motorisierung verfügen sollte. Der serienmäßige Vierzylinder ging dazu über Bord und machte einem 1965er 3,2 Liter Rover V8 Aggregat Platz. Der neue Motor durfte ohne seitliche Verkleidung Platz nehmen und brüllt seinen Zorn durch einen Eigenbau-Krümmer nebst Cherry Bomb Auspuffanlage ins Freie. „Disturbing the peace“ lautet das Motto dieses Abgasanlagenherstellers, wohl nicht ganz ohne Grund...

Mercedes Oldtimer im amerikanischen Hot Rod Style

Die vorderen Kotflügel wuchsen um sechs, die hinteren sogar um zehn Zentimeter in die Breite. Und das alles, um amerikanische Boyd-Felgen in 7 und 10 x 15 Zoll mitsamt 205/50, respektive 275/60er Bereifung eine angemessene Behausung zu gewährleisten. Durch den Größenunterschied der Gummis an Vorder- und Hinterachse sieht der Mercedes einem US Hot Rod sehr ähnlich.

Alte Handwerkskunst: Pinstriping

In der amerikanischen Custom-Szene wird viel Wert auf sauber ausgeführte, handwerklich knifflige Blecharbeiten gelegt. Dem durfte das belgische Duo natürlich in Nichts nachstehen. Gefrenchte, also in der Karosserie versenkte Rückleuchten im Dreierpaar, sowie die auf gleiche Art und Weise versenkten Antennen zeugen von Kunst am Blech. Stoßstangen und Türgriffe sucht man an Hugos Hot Rod natürlich ebenso vergeblich. Dafür zieren feine Pinstripings das Blech an verschiedenen Stellen.

Pannesamt fürs Mercedes Interieur

Das Interieur ist wahrlich nichts für zartbesaitete Gemüter. Hugo liess nämlich die kompletten Sitzgelegenheiten eines nicht näher benannten Toyotas aufarbeiten und in Lowrider-typischem, dunkelroten Samt beziehen. Der plüschige, glänzende Stoff legt sich sowohl um die Sitze als auch den Himmel und die Türverkleidungen. Soviel „Eye-Candy“ ist nicht jedermanns Sache, aber es wurde hier auf jeden Fall konsequent gearbeitet. Nur zur Erinnerung: Das Interieur hat bereits gute 25 Jahre auf dem Buckel – soviel also zur Qualität der Verarbeitung!!!

Mercedes Oldtimer on the road

Haben wir eingangs den Daily Driver erwähnt, den die Vervliets neben dem Hot Rod Projekt und dem liebevoll restaurierten Oldtimer besitzen? Nun, dies hier gezeigte Fahrzeug ist wohl ebenfalls einer. Seit seiner Fertigstellung haben Hugo und Daisy über 150.000 Kilometer mit dem Wagen zurückgelegt und dabei ganz Westeuropa durchquert. Mit einem puren Show Car wäre das nicht möglich gewesen. Ja, und ein neuer Motor ist bereits in Arbeit. Der alte ist schon ein wenig verbraucht. Dass der Rest des Autos locker noch einmal 150.000 übersteht, brauchen wir ja wohl nicht extra zu erwähnen? Es ist schließlich ein Mercedes.



Text: Igor Vucinic

Fotos: Thomas Frankenstein

Mercedes-Fans Facts

1952er Mercedes Benz 170 S (W191)



Antrieb: 3,2 Liter Rover V8 mit Holley Vergasern, Eigenbau-Krümmer und Cherry Bomb Auspuffanlage

Fahrwerk: Einzelradaufhängung, Vorderachs-Scheibenbremsen vom Mercedes 220. Lenkung: Aus VW-, Ford- und Vauxhall-Teilen zusammengestellt

Räder: Boyds Felgen in 7x15 und 10x15 Zoll, vorne 205/50 R15 Semperit, hinten 275/60 R15 General Bereifung

Karosserie: Top Chop um 10 cm, Kotflügel vorne um 6cm, hinten um 10 cm verbreitert, keine Stoßstangen, Türgriffe entfernt, 2x drei Custom Rückleuchten, Antennen, Frontblinker und Rückleuchten gefrencht, Scheibenwischer vom MG TD

Innenraum: Neu aufgepolsterte und mit rotem Plüsch bezogene Toyota-Sitze, Billet Moon Lenkrad, Instrumente und Schalthebel von Rover

34 Bilder Fotostrecke | Einzelstück: Mercedes Oldtimer zum Custom umgebaut: Mercedes Tuning Extrem: 1952er Mercedes 170 S Custom #01 #02

2 Kommentare

  • SebastianNast

    SebastianNast

    Jepp das ist wirklich ein sehr sehr cooles Customcar !! Der ist ja in der Szene schon sehr lange bekannt, aber schön hier jetzt mal ein paar mehr und gute Bilder zu haben. In dieser Art von Oldschool-Customscars auf MB-Basis würde man sich wirklich einige mehr wünschen ! Mit besten Sterngrüßen Sebastian
  • Sterninator

    Sterninator

    Respekt! Das ist echter Individualismus!

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