Kommentar: "Mercedes-Benz ist uncool?"

"Alles uncool, oder was?" Michael Papendieck über den Coolness-Factor "Auto mit Stern"!

Kommentar: "Mercedes-Benz ist uncool?": "Alles uncool, oder was?" Michael Papendieck über den Coolness-Factor "Auto mit Stern"!
Erstellt am 17. November 2011

"Mercedes-Benz ist uncool?", fragte und frotzelte unser Magazin vor einigen Wochen als Reaktion auf einen Bericht in der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND, die Mercedes-Benz schlicht und einfach nicht cool genug fand.

Unser Artikel zu diesem Thema "Mercedes-Benz ist uncool!" hat verschiedenste Reaktionen ausgelöst. Zum Beispiel den Kommentar von Michael Papendieck, Fotograf, STERN-Blogger und bekennender Mercedes-Fan, der sich nun fragt:

"Alles uncool, oder was?"

Uncool oder nicht? Oder doch? Diese Frage mag dem Stab an Kreativköpfen im Stuttgarter Allerheiligsten bestimmt öfter synaptisches Sodbrennen bereitet haben. Ingenieursleistung aus dem Land der Tüchtigen war früher führend, heute eher vorausgesetzte Notwendigkeit, wenn es darum geht, dem eigenen „Baby“ etwas mit auf den Weg in die Welt zu geben. Ihm ein Gesicht zu verleihen. Vor allem das, von dem man möchte, dass es beim späteren „USER“ auch so ankommt, wie man es selber gerne hätte.



Wäre da nicht Mrs. Eigendynamik, die bei einer Imagekampagne als kleiner Dämon ihre Fratze der Unberechenbarkeit an Ecken entblösst, wo keiner sie haben wollte. So kann sich Sternhausen abstrampeln wie es will, wenn die grauen Eminenzen ihre Hutablagen mit der Prinz-Heinrich-Mütze oder der Klorollen-Barbie im Glockenrock eigenmächtig updaten. Und den Geist der Zeit lassen wir am besten dabei sowieso mal ungeachtet. Denn das Stichwort „Image“ ist ja auch eher ein moderneres. Früher baute man eben Autos, die was können und was kosten. Der Gedanke, welche Aussenwirkung sie hatten, war da ein untergeordneter.



Wobei das auch irgendwie nicht ganz stimmen kann. Denn wie ist es zu erklären, dass gerade Staatskarossen stellar beschmückt waren und der Wirtschaftswunder-Speck mit einer Heckflosse chauffiert wurde?

Dem Motto „Ist der Ruf erst einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ mag man in der Hinsicht bei DER deutschen Marke schlechthin auch nicht nachgeben. Dafür ist man ja dann doch zu eitel. Und Eitelkeit ist nun genau das „Klischee“, welches man sich nicht an die stabilen Blechbacken kleben lassen möchte. Vielmehr aber noch kreist das Klischee der biederen Silberschläfen-Hämorrhidenschaukel mit eingebauter Vorfahrt oder des Reitpferd-ziehenden Bauern-Benz dem Damokles-Schwert gleich über den sternbewehrten Hauben und darüber hinaus.



„Spießigkeit auf vier Reifen“ hatte bis vor einiger Zeit einen Namen. Mercedes. Die bajuwarischen Mitbewerber um die Oberklasse müssen sich hingegen nachsagen lassen, notorische Linksspurfahrer mit permanenten Hang zur testosteron-schwangeren Geschwindigkeitsüberschreitung heraus zu mendeln. Die Vier-Ringler – gerade in der Darreichungsform „Kombi“ - gelten als Ausgeburten des termingepeitschten Aussendienstes und zeichnen sich dabei auf den Bundesautobahnen nicht gerade durch soziale Kompetenz aus.



Eine Käuferschicht im Bereich Ü-50 lässt auch nicht gerade erahnen, dass man die rollende Hollywoodschaukel im gleichen Atemzug mit Begriffen wie „Coolness“ oder „Lässigkeit“ nennen würde. Oder sogar könnte.

Erwähnte ich schon die Eigendynamik? Eigentlich wie immer, entscheidet auch hier nicht der Verkäufer über Gedeih und Verderb der „Idee“, sondern der Antagonist in dem Wechselspiel „Angebot & Nachfrage“. Sicher ein kleiner bösartiger Gedanke, wenn man mit ketzerischen Hauch versehen, behauptete, es wurde ein Trainee damit beauftragt, im Sinne der Imagepolierung, doch mal zu recherchieren, wie man jetzt „cool“ sein könnte. Gelassen bis lässig müsse es zugehen. Nonchalant bei kühler bis souveräner Selbstkontrolle und nicht nervöser Geisteshaltung. Soweit also die Theorie. Wobei man sich wahrscheinlich herzhaft amüsieren würde, wenn wild pubertierende Teenies sich über besonders positiv empfundene den Idealvorstellungen entsprechenden Sachverhalte unterhielten. Das ist eben einfach cool. Zack!

Schafft es dann eine Marke ihren Ruf auf links zu drehen? Verbiete einem Kind etwas, und es macht es genau deswegen. Sage jemanden, was er cool finden soll, und er findet es genau mal uncool. Warum aber mutieren die „Merzer“ gerade doch zum pneubewalzten Coolness-Faktor?



Säße ein Steve McQueen hinterm Lenkrad eines „German Muscle Cars“ wie dem CLS 63 AMG, wäre die Argumentation mit der Erwähnung seines Namens dann auch schon umfassend geführt. Klar soweit? Noch Fragen?

Ein Matthias Malmedie macht das dann schon ziemlich gut, wenn er mit „nicht nervöser Geisteshaltung“ - wohlwissend, was das 8-Zylinder-Unicum gleich raus husten wird – einen mit PS-Steroiden gefütterten 67´er Mustang zur „Viertel-Meile“ herausfordert.

(Wer es gerne mal selber sehen möchte : http://www.youtube.com/watch?v=rbYHN4SGbZI – und man beachte das dämonische Grinsen des Herrn am Sternenlenkrad, wenn´s losgeht!)



Wie die „Muddi“ immer sagte: „Auf´n dicken Hintern gehört auch ´ne dicke Hose!“. Allerdings würde man ja eher wieder uncool sein, ruhte man sich auf schierer Kraft und Hubraum aus. Unterstützung naht da - mal wieder - aus der Subkultur. Ein bisschen dick aufgetragen ist vielleicht der Ausspruch, dass es zur Renaissance der Weißkappen-Sänften und Handwerker-Kombis komme. Legt man aber das geneigte Ohr an den zart puckernden Puls des Gebrauchtwagenmarktes, lässt sich tatsächlich unter dem Stichwort “kommende Youngtimer“ ein Anzucken vernehmen. Vom Strich-Achter brauchen wir nicht zu sprechen. 124´er und der damals verlacht, verhöhnte und verachtete Baby-Benz mit dem asymmetrischen Spiegelkabinett gehören mittlerweile zur Avantgarde und bilden damit die Vorhut zum echten Trend.

Neben reinem snobistischem Angelsachsen-Understatement kristallisiert sich ein Lifestyle aus der Ecke der gepflegt Ungepflegten heraus. Was taugt da besser als ein angedengelter Strich-Achter mit zwei Surfbretter auf dem Dach, aus dem sich der Norwegerpulli-bewamsten Ellenbogen eines Kurt-Cobain-Verschnittes neigt. Und während der von Sylter „Atmo“ gebleichte Zottelbart die Reste des Dreisterne-Menüs im Fahrtwind verteilt, krakeelt aus dem Beckerradio von Janis Joplin „Oh, Lord, would you buy me a Mercedes Benz....“.



Cool ist nicht der Designeranzug tragende Jung-Manager, sondern der Grunge-Look tragende Anzugdesigner, der sich den 124´er Leichenwagenumbau vor die eigne Agenturtür im Schanzenviertel leistet. Oder der rothaarige Icke-Musiker, der treffend zusammenfasst, für was Benz stehen kann.

„R´n´B-Balladen pumpen aus ´nem parkenden Benz...“

Aus einem Benz. Nicht aus einem BMW. Nicht aus einem Audi oder Jaguar. Wäre auch zugegebenermassen in sich schon uncool, denn das Versmaß täte sich mehr als schwer damit. Und es hält viele musizierende junge Menschen nicht davon ab, ein „solches Fahrzeug“ lyrisch zu verwursten. Die Eagles in Hotel California, J-LO, Joseph Arthur, Stan Ridgway oder Nickelback erwähnen wohlwollend „The Benz“. Hingen in den Siebzigern abgerissene Mercedes-Sterne beim Wackersdorfer Sit-In um Palästinensertuch umwickelte Hälse als Symbol der Auflehnung gegen das Establishment, zieren heute die selben Kühlerskulpturen in mehrfacher Ausfertigung als Elefanten-Fusskettchen dicke Arrangements aus Massivgold den stolzen Nacken eines zu Geld gekommenen dunkelhäutigen Sprechgesang-Vorführers.



Man muss sich also schon wirklich anstrengen, wollte man etwas finden, das einen Benz als wirklich uncool da stehen liesse. Retro ist eh in, also packt sich der Industriedesign-Student nun mit Absicht die Klorollen-Barbie auf die Hutablage. Und nicht nur der Nostalgie-Modus punktet für die Zielkreuz-Fahrer. Der deutsche Film in Person von Kalle Grabowsky und seinem 500 SEC in GOLDMETALLIC hilft da gerne und ultracoole Obercoolness wurde Mercedes gar durch Hollywood zu teil. Denn was ist cooler als cool, wenn ein Tommy Lee Jones als Agent K aus einem blitzeblank polierten schwarzen W211 steigt, die Sonnenbrille aufsetzt und mit in Beton gemeisselter Mimik klar macht, wer die „wirklichen coolen Jungs“ im Universum sind. Wer da noch Zweifel hat, sollte sich bei „Carrus Populi“ ein massenkompatibles Transportwerkzeug bestellen. Oder?



Hier finden Sie den Artikel der Financial Times Deutschland:



"Mercedes muss wieder cool werden!"



Hier finden Sie den Beitrag von Timo Beil auf Mercedes-Fans.de



"Mercedes-Benz ist uncool!"



Fotos: Michael Papendieck, Werner Burgstaller

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