Wie steht es um Luxusstrategie und Zukunftsaussichten des Sterns?

Mercedes-Kenner: "Källenius verfolgt eine Hochrisikostrategie“

Wie steht es um Luxusstrategie und Zukunftsaussichten des Sterns?: Mercedes-Kenner: "Källenius verfolgt eine Hochrisikostrategie“
Erstellt am 13. Februar 2023

Die Luxusstrategie, die Mercedes-Chef Ola Källenius, dem Stern verordnet hat, ist sowohl im Mercedes-Fahrer- als auch im Autoexpertenlager ein Dauerthema. Ist sie ein Pfad des Glücks oder ein Irrweg? Was droht bei einem Scheitern? Dr. Willi Diez, Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen und langjähriger Leiter des renommierten Instituts für Automobilwirtschaft (IFA), warnt im Interview mit der Stuttgarter Zeitung 13.02.2023, dass Ola Källenius ein hohes Risiko eingeht. Er sei zu sehr am Beifall der Finanzmärkte orientiert und begebe sich in zu große Abhängigkeit vom chinesischen Markt. Zudem würden Electric-only-Ausrichtung und Luxusstrategie die Mercedes-Zielgruppe auf einen kleinen Kundenkreis verengen. Wehe, wenn da was schiefgeht!

Elektromobilität. Luxus. China. Das sind die drei Säulen von Källenius Hochrisikostrategie

Autoexperten gibt es viele. Prof. Dr. Willi Diez ist freilich nicht nur ein ausgewiesener Fachmann, er ist auch ein Kenner des Stuttgarter Konzerns. Von 1979 bis 1991 war er als Manager für Daimler tätig, und fungierte anschließend bis 1997 als persönlicher Berater von Helmut Werner, der von Mai 1993 bis Januar 1997 Vorstandsvorsitzender der Mercedes-Benz AG war. In seinem Buch „Verlorene Größe – Neue Horizonte. Das Ende von Daimler?“, das Anfang Januar 2022 erschien, hat Prof. Diez bereits die Neuausrichtung des Unternehmens kritisch begleitet.

So sagte er schon vor einem Jahr in einem Interview: "Im Grunde bedeutet die unter Ola Källenius eingeleitete Wende, insbesondere die strategische Ausrichtung des PKW-Geschäfts auf das Luxussegment, eine Rückkehr zum Jahr 1980. Damals hat die Marke Mercedes-Benz über eine weltweit einmalige Stellung im Automobilmarkt verfügt. Aber es ist fraglich, ob die Mercedes-Benz AG mit ihrer Rückwendung auf das Luxussegment heute zu neuer, substanzieller Größe geführt werden kann. (...) Da gibt es einige Fragezeichen. Die „Strategie in den Luxus“ erfordert eine völlige Umstellung des bisherigen, auf das Massengeschäft ausgerichteten Geschäftsmodells. Um als Luxusmarke wahrgenommen zu werden, müsste man nicht nur ausgezeichnete, qualitativ hochwertige Produkte anbieten, sondern zur Sicherstellung einer hohen Exklusivität auch die Absatzmenge begrenzen und damit möglicherweise auch Kapazitäten abbauen. Da bereits der Trend in die Elektromobilität Beschäftigung kostet, sehe ich auf die Mercedes-Benz AG da weitere Beschäftigungsprobleme zukommen. Ich bezweifele, ob die Fokussierung auf Luxusfahrzeuge durchgehalten werden kann, wenn die Absatzzahlen von Mercedes-Benz dauerhaft hinter die von BMW und Audi zurückfallen sollten.“

Im aktuellen Interview mit der Stuttgarter Zeitung präzisiert Prof. Diez seine Mahnungen. Er sagt: "Källenius fokussiert das Unternehmen sehr stark auf eine einzelne Antriebstechnologie, auf eine vergleichsweise kleine Kundengruppe, auf einen Absatzmarkt. Wenn diese einseitige Strategie aufgeht, kann das Unternehmen sehr erfolgreich sein. Sollten sich die dahinter stehenden Annahmen aber als nicht zutreffend erweisen, fehlt es an Handlungsoptionen. Dann wird es gefährlich. Källenius verfolgt somit ganz klar eine Hochrisikostrategie.“

Augen zu und durch?

Der Kurs, den Källenius fährt, sei ein unumkehrbarer - aber das Risiko ließe sich mindern. Hierfür dürfe Källenius nicht alles auf die Karte China setzen und Mut zur Technologieoffenheit wäre erforderlich. Prof. Diez: „Möglicherweise wird das Pendel, das jetzt sehr stark in Richtung Luxus und Elektromobilität ausschlägt, wieder etwas zurückschwingen. (...) Der Verbrennungsmotor, eventuell angetrieben mit synthetischen Kraftstoffen, ist noch nicht am Ende, und der Wasserstoffantrieb könnte in 10 bis 15 Jahren eine wichtige Option werden. Wer weiß schon, was bis 2030 in der Klimapolitik noch geschehen wird. Wer sich rechtzeitig für Überraschungen wappnet, Alternativen im Köcher und ein breites Angebot in verschiedenen Fahrzeugklassen hat, ist gerade in diesen Zeiten klar im Vorteil.“

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2 Kommentare

  • A.H.

    A.H.

    bez. china, e-auto & premium/hochpreisig: setzt euch mal spaßeshalber in ein auto von byd (z.bsp. atto3) und dann in eine aktuelle eq(a) klasse. was für ein verarbeitungs-unterschied! mit den e-autos aus china wird hierzulande ein qualitäts- & preiskampf entfacht werden, da wird sich noch ein mancher wundern! ;) die kunden denken dann zuletzt an mercedes :) ... das sage ich als c-klasse fanboy, nach 4 fahrzeugen. byd gemietet über sixt -> brutal gut!! so, genug werbung ^^.
  • builtforcomfort

    Builtforcomfort

    Diez irrt in einem Punkt: Auch 1980 war Mercedes-Benz keine reine Luxusmarke. Das waren die Autos mit dem auf den meisten Märkten nach dem 2. Weltkrieg nie: Taxiflotten in Deutschland, schmal motorisierte Diesel, die in Nordafrika weit mehr als ihr Gnadenbrot verdienten, enorme Stückzahlen von Mitarbeiter-Rabatt-Fahrzeugen bedienten die Breite des Marktes. Qualität, Zuverlässigkeit, geringer Verbrauch, großes Platzangebot, sehr angemessene Ersatzteilpreis, hohe Sicherheit gehörten allemal zum Markenbild wie der Luxus eines SL oder einer S-Klasse. Der gute Stern auf allen Straßen wurde getragen vom wunderbar im englischen Werbespruch "engineered like no ther car in the world" formulierten Anspruch. Und: Nutzfahrzeuge galten nicht als peinliche Stimmungskiller, sondern zahlten ebenfalls auf ein Image ein, das keine andere (Auto-)firma auf der Welt besaß.

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