Formel 1 in Bahrain

Hamilton siegt erneut, Grosjean überlebt Horror-Unfall

Formel 1 in Bahrain: Hamilton siegt erneut, Grosjean überlebt Horror-Unfall
Erstellt am 30. November 2020

Lewis Hamilton hat den Großen Preis von Bahrain gewonnen, damit seinen 95. F1-Sieg gefeiert und ist zu Recht Weltmeister. Romain Grosjean im Haas Ferrari nicht. Nach nicht einmal einer halben Rennrunde schlug der Franzose mit über 200 km/h in die Leitplanke ein, woraufhin sein Bolide diese durchschlug, zerrissen wurde und in Flammen aufging. Grosjean konnte sich fast unverletzt selbst befreien. Wer ist der größere Gewinner?

Hamilton wie immer bärenstark

Zu dem schrecklichen Unfall kommen wir später noch. Zunächst ist einmal mehr die Leistung von Lewis Hamilton zu würdigen. Dieser ließ sich auch durch die Geschehnisse beim Rennstart nicht aus der Fassung bringen und ging von der Pole Position aus direkt in Führung. Dahinter übernahm Max Verstappen die Rolle des ersten Verfolgers und konnte das ganze Rennen über milden Druck auf den amtierenden Weltmeister ausüben, ihn aber nicht wirklich in Schwierigkeiten bringen. So endete ein bis auf die Unfälle recht langweiliges Rennen mit dem mittlerweile fast üblichen Sieg von Hamilton vor Verstappen und dessen Teamkollegen Alexander Albon, der den Podiumsplatz kurz vor Ende von einem unglücklichen Sergio Perez erbte, dessen Mercedes(!)-Motor sich in einem Feuerball spektakulär verabschiedete.

Bottas mal wieder glücklos

Valtteri Bottas hingegen, der von Rang zwei ins Rennen ging, war schon nach wenigen Metern aus dem Rennen um den Sieg. Mit einem schlechten Start von der schmutzigen Seite der Fahrbahn gab er viele Gegnern die Chance, an ihm vorbei zu ziehen. Kurz nach dem Restart handelte er sich auch noch einen Reifenschaden ein und fiel weit zurück. Danach tat er sich bei der Aufholjagd wegen einer steilen Flügeleinstellung, die Topspeed kostete, schwer und kam auf Rang acht ins Ziel. Das Beispiel Bottas zeigt anschaulich, dass eben doch nicht "jeder dressierte Affe", wie es gern kolportiert wird, in einem Mercedes gewinnen kann. Was die scheinbar mühelose Leistung von Lewis Hamilton nur noch mehr in Szene setzt.

Das, was wirklich zählte

Das aber spielte gestern nur eine untergeordnete Rolle. Der schwere Unfall von Romain Grosjean steckte allen Beteiligten und wohl auch den meisten Zuschauern in den Knochen. Wir analysieren einmal, was geschehen ist.

Kurz nach dem Start kam es im Mittelfeld zum üblichen Kuddelmuddel. Grosjean kämpfte mit einigen anderen Piloten um Positionen und sah auf der Geraden eine Chance zu Überholen. Daraufhin zog er quer über die Fahrbahn, übersah den Russen Kvyat im Alpha Tauri und blieb an seinem Vorderrad hängen. Durch diesen Impuls bog der Haas-Renner quasi rechtwinklig ab und steuerte mit über 200 km/h direkt in Richtung Leitplanke. Bis dahin ein Rennunfall, wie er schon oft geschehen ist.

Viele unglückliche Umstände

Ab diesem Moment summierten sich die unglücklichen Umstände. Die dreifachen Leitplanken stehen an dieser Stelle in einem ungünstig steilen Winkel zur Strecke, weil sich kurz dahinter eine sogenannte Rettungstasche befindet, also eine Öffnung, die geschützt werden muss. Deshalb schlug Grosjean nicht in einem spitzen Winkel ein, der ihn hätte abprallen lassen, sondern rammte stumpf in die Leitplanke, weshalb sein Bolide diese durchbrach und abrupt abgebremst wurde. Durch diese Wucht wurde das immer noch 200 km/h schnelle Heck des Rennwagens einfach abgerissen, während die Front mit der Überlebenszelle und Grosjean am Steuer in der Leitplanke stecken blieb. Dadurch wurde der hinter dem Fahrer genau an der Bruchstelle liegende Tank mit über 100 Litern Benzin aufgerissen und fing sofort Feuer.

Foto: F1 TV

Viele glückliche Umstände

An dieser Stelle übernahm dann doch wieder das Glück die Regie. Grosjean wurde nicht etwa durch den unfassbar harten Aufprall - immerhin wurde das Auto von 200 auf Null km/h innerhalb von geschätzten 2 Metern abgebremst - ohnmächtig, sondern blieb bei Bewusstsein und konnte sich selbst aus dem Cockpit befreien. Dabei hatte er auch trotz der Tatsache, dass sein Bolide mitten in der Leitplanke steckte, genügend Platz. Auch konnte er seinen eingeklemmten Fuß, der durch den Aufprall hinter den Pedalen steckte, befreien, was ihn lediglich einen Schuh kostete. 

Ein weiterer glücklicher Umstand war die Anwesenheit des Medical Cars, das ausschließlich in der Startrunde für genau solche Fälle hinter dem Feld herfährt. Deren Besatzung konnte dem Franzosen sofort helfen und ihn erstversorgen. Nach jetzigem Stand hat er sich nur leichte Verbrennungen an den Händen und einige Prellungen zugezogen. Sogar über einen Start beim nächsten Rennen in nur einer Woche wird spekuliert.

Foto: F1 TV

Es gibt keine absolute Sicherheit

Dieser Unfall hat zweierlei bewiesen. Zum einen ist es unglaublich, wie sicher diese Fahrzeuge heute sind. das umstrittene Halo-System, das den Fahrerkopf schützen soll, hat Grosjean wahrscheinlich das Leben gerettet. Kaum vorstellbar, was angesichts der durchschlagenen Leitplanke ohne Halo passiert wäre. Auch dass er diesen harten Aufprall überlebte, ist nur den ganzen Sicherheitssystemen wie H.A.N.S., dem ausgefeilten Gurt/Sitz-System, der feuerfesten Fahrerausrüstung und dem extrem sicheren Monococ zu verdanken. Zudem hat die Idee des Medical Cars, das hinter dem Feld fährt, in diesem Fall seine Daseinsberechtigung bewiesen.

Auf der anderen Seite hat der Unfall aber auch schonungslos die doch noch vorhandenen Schwächen aufgezeigt. Vor allem die Leitplanken werden in der nächsten Zeit im Fokus stehen. Dieser Zwischenfall macht deutlich, dass für Formel-Fahrzeuge mit ihrer eher spitzen Front eine Leitplanke wohl nicht ideal ist. Während Touren- oder Sportwagen mit ihren Karosserien wie gewünscht abprallen und nicht zu stark abgebremst werden, kann sich ein spitzer Formel-Bolide wie gestern gesehen zwischen den Schienen durchbohren, was schlimme Folgen haben kann. Durch das gewünschte Abprallen wird nur ein Teil der Energie abgebaut, weshalb nicht so ein harter Aufprall auf den Körper wirkt. Beim Steckenbleiben wirkt sämtliche Energie schlagartig auf den Körper, was deutlich drastischere Folgen haben kann. Außerdem war die Leitplanke an dieser Stelle nicht durch Tecpro-Barriers oder wenigstens Reifenstapel geschützt. Natürlich geschah der Unfall an einer "unüblichen" Stelle, aber genau das zeigt, dass man keine hundertprozentige Sicherheit theoretisch vorberechnen kann.

Ein weiteres großes Problem war der Feuerball, der sich sofort entwickelte. Die extrem sichereren Tanks der Formel 1 verhindern mit vielen Maßnahmen normalerweise ein größeres Feuer. In diesem Fall war die Gewalt des Aufpralles augenscheinlich einfach zu groß, um die Sicherheitsblase im Tank unbeschädigt zu lassen. Das Auto wurde am schwächsten Punkt, also an der Verbindungsstelle von Monococ und Motor, auseinandergerissen, wo genau der Tank untergebracht ist. Viel ändern kann man daran wahrscheinlich nicht, aber die totale Feuersicherheit, in der man sich jahrzehntelang wähnte, dürfte nun auch Geschichte sein.

Foto: Twitter/Team Haas

Romain Grosjean jedenfalls, der die letzten Rennen seiner F1-Karriere bestreitet, dürfte den 29. November als einen zweiten Geburtstag ansehen. Diesen Unfall überlebt zu haben, ist wirklich ein Wunder.

Lewis Hamilton
Der heutige Tag ist für uns alle eine Erinnerung daran, was für ein gefährlicher Sport dies ist. Der Unfall von Romain war schockierend und ich bin dankbar dafür, dass der Halo seinen Zweck erfüllt hat. Zudem gilt der Dank dem medizinischen Personal der FIA, das sofort am Unfallort zur Stelle war. Dass Romain nach solch einem Unfall so davongekommen ist, zeigt, was für fantastische Arbeit die F1 und die FIA bei ihrem Streben nach mehr Sicherheit geleistet haben. Es war ein körperlich sehr anstrengendes Rennen. Max hat mich die gesamte Zeit angetrieben und er war heute sehr schnell. Ich hatte ein wenig mit einem rutschenden Auto zu kämpfen, aber es reichte aus, um auf die schnellen Runden von Max zu reagieren, als es darauf ankam. Nach dem Boxenstopp von Max war ich gegen Ende etwas zurückhaltend, wie es ausgehen würde, aber ich bin dem Team dankbar, weil sie durchweg die richtigen Entscheidungen bei der Strategie getroffen haben. Es ist ein richtiges Privileg, erneut solch ein Ergebnis einzufahren.
 
Valtteri Bottas
Ich bin sehr froh, dass Romain okay ist. Das ist das Wichtigste an diesem Tag und ich bin erleichtert, dass er nach so einem schweren Unfall Schlimmerem entgehen konnte. Nach dem Neustart des Rennens hatte ich einen Reifenschaden. Ich glaube nicht, dass ich eine Berührung hatte, habe aber auch keine Teile auf der Strecke liegen sehen. Deshalb bin ich mir nicht sicher, was die Ursache dafür gewesen ist. Ich versuchte, mich durch das Feld zu kämpfen, aber wir hatten einen größeren Flügel als die anderen. Dadurch war es nicht einfach, sich durch die Fahrzeug-Kette zu arbeiten. Ganz am Ende hatte ich einen weiteren Reifenschaden, aber zum Glück war das in der Safety-Car-Phase und ich verlor keine weiteren Positionen. Jetzt muss ich mir ansehen, was ich nächstes Wochenende besser machen kann. Der Streckenverlauf wird anders sein, aber ein großer Teil der Charakteristik bleibt unverändert. Entsprechend können wir definitiv viel von diesem Wochenende lernen. Hoffentlich habe ich nächste Woche dann mehr Glück.
 
Toto Wolff
Zunächst möchte ich mich bei der FIA und der F1 dafür bedanken, dass sie für diese unheimlich sicheren Rennautos gesorgt haben. Der heutige Tag hat gezeigt, dass die Einführung des Halos extrem wichtig war. Gleichzeitig möchte ich den Streckenposten sowie Dr. Ian Roberts und Alan van der Merwe danken, die Romain halfen, dem Unfall zu entkommen. Meines Wissens nach ist Romain in Ordnung und ich wünsche ihm eine schnelle Genesung. Außerdem hoffe ich, dass seine Familie okay ist, nachdem sie diese schlimmen Bilder mitansehen musste. Aus unserer Sicht war es erneut ein bittersüßes Rennen. Auf der einen Seite freue ich mich sehr für das Team und Lewis. Das Auto hatte heute eine starke Performance und das Strategie-Team war in Bestform. Leider hatte Valtteri an diesem Wochenende erneut Pech mit einem Reifenschaden. Wir müssen einen Weg finden, um seine Pechsträhne zu beenden, damit er nicht mehr von Situationen getroffen wird, die außerhalb seiner Macht liegen. Valtteri hätte in diesem Jahr einige Rennen mehr gewinnen können und es ist sehr schade, dass er stattdessen solche Resultate verzeichnen muss. Aber das macht ihn noch stärker. Jetzt muss er in den letzten beiden Rennen sein Bestes geben, um den zweiten Platz in der Weltmeisterschaft abzusichern. Ich habe keine Zweifel daran, dass er 2021 ein sehr starkes Jahr haben wird. Es tut mir auch leid für Racing Point, die ein enttäuschendes Rennen hatten. Ich bin jedoch froh, dass Lance unverletzt geblieben ist. Wir müssen erst analysieren, was am Auto von Sergio passiert ist, um sicherzustellen, dass wir solche Ausfälle in Zukunft vermeiden können.
 
Andrew Shovlin
Es war eine riesige Erleichterung, zu sehen, dass Romain okay war. Der Unfall sah schrecklich aus, aber glücklicherweise kam er sicher heraus. Es ist gut, dass die FIA alle Bereiche genau unter die Lupe nehmen wird, um zu sehen, welche Lehren sich daraus ziehen lassen. Es war auch eine gute Leistung von Alan und Ian im Medical Car sowie von allen Streckenposten - sie haben alle sehr schnell und mutig reagiert. Herzlichen Glückwunsch an Lewis. Er ist ein brillantes Rennen gefahren und hatte es geradeso unter Kontrolle. Denn der zusätzliche harte Reifensatz, den Red Bull für das Rennen zur Verfügung hatte, war ein kleiner Nachteil für uns. Der letzte Stint war schwierig, da ein Safety Car im falschen Moment des Rennens für uns sehr schwierig geworden wäre. Aber als das Safety Car dann am Ende tatsächlich herauskam, wussten wir, dass es keinen Neustart mehr geben würde. Deshalb ließen wir Lewis auf seinen alten Reifen weiterfahren. Valtteri hatte jede Menge Pech. Er kam am Start schlecht weg, was wohl an den schlechten Grip-Verhältnissen auf seinem zweiten Startplatz gelegen hat. An seinem Start selbst war offensichtlich nichts falsch. Danach zog er sich auf der ersten Runde nach dem Neustart einen Reifenschaden vorne rechts zu. Das ließ uns keine andere Wahl, als ihn zum Stopp hereinzuholen, wodurch er weit zurückfiel. Von dort war es schwierig, sich wieder nach vorne zu kämpfen. Wir hatten eindeutig einen größeren Flügel als die meisten anderen Fahrer und es war nicht einfach, schnell durch das Feld zu kommen. Als Krönung seines Tages hatte er gegen Rennende einen weiteren Reifenschaden. Entsprechend wird er sich nun auf ein weniger ereignisreiches Rennen am kommenden Wochenende freuen. Dann erwarten uns die kurze Streckenvariante und einige Bereiche, in denen wir uns noch verbessern müssen. Aber alles in allem sollte es eine interessante Herausforderung werden.

 

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