Daimler Truck zweigleisig unterwegs

Martin Daum: „Ohne Wasserstoff wird es nicht gehen“

Daimler Truck zweigleisig unterwegs: Martin Daum: „Ohne Wasserstoff wird es nicht gehen“
Erstellt am 31. Oktober 2023

Das Ziel ist klar: Auch Lastwagen und Busse müssen künftig klimaneutral unterwegs sein. Aber der Weg dahin ist es nicht: Während manche Hersteller nur auf den batterieelektrischen Antrieb setzen, ist Daimler Truck, weltweit größter Hersteller von schweren Lkw und Bussen, zweigleisig unterwegs: „Ohne Wasserstoff wird es nicht gehen“, sagt Vorstandschef Martin Daum. Nur mit Strom und Batterie kommt der klimaneutrale Truck nicht ans Ziel.

Obwohl die Daimler Truck AG erst vor zwei Wochen den Mercedes-Benz e-Actros 600 vorgestellt hat, einen Batterie-Laster mit 44 Tonnen Gewicht und 500 Kilometern elektrischer Reichweite, sieht Daum darin nicht die einzige Lösung für den künftigen Fernverkehr. Denn das Problem ist die dafür nötige Infrastruktur. Ein Lkw sei relativ einfach aufladbar, so der Manager: „100 Lkw sind schwierig,1000 sehr teuer, und für 10.000 ist es fast unmöglich, den elektrischen Strom an einer Strecke zur Verfügung zu stellen.“ Bei der Wasserstoff-Brennstoffzelle dagegen verhält es sich gerade umgekehrt. Für ein Fahrzeug eine Wasserstoffinfrastruktur aufzustellen, ist unmöglich. Für 100 Fahrzeuge ist es extrem teuer, für tausende aber möglich. „Ab 10.000 macht es richtig Spaß“, so Daum.

„Da wir aber hunderttausende Fahrzeuge in puncto Antrieb umstellen müssen, brauchen wir beides,“ sagt Martin Daum, das batterieelektrische Fahrzeug und das mit Wasserstoff betriebene. Um die schiere Unmöglichkeit des reinen E-Lkw Transportverkehrs zu verdeutlichen, greift Daum zu einem plastischen Bild: Ein Lkw lädt mit 700 kW. Ein Parkplatz an der Autobahn brauche 20 bis 30 Ladepunkte. Das ganze in beide Fahrtrichtungen. Dies entspricht dem Strombedarf einer Kleinstadt. Derzeit gibt es 71.000 Stellplätze für Lkw an deutschen Autobahnen. Diese zu elektrifizieren dürfte Jahrzehnte dauern. Der Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes hingegen sei deutlich schneller möglich.

Anders ist dies im Stadt- und Verteilerverkehr, wenn die Lkw nachts im Depot mit Strom geladen werden können, „so wie wir unsere E-Pkw zuhause laden“. Hier werde sich die Elektrifizierung schneller durchsetzen. Die 40-Tonner, die flexibel auf der Autobahn tagelang unterwegs sind oder große Baustellen anfahren, seien hingegen mit Wasserstoff besser zu betreiben.

Der CO2-Ausstoß im Lkw-Verkehr muss bis zum Jahr 2030 europaweit um 45 Prozent und bis 2040 sogar um 90 Prozent reduziert werden. So hat es die EU festgelegt. Dazu müssten aber die Rahmenbedingungen stimmen, merkt der Daimler -Truck-Chef an. Es braucht nicht nur die richtigen Produkte, also klimaneutrale Lkw, sie müssen auch zu wettbewerbsfähigen Kosten betrieben mit klimaneutralem Strom geladen werden. Wenn nur eine dieser drei Variablen fehlt, geht die ganze Rechnung nicht auf. Dazu braucht es laut Daum Energie, die günstig und CO2-frei ist: „Die Energiewende sehe ich als größere Herausforderung als die Transformation, die wir im Automobilbereich zu vollziehen haben.“

Neben dem klimaneutralen Antrieb ist das automatisierte Fahren ein weiterer Technologiewandel beim Lkw: Daimler Truck investiert in den USA zusammen mit der Tochterfirma Torc in den autonom fahrenden Lkw – auch wenn es bis zur Marktreife noch bis in die zweite Hälfte des Jahrzehnts dauern dürfte. Daum: „Das bedeutet dann, wirklich lange Strecken ohne Fahrer zurücklegen zu können. Das ist ein weiter Weg, aber wir machen sehr gute Fortschritte.“ In den USA wird die Entwicklung schneller gehen als in Europa: Zum einen braucht es für das autonome Fahren lange Strecken. Die europäischen Strecken aber sind deutlich kürzer als die in Nordamerika. Und es fehlt in Europa der einheitlich e echtsraum. Hinter jeder Landesgrenze lauert eine andere Gesetzgebung.

Deutschland und Europa müssten sich am amerikanischen IRA (Inflation Reduction Act), der die Inflation ausgleicht und Subventionen für Transformationen regelt, ein Beispiel nehmen, meint Martin Daum. Dort nämlich gilt das Gesetz: Wer am schnellsten und am leistungsfähigsten ist, der erhält den Zuschlag. Daum: „Deshalb bauen wir auch zusammen mit zwei Wettbewerbern, Accelera und Paccar, eine Batteriezellenfabrik in den USA.“

 

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