CO2-Grenzwerte machen Autobauern zusätzliche Sorgen

EU-Grenzwert-Vorgaben und drohende Strafzahlungen machen Autobauern zusätzliche Sorgen

CO2-Grenzwerte machen Autobauern zusätzliche Sorgen: EU-Grenzwert-Vorgaben und drohende Strafzahlungen  machen Autobauern zusätzliche Sorgen
Erstellt am 26. März 2020

Die Autoindustrie wird durch die Corona-Krise nicht nur in ihren Grundfesten erschüttert; einige Firmen dürften in eine finanzielle Schieflage kommen, wenn Produktion und Absatz mehrere Wochen oder gar Monate ausgesetzt werden. Für etwas Entspannung könnte die EU sorgen, wenn sie die sich 2021 / 2022 weiter verschärfenden Grenzwerte aussetzt. Die Autohersteller in Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und den anderen europäischen Staaten laufen längst im Krisenmodus. Die Produktionen sind in Europa, Süd- und Nordamerika weitgehend ausgesetzt, die Autohäuser geschlossen und die Nachfrage abgesehen von Ländern wie China und Südkorea weitgehend null. Für die Autohersteller bedeutet das Ausfälle in Milliardenhöhe und die Gefahr, feindlicher Übernahmen oder zumindest hoher Beteiligungen, weil die Aktionenkurse in den Keller gerutscht sind. Wer sich an die Finanzkrise vor rund zehn Jahren erinnert, denkt an die Teilverstaatlichungen einiger amerikanische Autobauer – ein Prinzip, was der deutsche Rettungspakt, der in den nächsten Tagen beschlossen werden soll, ausdrücklich einschließt. Wirtschaftsminister Peter Altmeier will das jedoch ausschließlich als letztes Mittel einsetzen. Der Druck auf die Autohersteller ist gewaltig. „Unser Tracker zeigt, dass diese europäischen Stillstände allein im angekündigten Zeitraum zu einer Reduzierung von über 880.000 Einheiten führen werden“, so Henner Lehne, Analyst von IHS, „Deutschland ist derzeit mit über 256.000 Einheiten am härtesten betroffen, gefolgt von Spanien mit 140.000 und Frankreich mit 100.000 Einheiten. Und selbst wenn die Produktion nur für die angekündigten Zeiträume eingestellt wird, wird die folgende Hochlaufphase der Montage weitere Auswirkungen haben.“

Um die Autohersteller in der aktuell schwierigen Phase, deren Dauer keiner abschätzen kann, nicht noch weiter zu belasten, werden die Rufe von Politik und Konzernen lauter, die ohnehin strengen CO2-Grenzwerte und die mit ihr verbundenen Strafzahlungen für eine bestimmte Dauer auszusetzen bzw. zu lockern. Seit Anfang des Jahres gelten in der Europäischen Union die neuen CO2-Grenzwerte für Autohersteller. Neue Pkw dürfen im Flottendurchschnitt nur noch maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Der Grenzwert muss zunächst von 95 Prozent der Neuwagenflotte eingehalten werden. Ab 2021 gilt das Limit dann für die gesamte Flotte. Wer mehr emittiert, muss zahlen: 95 Euro für jedes Gramm pro Auto. Zurzeit sieht es selbst ohne die Corona Krise nicht danach aus, dass dieses Ziel kurzfristig zu schaffen wäre. Immerhin geht der Trend in die richtige Richtung wie die durchschnittlichen monatlichen Emissionswerte, berechnet durch die Analysten von Jato Dynamics für das vergangene Jahr, zeigen.

Ab 2021 gibt es dann kein Zurück und jedes Auto wird in die Rechnung einbezogen. Nach Angaben von Jato Dynamics würden die meisten Hersteller dieses Ziel um 20 bis 25 Gramm pro Auto verfehlen, wenn man das aktuelle Modellportfolio zugrunde legt. Damit stehen Strafzahlungen in Milliardenhöhe im Raume – verschiedene Berechnungen gehen für die europäische Autoindustrie von 20 bis 40 Milliarden Euro aus. Das hätte selbst bei normalem Geschäftsverlauf rund die die Hälfte des Nettogewinns gekostet. Allein bei Volkswagen, dem aktuell größten Autohersteller der Welt, wären das mehrere Milliarden Euro. Die aktuell geltenden Schlupflöcher in der EU-Verordnung, die den Autobauern die Möglichkeit geben, die hohen Summen zu reduzieren, bringen durch die Corona-Krise und den realen Verkaufsstopp nicht die einkalkulierte Betrachtung. In diesem Jahr werden Elektroautos und Plug-in-Hybride doppelt auf die CO2-Bilanz angerechnet. 2021 beträgt der Faktor 1.,7 und 2022 liegt er immerhin noch bei 1,33. Außerdem werden verbrauchsreduzierende Maßnahmen in die CO2-Bilanz miteinbezogen.

Die Pandemie hat die Autoproduktion gestoppt und somit auch die von Elektroautos und Plug-In-Hybriden, die in diesem Jahr durch Rabatte und Sonderaktionen in den Markt gedrückt worden wären, um die CO2-Vorgaben schaffen zu können. Da diese Fahrzeuge ebenso wie die Verbrenner dem Produktionsstopp unterliegen und es nicht absehbar ist, wann in größeren Volumina überhaupt wieder Fahrzeuge verkauft werden können, erscheint es unwahrscheinlicher denn je, dass viele Autohersteller die Vorschriften einhalten können. Einmal mehr sind davon besonders die deutschen Premiumhersteller betroffen, die mit Marken wie Audi, BMW oder Mercedes speziell leistungsstarke und große Fahrzeuge verkaufen. Elektroautos sind in der Anschaffung nennenswert teurer als ähnlich starke Verbrennermodelle. Bei einem vergleichbaren Opel Corsa zu einem elektrischen Corsa-e liegt der Unterschied bei rund 10.000 Euro und auch ein VW ID.3 ist mit rund 35.000 Euro Kaufpreis nennenswert teurer als ein vergleichbarer VW Golf VIII. Angesichts dessen, dass viele Menschen aktuell nur Kurzarbeitergeld bekommen, viele Selbstständige und Betreiber von Gaststätten oder Geschäften während der Ausgangssperre wenig oder kein Geld verdienen, werden anstehende größere Anschaffungen wie ein Auto erst einmal deutlich nach hinten verschoben. Politiker wie der polnische Minister Janusz Kowalski fordern von der EU, sich auf die Bekämpfung des Corona Virus zu konzentrieren und den ausgerufenen „Green Deal“ hinten anzustellen. In Deutschland fordern einige Politiker, Sonderkosten auf Flugbenzin, die Durchsetzung der CO2-Grenzwerte oder die CO2-Preise auf Kraftstoff und Heizöl ebenfalls auszusetzen. „Jeder Ökonom weiß, dass Steuererhöhungen in einer Wirtschaftskrise grundfalsch sind", so FDP-Wirtschaftspolitiker Gerald Ullrich gegenüber dem Nachrichtensender N-TV, „die Einführung des CO2-Preises von 25 Euro pro Tonne ab 2021, der bis 2025 auf 55 Euro anwachsen soll, sei angesichts der Corona-Wirtschaftskrise unverantwortlich." Eine Aufschiebung soll dazu führen, Arbeitsplätze zu sichern. Der Schadstoffausstoß werde durch die Corona-Wirtschaftskrise ohnehin sinken, da täglich tausende weniger Autos fahren, Flüge gehen und das produzierende Gewerbe fährt seine Fertigungen und somit auch den Schadstoffausstoß herunter. Nach aktuellen Berechnungen könnte das zwischen 50 und 120 Millionen Tonnen weniger CO2 bedeuten. So ist sogar denkbar, dass ein Land wie Deutschland in diesem Jahr tatsächlich die ehemals angestrebten 40 Prozent weniger CO2 ausstößt wie im Bezugsjahr 1990.

Der Ausbruch der Corona Pandemie hat die Karten für die Gesellschaft ebenso völlig neu gemischt wie für die Industrie. Wenn es um die Gesamtwirtschaft und die Existenz der Konzerne im Einzelnen geht, können die strengen Verbrauchsvorschriften nur hintenanstehen – zumindest erst einmal. Wenn die einzelnen Länder ihre Bevölkerung mit milliardenschweren Hilfsprogrammen unterstützen, dürfte die Europäische Union kaum an der Einhaltung der bestehenden Vorschriften festhalten. Schließlich steht die Zukunft einer ganzen Industrie oder zumindest deren Kernkonzerne auf dem Spiel. Doch wenn es nach der Corona Krise wieder bergauf geht, darf das Thema CO2 nicht hintenanstehen. Insofern bleibt abzuwarten, ob die EU und der Bund reagieren und Strafzahlungen, verschärfte Grenzwerte und entsprechende Richtlinien zumindest einmal aussetzen, um keine Industrie zu gefährden. Ändern an den geltenden Vorschriften kann und darf sich langfristig jedoch nichts. Aber so gäbe es zum Beispiel für die Autohersteller etwas mehr Luft zum Atmen. (Bilder: Daimler (3), Maha (1)  

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