Staatskarosse wiederauferstanden: 1953 Mercedes-Benz 300 „Adenauer“ (W186)

Einer von 455: neues Leben für eine ehemalige Minister-Limousine

Staatskarosse wiederauferstanden: 1953 Mercedes-Benz 300 „Adenauer“ (W186) : Einer von 455: neues Leben für eine ehemalige Minister-Limousine
Erstellt am 27. Oktober 2011

Ein schwarzes Adenauer-Cabrio D von 1953 mit rotem Leder und Standartenträger auf den vorderen Kotflügeln, seinerzeit ausgeliefert an die Mercedes-Benz Niederlassung Berlin… doch dann verliert sich die Spur. Bei der damaligen Stadtregierung von Berlin-West hat diese Karosse mit Sicherheit nie zum Fuhrpark gehört. Der weitere Weg führt damit wohl eindeutig in Richtung Osten…

Rarer Anblick: Nur 455 Stück wurden von diesem eleganten Stern gebaut!

Dann kommt 1999 ein Torso –oder doch nur ein Haufen Schrott?- aus dem Osten nach Belgien und der importierte Mercedes Oldtimer versinkt für weitere drei Jahre im Dornröschenschlaf. Danach findet sich ein Prinz, der die Hauptfigur wieder wach küsste. Es muss ein langer Kuss gewesen sein, denn immerhin dauerte es sieben Jahre, bis der Repräsentant von einst wieder im makellosen Glanz erstrahlte. In diesem Zustand ging der Mercedes Oldtimer 2010 bei seinem jetzigen Besitzer in Dienst. Dass diesem auch weiterhin die große Welt – jetzt im Kreis hochkarätiger Senioren - offen steht, ist bei seinem imposanten Erscheinungsbild fast schon eine Selbstverständlichkeit.

Auslieferung mit oder ohne Reifen

Nur 455 Stück wurden von diesem unter der internen Bezeichnung „W 186 II 186.014“ hergestellten Fahrzeug gebaut. Am 4. Januar 1951 wurde die Vorserie aufgelegt, die Serienproduktion wurde im März 1952 aufgenommen und lief bis April 1954. Bei einem Detail der derzeitigen Verkaufspolitik lässt sich ein Schmunzeln kaum unterdrücken: Der Preis wurde alternativ mit oder ohne Bereifung ausgewiesen und zwar zu 23.700 bzw. 21.600 DM. Und diese Alternative, obwohl Reifen-Discounter damals noch nicht zur Marktszene gehörten…

Luxus pur – auch mit 115 PS

Souveränität mit 115 PS: was heute beschaulich klingt, war einst Status auf hohem Niveau!

Die M 186 I Maschine des Adenauer leistet 115 PS aus 2.996 ccm Zylinderinhalt. Zu bewegen sind damit über 1,75 Tonnen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 155 km/h, nach 18 s sind 100 km/h erreicht. Für heutige Begriffe ein eher bescheidenes Auftreten, aber selbst die damalige Oberklasse mit dem 170 S gibt sich mit 52 PS zufrieden. Wie es sich für ein seinerzeitiges Non-plus-Ultra gehört, ist der siebenfach gelagerte Sechszylinder Motor ein Muster an Laufkultur, Sitze und Stoffdach sind so aufwändig gepolstert, dass zusammen mit der Becker Nürburg-Radioanlage im Innenraum das vollkommene „Luxus Pur“-Gefühl herrscht.

Sänften-artiges Fahrgefühl

Das Fahrwerk trägt hierzu ein Übriges bei: Die vorderen Radaufhängungen mit Doppel-Querlenkern, Schraubenfedern und Drehstabstabilisator sowie die hinteren mit Doppel-Schraubenfedern und elektrisch vom Armaturenbrett zuschaltbaren Drehstabfedern lassen vergessen, dass man sich auf der Straße und nicht im Salonwagen auf Schienen bewegt. Ganz so wie gekrönte oder ungekrönte Staatsoberhäupter und die übrigen Großen der damaligen Welt es erwarteten.

Elitär und elegant

Ein Glanzstück, nicht nur im Zeitgeschmack der frühen 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, ist das äußere Erscheinungsbild. Repräsentation mit Geschlossenheit der Form, die die inneren Werte markant umgibt. Ein Bild schwäbischer Solidität, zeitlos schön, so erweckt er wie damals bei jedem neuen Auftritt höchste Aufmerksamkeit und Bewunderung. Ein Auto, das sich auch heute noch mit der Welt-Elite messen kann und das auch tut.

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Bequem und leicht zu handhaben

Diese Sicht nach vorn, ist einmalig. Und bietet wohl nur die Marke mit Stern!

Umso erstaunlicher, dass sein kleinster Wendekreis bei nur 12,5 Metern liegt. Die Kugelumlauflenkung trägt wesentlich zur Kraftersparnis beim Lenken bei. Die seinerzeit so genannte Turbobremse lässt mit ihrem Unterdruck-Bremskraftverstärker auch bei leichtestem Pedaldruck während des Verzögerns das Fahrzeuggewicht in Vergessenheit geraten. Eben ein Wagen, der für alle Passagiere, auch für den damals üblichen Chauffeur, gemacht ist.

Und was treibt ein Repräsentant damaliger höchster Ansprüche heute?

Mit dem Oldtimer-Meeting Baden-Baden, das Jahr für Jahr hochkarätige Klassiker aus der Automobilgeschichte anzieht, ist die standesgemäße Umgebung für unseren Wiedergeborenen gefunden. Hier trägt, anders als vor sechzig Jahren, der Besitzer die Chauffeursuniform auch schon einmal selbst. Und bei der Classic Gala im Schlosspark von Schwetzingen wurde das Nobelauto zweiter Sieger in der Cabrioklasse.

Obendrein kommt die Freude am Fahren nicht zu kurz. Im April 2010 ging es auf eigener Achse zu „Mercedes-Benz & Friends“ an die Côte d´Azur. Einmal mehr war der Mercedes-Oldtimer im Kreis der Großen dieser Welt zwischen Marseille, St.Tropez, Cannes, Nizza und Monaco.







Angesichts eines solch raren Stücks darf man auch verdiente Ehrungen stolz präsentieren! Gern auch in Chauffeursuniform.

Stets zu Diensten…

Auf der Jubelfeier "25 Jahre Schengener Abkommen" 2010 fuhr der Wagen - wie wahrscheinlich oft im "ersten Leben" – zur als Ministerfahrzeug im Ehrenkorso mit. So ganz lässt einen die Vergangenheit eben nie los… und man vergisst leicht, was einem zwischendurch auch alles zugestoßen sein mag.



Text: Friedrich W. Thüner

Fotos: Friedrich W.Thüner, Gerry Huberty, Archiv

Mercedes-Fans Facts

1953 Mercedes 300 Cabriolet D (W 186 II)



Antrieb: Reihensechszylinder, 2996 ccm, 115 PS bei 4600 /min; Viergang-Schaltgetriebe, Hinterradantrieb

Fahrwerk: Vorne Doppel-Querlenker und Schraubenfedern, Drehstab-Stabilisator; Hinten Pendel-Schwingachse und Doppel-Schraubenfedern, elektrisch zuschaltbare Drehstabfederung, Trommelbremsen vorn und hinten

Räder: Stahlblech-Scheibenräder, Tiefbettfelgen 5 K x 15  mit Reifen in 7,00 -15 extra (6PR) 

Karosserie: Ganzstahlkarosserie auf x-förmigem Ovalrohr-Rahmen

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