Der Rubirosa-Flügeltürer: Ein ganz besonderer Mercedes-Oldtimer

Das "Angeber-Auto": Mattgrauer 300 SL von Porfirio Rubirosa

Der Rubirosa-Flügeltürer: Ein ganz besonderer Mercedes-Oldtimer: Das "Angeber-Auto": Mattgrauer 300 SL von Porfirio Rubirosa
Erstellt am 8. Dezember 2011

„Hallo schöne Frau, Lust auf eine kleine Spritztour in meinem Mercedes-Flügeltürer?“ „Schau mir auf den Tacho, Kleines!“ Sie vermuten solche Anmachsprüche eher in einem aufgemotzten Gerät halbwüchsiger Kraftmaxe? Weit gefehlt. Der Rubirosa-Flügeltürer zahlt zweifelsfrei zur Liga der außergewöhnlichen Angeberautos. Denn Signore Rubirosa hat – vielleicht in Ermangelung der eigenen Fahrkünste – an seinem 300 SL ausschließlich den Tacho getunt! Und da sage noch einer Mercedes-Fahrer sind langweilig!

Ein prächtiger Herbst-Tag im Oktober 2011, im Rahmen einer Veranstaltung fuhren wir zum alten Kloster nach Polling/Bayern, wo heute Hans Kleissl mit seiner Firma HK Engineering jedem Mercedes 300SL – und auch anderen hochkarätigen Mercedes Modellen – in Form von aufwändigen Restaurierungen ein neues Leben verleiht. Inmitten vieler schöner Sterne erblickten wir jenen Flügeltürer, welcher unter der Baureihe W198 gelistet ist. Ohne Zweifel, das musste er sein, der mattgraue 300SL von Porfirio Rubirosa.

Im Jahr 1909 geboren als Sohn eines dominikanischen Generals, lebte Rubirosa ein Leben, wie es eigentlich nur in der Phantasie gab und gibt! Kurz und knapp beschrieben: sein „Beruf“ oder besser ausgedrückt, seine Beschäftigung nannte sich: Playboy! Er repräsentierte in den 50er Jahren die Verkörperung des Mannes. Viele bekannte Frauen, darunter Marylin Monroe, Jayne Mansfield oder Zsa Zsa Gabor, zählten zu seinen Geliebten. Dagegen nur halb so lang war die Liste seiner Ehefrauen, welche ihm ein dickes Konto und somit ein Leben abseits der Normalität ermöglichten.

Lebemann, Frauenkenner und Mercedes-Fan!

Als Mercedes 1954 den - später zum Sportwagen des Jahrhunderts gewählten - 300 SL auslieferte, musste Rubirosa einen solchen Wagen mit allen erdenklichen Extras besitzen. Rubi hatte ein paar Monate zuvor die Woolworth-Erbin Barbara Hutton geheiratet und somit finanziell versorgt. Neben dem Tausch der originalen Zeituhr im Armaturenbrett durch ein Einzelstück aus dem Hause Jäger, erhielt der Wagen eine weitere markante Änderung.

Tachomanipulation in den 50er Jahren!

Auf den ersten Blick ein normales Cockpit? Wo denken Sie hin? Schauen Sie mal auf den Tacho! Aber flugs!

Der 360 km/h-Angeber-Tacho!

Auch wenn der Flügeltürer die Tachonadel nie über die 230 km/h Skala brachte, genügte Rubi die optische Skala bis 260 km/h bei weitem nicht. Er mochte vielmehr seinen Damen etwas ganz besonderes darbieten, in dem er auf einfachste Art und Weise die Tachozahlen überklebte und somit ein Ziffernblatt bis 360 km/h präsentierte. (Klicken Sie bitte das Bild an!)

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Wir wollten es erst nicht glauben, aber der Mythos erwies sich als existent. Wie sollte es auch anders möglich sein, in einem vollsynchronisierten Viergang Schaltgetriebe bereits im 1. Gang die Tachonadel auf 200 klettern zu lassen! Den Ladys war es scheinbar egal, ein waschechter Mentor des Machismo, dieser Rubirosa. Weitere Leidenschaften waren B52-Bomber fliegen, Autorennen, das Polo-Spiel und jede Menge Partys mit Champagner. Letzteres wurde ihm 1965 unter vermutlich starker Promille in einem Ferrari zum Verhängnis – diesen Unfall überlebte der weltgrößte Playboy leider nicht. Aber seine Legende und vor allem der mattgraue Mercedes 300 SL schon.

Schicksal: Unfall im Ferrari

Aus dem Nachlass des Promi-Playboys kaufte eine Dame den Mercedes-Oldtimer zur Eigennutzung. Dann verschwand der Wagen von der Bildfläche und tauchte erst 35 Jahre später in einem Pariser Vorort auf. An dieser Stelle trat Hans Kleissl in die Geschichte, welcher anhand der Historie und des Kennzeichens „300 HK 75“ die Besonderheit des Sportwagens erkannte.

Wiedergefunden nach 35 Jahren

Der gelernte Jurist und leidenschaftliche Autosammler besaß bereits als Student mehrere Fahrzeuge. Ihm ist es zu verdanken, dass der stark in Mitleidenschaft gezogene „Playboy-SL“ wieder originalgetreu aufgebaut wurde. Zunächst musste ein kleiner Karosserieschaden an der Front behoben werden, es folgte eine Metamorphose und am Ende stand ein werksneuer 300 SL auf dem Hof von HK Engineering. Selbstverständlich blieben die charakteristischen und zugleich witzigen Details wie den überklebten Tachozahlen und der Jäger Zeituhr erhalten.

Viele Auto-Enthusiasten träumen ein Leben lang von derartigen Sportwagen. Wir durften diesem SL in die Augen schauen, ihn liebevoll betrachten und über die reizenden Kotflügel streicheln. Anschließend war es uns gestattet, die legendären Flügeltüren nach oben zu schwingen und respektvoll in die schwarzen Ledersitze zu gleiten. Einst saßen Sie hier, gewissermaßen direkt neben uns, weltumschwärmte Frauen von Leinwand und Cover der Magazine.

Wir gaben augenblicklich unserer Phantasie freien Lauf und wurden kurz darauf von einer netten Dame aus unseren Träumen gerissen und an das zu Ende führende Foto-Shooting erinnert, richtig, wir hatten ja eine Mission zu erfüllen. Eine abschließende Ausfahrt mit AIL Classic Vorstand Rolf Huber am Steuer ließ unseren Puls spürbar höher schlagen.



Text & Fotos: Patrick Meinhold

Mercedes-Fans Facts

1954 Mercedes Benz 300 SL (W198)



Antrieb: 2996 ccm Reihen-Sechszylinder mit 158 kW / 215 PS bei 5.800 U/min, obenliegende Nockenwelle mit Kettenantrieb, Bosch Direkteinspritzung, Trockensumpfschmierung, mechanische Benzinpumpe, Ölkühler; vollsynchronisiertes Viergang Schaltgetriebe mit Einscheiben-Trockenkupplung, Hinterradantrieb

Fahrwerk: Vorne Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern und Stabilisator; hinten Pendelschwingachse mit Schraubenfedern,

Bremsen: hydraulische Trommelbremsen mit Servo-Hilfe, später auf Scheibenbremsen umgerüstet,

Karosserie: Coupé mit Gitterrohrrahmen, Signatur: Sir Stirling Moss

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