Mercedes Strichacht forever

Ein Mann und sein W114 Coupé auf dem Weg zur ewigen Fahrgemeinschaft

Mercedes Strichacht forever: Ein Mann und sein W114 Coupé auf dem Weg zur ewigen Fahrgemeinschaft
Erstellt am 13. August 2012

Es gibt Männer, die sind ihrer Liebe ein Leben lang treu. Christian Richlitzki zum Beispiel ist so einer. Das erste Auto des 46-Jährigen war ein Mercedes Strichacht. Und vermutlich wird es auch das letzte sein. Sein Fahrerherz gehört der Baureihe W114/W115. Bei ihm fiel die Liebe zu Mercedes-Benz früh auf fruchtbaren Boden und sie förderte eine besonders schöne Blüte zutage: Ein begehrlich herrlich instand gesetztes Mercedes 250 Coupé Baujahr 1971.

Für immer und ewig: Mercedes W114

Den oder keinen: Anfang der 80er Jahre fasste Christian Richlitzki den Entschluss, dass ein Mercedes Strichacht sein Wegbegleiter sein sollte. Dass dieses Mercedes-Modell nicht nur als Traumwagen, sondern wegen seiner kompliziert aufgebauten Karosseriestruktur als Alptraum-Auto für Restaurierer in die Automobilgeschichte eingegangen ist, konnte ihn damals nicht schrecken. Dabei kann die Instandsetzung eines Strichacht wirklich zur Wutprobe und zum Geduldsspiel werden. Doch damals wusste Christian Richlitzki von solchem Kummer wenig, als er sich seinerzeit in die schönen Mercedes Benz Modelle, der in seinen jungen Jahren schön und zahlreich fast an jeder Ecke stand, verguckt hatte.

Heute aber weiß er um den schweren Kampf gegen den Rost und Zerfall, denn die Beschäftigung mit diesem schönen Sternthema hat ihn zum Initiierten in die Mysterien der Materie“Mercedes Strichacht“ werden lassen. Im Rückblick reuen ihn die unzähligen Stunden in der Garage freilich nicht. „Ich würde es wieder tun!“, sagt der Mann aus dem Ruhrgebiet, der sich mittlerweile auch seit Jahren in dem MB /8 Club Deutschland e.V. in vielen Funktionen und Arten engagiert.

Anti-Stressfaktor Mercedes

Indes hat sich die Mühe, die sich Christian Richlitzki mit dem W114 Coupé machte, nicht nur gelohnt, sie macht sich auch morgen noch bezahlt. Ist der Strichacht gesund, freut sich der Mensch. Ja, der picobello schicke Benz ist ein Quell der Freude und ein Oase der Entspannung: "Der Mercedes Strichacht ist einfach mein Auto“, sagt der Mercedes Coupé Chauffeur: „Ich liebe es: Reinsetzen. Losfahren. Wohlfühlen. Und die laute Welt mit Hetze, Ärger und Stress bleibt draußen vor. Herrlich!"

Am Anfang war ein Diesel

Der Strichacht, mit dem Christian Richlitzki seit über zwei Jahrzehnten eine schier unzertrennliche Fahrgemeinschaft bildet, ist nicht sein erster Mercedes-Benz von dieser Sorte. Strichachtmäßig entjungern ließ er sich schon als Führerscheinneuling von einem 250C mit Baujahr 1974. „Das Dieselaggregat dieses Mercedes war schier nicht kaputt zu kriegen“, lobt der Kaufmännische Angestellte im Bereich Marketing und Kundenservice die Unverwüstlichkeit des Selbstzünders. Nicht ganz so standhaft wie die dieselnde Kraftquelle erwies sich dagegen die infolge hoher Korrosionsanfälligkeit rieselnde, eiserne Substanz des Benz. Und so zerbröselte Richlitzkis erster Benz - trotz eines Restaurierungsversuchs - sozusagen vor seinen Augen. Da war bald nichts mehr zu machen - außer schlachten und ausweiden. Immerhin lebte sein erster Strichacht so zumindest teil(e)weise erst einmal weiter.

Aus zwei Benz wird einer

Per Zufall erfuhr Christian Richlitzki dann, dass ein bei Mercedes beschäftigter Blechspengler die Karosserie eines 71er 250 CE Strichacht Coupés fachmännisch und tadellos für ein eigenes Projekt aufbereitet hatte. Doch für das schön präparierte Kleid, welches der Mann vom Fach sachkundig sowie fix und fertig für den Einbau bzw. Aufbau vorbereitet hatte, besaß jener wegen Hobbyaufgabe plötzlich keine Verwendung mehr.

"Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt"

Der unverhoffte Fund brachte neuen Schwung in die Richlitzki-Strichacht-Beziehung. Er war die Initialzündung für ein beachtliches Projekt, das sich bis heute sehen lassen kann. Die tadellose Rohkarosse war sozusagen der Missing-Link für die Evolution eines wunderschönen Mercedes Strichacht Coupés.

Wiederauferstehung des W114 - die Jahre vergehen

Alle anderen Teile, die es brauchte, um einen neuen W114 zu kreieren, hatte der Strichacht-Enthusiast ja noch auf Lager. Eigentlich hätte es somit ja sofort losgehen können, doch gut Ding will bekanntlich manchmal Weile haben. Für die Redewendung, dass man mit seinen Aufgaben wächst, ist Christian Richlitzki ein gutes Beispiel, denn den Mercedes-Benz-Fan packte jetzt der Ehrgeiz. Den Wagen schnell mal zusammenbauen? Nee, das Naheliegende wäre zu einfach gewesen und passte auch nicht mehr zu den mittlerweile gehobene Ansprüchen an den anstehenden Strichacht-Schöpfungsakt. Jedes Teil des zerlegten Mercedes - und sei es noch so klein gewesen - wurde jetzt erst einmal mit Argusaugen sorgfältigst auf eine weitere Verwendbarkeit hin geprüft. De facto zerlegt Christian Richlitzki die geschlachteten Teile vom 250 C mit deutscher Gründlichkeit und lernte auf diese Weise das Thema Strichacht bis ins Kleinste kennen.

Großes Werk - viel Arbeit

Mit Ausnahme des Kabelbaums - so berichtet Richlitzki - habe er eigentlich jedes Teil des Benz damals überarbeitet oder wieder instandgesetzt. Auch wenn er vieles mit Geschick, Geduld und Spucke auf Vordermann bringen konnte, musste einiges an Ersatzteilen von anderer Stelle herbeigeschafft werden. Und so sah man ihn bald als häufigen Gast in der Kundendienstabteilung des örtlichen Mercedes-Benz Servicepartners, um sich für kleines Geld mit neuen Kleinteilen groß einzudecken.

Die kostspieligeren größeren Parts organisierte sich Richlitzki über die gut vernetzte Club Community von /8-Club und VDH - Verband für Daimler-Heckflossen (nicht zu verwechseln mit dem VDH - Verband für das deutsche Hundewesen). Da gab's alle Aggregate und andere Teile gebraucht oder aufbereitet als gute und günstige Ware.

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In Sachen Antriebsquelle hatte Christian Richlitzki übrigens zwischenzeitlich entschieden, den Diesel aus dem geschlachteten 250 C für die neue Karosserie, die in ihren Anfangstagen ursprünglich einen Benziner beherbergte, nicht wieder in Betrieb zu nehmen. Er wollte wie ehedem künftig mit einem 2,5-Liter Sechszylinder-Benziner in die Gänge kommen. Bei der Suche nach einem entsprechenden Triebwerk wurde er mit der 130 PS starken Vergaserversion schnell fündig.

Im Strichacht wird mit Autogas Gas gegeben

Ursprünglich bekleidete die neue Karosserie ja die Einspritzer-Version mit manueller Schaltung. Doch das eine wie das andere sollte bei diesem Strichacht- Instandsetzungsprojekt Vergangenheit bleiben. Denn zu dem Sechszylinder-Benziner, den Richlitzki sich an Land gezogen hatte, wurde ein komfortables Automatikgetriebe, das nach prima in die Gänge kam, mitgeliefert.

Der neue betagte Mercedes Motor, welcher nach einer kleineren Revision ohne größere Komplikationen bald wie Flottchen lief und seine Abgase über eine Doppelrohr-Abgasanlage des Mercedes-Modells 280/280C verdampft, wurde übrigens im Jahr 2003 auf Autogas umgestellt und kann jetzt bivalent mit Autogas und Benzin betrieben werden. Mercedes Oldtimer fahren mit Flüssiggas - warum eigentlich nicht? Ist das ein Stilbruch? Vermutlich gibt es Oldtimerfans, die bei Gasgeruch die Nase rümpfen. Dabei tut LPG den Oldies gut. weil es erstens umweltfreundlicher verbrennt und zweitens dank der hohen Oktanzahl für einen besseren Motorlauf sorgt. Die Erkenntnis ist übrigens nicht neu: In den 60er und 70er Jahren war der bivalente Betrieb von Autos in Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien schon an der Tagesordnung.

Der Wiederaufbau des /8: Viel neu macht alles gut

Zu den neuen Befindlichkeiten unterm Rock desW114 gehören ferner der Austausch von Kardanwelle und Kreuzgelenk sowie ein komplett überarbeiteter Fahrwerksbereich. "Alle Achsteile wurden ausgebaut und die Gummilager durch Neuteile ersetzt. Die Achskörper wurden sandgestrahlt und um sie gegen gegen Rostbefall zu immunisieren teilweise pulverbeschichtet." Der alten Bremsanlage mochte Richlitzki mehr mehr recht vertrauen. Sie ist damals gegen eine neuwertige Verzögerungstechnik ausgewechselt worden.

Blickfang Mercedes Strichacht Coupé

Den Kontakt zur Fahrbahn hält der Mercedes Strichacht heute mit Vorderachsfedern vom W107 sowie Monroe Loadlevelern Stoßdämpfern (Niveau) an der Hinterachse. Ins Rollen kommt das Coupé mit Lemmerz, Kronprinz Stahlfelgen in 6 x 14 ET30, auf denen 195/70er Falken-Pneus aufgezogen sind.

Wenn Christian Richlitzki mit seinem Mercedes Strichacht um die Ecke kommt, dann hat er viele Blicke auf seiner Seite. Der Grund hierfür ist nicht nur die sympathische Erscheinung des W114, welche nicht nur bei ältere Herren mit Hut, ewigen Studenten oder betagten Landwirten (die drei Hauptgruppen im Strichacht-Fahrerlager der 70/80er Jahre) Wehmut weckt, sondern auch der besonders schöne farbliche Belag der Karosserie. Was auf den ersten Blick wie schnödes Schwarz wirken mag und dem Kameraauge kaum anders als düster einzufangen gelingt, ist in Wirklichkeit ein Dunkelrotbraun 460 H Sonderlack, der in sieben Schichten auf dem Blech haftet.

Der ewige Kampf gegen den Rost

Das Kolorit mit dem schönen Schein, das je nach Lichteinfall mal rot, mal braun oder sich tatsächlich auch mal nur von der düsteren schwarzen Seite zeigt, war bis 1971 Bestandteil im Mercedes-Farbkasten für Heckflossen und 600er. Oft wurde es damals aber nicht vom Kunden gewünscht. Um so mehr kann das Coupé heute mit dieser selten zu sehenden Farbe glänzen. Apropos mehr. Auch der Unterboden ist von der Gabe dieser Farbe begünstigt worden. Die Kehrseite des Mercedes vor den zerstörerischen Folgen von Wasser, Schmutz und Steinschlag zu schützen, ist die Aufgabe einer Wachsschicht, die einmal jährlich komplett entfernt und erneut wird.

Im Innenraum des W114 sieht man rot

Die eine oder andere Umgestaltung hat auch das Interieur des W114 schon erlebt. So wurden beispielsweise mittlerweile eine Klimaanlage und eine Zentralverriegelung nachgerüstet. Die aktuelle Möblierung besteht aus einer Bestuhlung mit roten Mercedes-Tex-Kunstlederbezügen. Mit dem gleichen ins Auge springenden Stoff sind auch Türen und Innenseiten verkleidet. Keine Frage: Das Knallrot hat das besondere Etwas und passt auch gut zum Lack des Exterieurs.

Chic und Charme: Das Interieur des /8 hat Wohlfühl-Ambiente

Wer Nostalgie-Look mag, wird den Innenraum des Strichacht zweifellos lieben. Mit einem Becker Mexico Cassette-Stereo-Radio, dem optionalen Original-Drezahlmesser, der im Strichacht den Chronometer ersetzt sowie einem verchromten Hupring, den ein W108 spendete, verströmt das Interieur Glanz und Gloria einer bemerkenswerten Epoche der deutscher Autokultur.

Wärmeschutzverglasung war bei Mercedes übrigens schon damals drin. Die blaugrün eingefärbten Scheiben des Coupés stammen noch aus der Erbmasse des von Richlitzki geschlachteten Dieselmodells. Weil sich so ziemlich alle Gummis für Türen, Stoßstangen & Co, die sich im gut sortierten Teilelager befanden, aber einen Durchhänger erlaubten und zum anderen in Ehren ergraut und porös geworden waren, wurden sie durch straffe schwarze Neuware ausgetauscht. Teilweise ersetzt wurde auch der Chrom-Trimm. Die alten Zierleisten zeigte sich ermattet und waren nicht mehr Silberblick tauglich.

Unendliche Geschichte: die Instandhaltung des Mercedes-Benz Strichacht

Kinder, wie die Zeit vergeht: Die umfangreiche Rundumerneuerung mit frischer Ware ist nun auch schon wieder ein paar Jahre her. Indes sieht man es dem Mercedes-Benz nicht an, dass die ganz großen Instandsetzungsarbeiten bereits 1996/1997 zum Abschluss gekommen sind. Rund 15 Jahre später steht der W114 immer noch erstklassig da. Das Geheimnis ewiger Schönheit heißt: beständige Pflege durch Christian Richlitzki: "An dem Strichacht gibt’s immer etwas tun!“ Zum Glück kennt die Liebe zum Strichacht kein Ende. Und so wird sich der Mercedes-Enthusiast wohl noch viele Jahre seinem Coupé mit viel Hingabe(n) widmen. Umsonst sind die Liebesdienste natürlich nicht: Jede Handreichung wird vom Strichacht schließlich mit entspannendem Fahrspaß entlohnt.



Text & Fotos: Frank Ebeling

Mercedes-Fans Facts

Fahrzeugtyp: Mercedes-Benz Coupé (W114)

Baujahr: 1971

Motor: V6-Motor, Hubraum: 2496ccm, Leistung: 130 PS, Eberspächer Zweirohr-Abgasanlage des Modells 280/280C

Getriebe: Automatik

Bremsen: Scheibenbremsen rundum

Räder: Lemmerz, Kronprinz in 6 x 14 ET 30 rundum

Reifen: Falken FK07, 195/70-14H rundum

Fahrwerk: Vorderachsfedern vom W107, Hinterachse mit Monroe Loadlevelern Stoßdämpfern (Niveau) ausgerüstet

Karosserie: Lackierung in Dunkelrotbraun 460 H (Sonderlack), Zusatznebelscheinwerfer gelb Bosch Knickglas

Innenraum: Interieurbezug MB Tex rot Kunstleder

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1 Kommentar

  • Sterninator

    Sterninator

    Was für ein wunderschönes Exemplar. Tolle Farbe, herrliches Interieur. Christian hat ein Auge für die wesentlichen Details und dann als Highlight die gelben Nebelscheinwerfer! Gratulation zu diesem schönen Strichacht-Coupé!

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