Unter einem guten Stern: Vollsperrung auf der A40

Im Ruhrgebiet wird statt 48 Monaten Dauerbaustelle bei der Sanierung der Autobahn A40 alternativ auf 3 Monate Komplettsperrung gesetzt

Unter einem guten Stern: Vollsperrung auf der A40: Im Ruhrgebiet wird statt 48 Monaten Dauerbaustelle bei der Sanierung der Autobahn A40 alternativ auf 3 Monate Komplettsperrung gesetzt
Erstellt am 17. Juli 2012

Mercedes-Benz Actros 2046 auf der A40 Baustelle in Essen



Wann haben Sie zum letzten Mal im Sand gespielt? Ich gestern! Essen kommt derzeit wieder in die Schlagzeilen. Gemeint ist damit nicht die Nahrungsaufnahme. Sondern die Stadt Essen. Essen also kommt derzeit wieder in die Schlagzeilen. Nicht durch den Sport, sondern durch eine andere Art von Dauerbaustelle. Essen wird ein Thema durch eine Großbaustelle besonderer Natur. Weil die auch als „Ruhrschleichweg“ bekannte A40 an fortgeschrittener Brücken- und Tunnel-Maroditis erkrankt ist, entschloss sich die Politik zu einer Radikalmaßnahme. Die Hauptschlagader des Ruhrgebiets wurde mit Beginn der Sommerferien im Raum Essen für drei Monate komplett in beide Fahrtrichtungen gesperrt.

Ich bin mitten drin!

Die Politik hatte die Entscheidung zwischen Pest oder Cholera. Die Alternative zur dreimonatigen Schließung wäre eine voraussichtlich 48-monatige Beschränkung auf zwei oder drei Fahrspuren gewesen, mit den damit verbundenen Problematiken. Wie Dauerstaus – da sich der deutsche Autofahrer beim Einfädeln bekanntlich weder gern bevormunden noch überholen lässt – oder erhöhte Unfallrate auf beiden Seiten, Autofahrern und Bauarbeitern. Jetzt ist die A40 auf allen Spuren dicht. Für drei Monate.

Eine Besichtigung der Großbaustelle ist für den normalen Bürger nicht vorgesehen. Klar, Unfallgefahr. Also was tun? Im Schrank hängt noch eine leuchtend rote Regenjacke. Steht zwar Chevrolet Corvette drauf, aber wer liest das schon? Vom örtliche Mercedes-Händler LUEG habe ich mir einen gelben Baustellenhelm besorgt, olle Stiefel angezogen, drei Tage nicht rasiert und dann bewaffnet mit Kamera in Höhe Hauptbahnhof schnurstracks auf die Baustelle gestiefelt. „Moin, wie läuft‘s?!“

Kein Aas interessiert sich für mich. Was vielleicht auch daran liegen mag, dass scheinbar auch andere Fotografen und Journalisten zufällig an diesem Tag die gleiche Idee hatten. „Ich bin mittendrin!“ steht – als Bestandteil eines hochbezahlten Dauerkunstwerks – am Einfahrtsportal des Essener A40-Tunnels. An dieser Stelle habe ich früher immer gegrübelt, ob dies nun der Tunnel den unter ihm durchkriechenden Autofahrern zuraunzt, oder ob das die Generalerkenntnis eines jeden gescheiterten A40-Bezwingers ist, der einst hoffnungsfroh an seiner Heimstatt aufgebrochen ist, um das Ruhrgebiet zu durchqueren, oder vielleicht nur, um von Holsterhausen nach Hutrop zu gelangen, und der dann seinen Wagemut mit einem 4-stündigen Stauaufenthalt bezahlt hat, während in ihm Stauerkenntnis reift: „Ich bin mittendrin!“

Eingeschlichen und mit mürrischer Vorarbeiter-Miene: Polier Ebeling

Jetzt gilt dies zweifellos auch für mich. Mein offensichtliches Profi-Outfit – das bei selbstkritischer Betrachtung aber nicht mehr als das Outfit eines Materiefremden ist, der meint, dass das das perfekt passende Outfit sein könnte – versetzt mich in die Situation, ungehindert über die Baustelle stiefeln zu können. " Moin!" "Moin!" Dermaßen ermutigt brülle ich zu einer Gruppe Bauarbeiter rüber, die an einem Sprinter steht: „Ey, wo sind denn hier die Bagger?“ Offensichtlich habe ich die hier übliche Tonlage instinktiv getroffen, denn alle sechs winken mit dem rechten oder linken Arm in die gleiche Richtung. Richtung Huttrop also. Neben der Baumaschinenmarke CAT, einem MAN und einem VW Crafter registriere ich an dieser Stelle erst einmal, dass der gute Stern auch auf der Großbaustelle dominiert. Hier und da ein geparkter Vito oder Viano. Dazwischen immer wieder auch eine M-Klasse oder ein Mercedes-Benz GL. Letztere gehören vermutlich zu jener Gattung Baustellenangehörigen, die mit Anzug und Krawatte, gleichzeitig aber auch voll verlehmten Stiefeln und Helm, allen Baustellen dieser Welt ein Mindestmaß an Stil und Klasse mitgeben.

Ein opalgrüner Actros 2046 am Horizont

Am Horizont kann ich dann den ersten Actros erkennen. Ein 2046 BlueTec 5. Ein Allradler der Essener Firma Schlieper, offensichtlich eingebunden in eine „“Baggersituation“! Keine Ahnung, ob das ein branchenüblicher Fachbegriff ist, habe ich aber mal bei einem Baumaschinenfotografen aufgeschnappt, dessen größte Freude es war, nächtlichen Schwertransporten mit der Kamera aufzulauern.

Diese „Baggersituation“ erlaubte es, den Fahrer des Actros einmal auf jene Fragen anzusprechen, die mich seit meiner eigenen Sandkastenzeit umtreiben. „Wie viele Kilometer fahrt ihr im Baustellennahverkehr denn täglich!?“

„So zwischen 150 und 350 km“ meinte der Angesprochene freundlich, „aber das frag am besten doch mal den Herrn Jolk, das ist unser Geschäftsführer!“

Herr Karl-Heinz Jolk war auch überraschenderweise gar nicht überrascht, dass an diesem Tag die Presse so viel Interesse für die schöne Baustelle zeigte. „Unsere Lastwagen absolvieren im schweren Baustellenverkehr jährlich rund 80.000 km. Und das meistens im Einschicht-Verkehr!“ Was in der Tat schon erstaunlich ist.

Das Unternehmen Schlieper setzt in der Tat ausschließlich auf die Marke Daimler Benz! „Unser Firmengründer hat anfangs auf die Marke Krupp gebaut, ist dann aber sehr schnell auf Mercedes-Benz gewechselt und kannte von den Fahrzeugen selbst jede Spezifikation. Ich gehe da als Geschäftsführer eher mit einem etwas wirtschaftlicheren Blick ran und bin bei Mercedes-Benz geblieben. Wir hatten es auch mal mit MAN probiert, aber in der Service-Qualität ist Mercedes-Benz unschlagbar. Wir bringen bei einer Reparatur – z.B. Achsschenkel – oder dem jährlichen Service, das Auto nach der Schicht ins Nutzfahrzeugzentrum LUEG und holen den Actros morgens vor der Schicht um 5 wieder ab! Das ist unschlagbar!“, so Herr Jolk, der mir auf Nachfrage auch bestätigt, dass das Grün eine Sonderfarbe sei. „Schlieper-Grün?“ Nein, Opal-Grün. Achtzehn Actros hat Schlieper im schweren Baustellenverkehr laufen, und im Schnitt werden die Fahrzeuge nach 5 Jahren mit 400.000 km auf der Uhr ausgetauscht. Spannend fand ich in diesem Zusammenhang noch einen anderen Hinweis.

Nach 3 Monaten Vollsperrung soll der erkehr hier wieder rollen: A40-Großbaustelle

Auch die Baustellenfahrer erhalten ein Fahrer-Coaching! „Wir werten damit nicht nur den Beruf auf, schließlich vertrauen wir unseren Mitarbeitern ja ein 140.000 € teures Investitionsgut an, wir erzielen damit sogar sinnvolle Einsparungen. Seitdem wir dieses Coaching anbieten, haben wir den Durchschnittsverbrauch in den letzten drei Jahren von 47 auf 42 Liter senken können. Rechnen Sie das bei 18 Actros mit jeweils 80.000 km mal hoch. Da kommt ganz schön was zusammen. Im Kopf ist mir das zugegebenermaßen nicht gelungen, aber am Computer: 72.000 Liter pro Jahr durch Coaching eingespart. Nicht schlecht. Das heißt, sollte die Großbaustelle A40 im Zeitplan über die Bühne gehen, sparen Schliepers Fahrer in diesem Zeitraum allein rund 24.000 Liter Diesel ein. Vorausgesetzt, das A40-Projekt bleibt innerhalb der veranschlagten 3 Monate. Aber wir sind ja hier nicht in der Hauptstadt. Sondern im Ruhrgebiet. Dat wird schon!

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