Carl & Bertha Benz: Zwei Leben für einen großen Traum

Wie und wo alles begann: Mercedes-Fans.de Redakteur Mathias Ebeling auf den Spuren von Carl & Bertha Benz - und am Steuer des Patent-Motorwagens

Carl & Bertha Benz: Zwei Leben für einen großen Traum : Wie und wo alles begann: Mercedes-Fans.de Redakteur Mathias Ebeling auf den Spuren von Carl & Bertha Benz - und am Steuer des Patent-Motorwagens
Erstellt am 18. Mai 2011

Bewegte Geschichte: Mercedes-Fans.de Redakteur Mathias Ebeling durfte den Benz-Patent-Motorwagen "Probe" fahren. Man beachte den Gesichtsausdruck - sah so der fahrspaß vor 125 Jahren aus?



1886 wurde von Carl Benz das Automobil erfunden. Zwei Jahre später verhalf Carl Benz' Ehefrau Bertha der genialen Erfindung ihres Mannes mit ihrer 100 Kilometer Autofahrt von Mannheim nach Pforzheim zum Durchbruch. Erst mit der allgemeinen Anerkennung seiner Erfindung vom “pferdelosen Wagen” erfüllte sich der Lebenstraum von Carl Benz: Mobilität für alle Menschen erfahrbar zu machen. Die Forschung ist sich heute einig: Ohne Bertha Benz - ohne die starke Frau an der Seite des findigen Ingenieurs - wäre die Geschichte des Automobils anders verlaufen. Anlässlich der Vorpremiere des ARD TV-Films „Carl & Bertha“ (Ausstrahlung am 23.05.2011, ARD, 20.15 Uhr) war Mercedes-Fans.de Redakteur Mathias Ebeling von der Daimler AG eingeladen, der spannenden Frage “Wie alles begann” durch persönliches Erleben an den historischen Stätten und einer Probefahrt mit einem Nachbau des legendären Benz-Patent-Motorwagens von 1886 nachzugehen.

So seltsam es klingen mag: In mancherlei Hinsicht ist die Geschichte von der Erfindung des Automobils durch Carl Benz nicht nur eine Geschichte einer genialen Ingenieursleistung. Sie kann auch als eine Art Sozialgeschichte mit den Aspekten der Emanzipation der Frau (hier Bertha Benz) und dem Triumph des freien Geistes (Carl Benz) gesehen werden. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann die Vorgeschichte des Siegeszuges des Automobils als eine Geschichte eines Mannes und einer Frau erzählt werden, die - angetrieben von herzlicher Zuneigung und Respekt voreinander - allen gesellschaftlichen Widerständen und Zwängen zum Trotz unbeirrt ihren Traum verfolgen.

Gib niemals auf – folge deinem Stern!

Benz's erster Versuchsmotor, der "Zweitaktmotor System Benz" von 1879



Glaube. Liebe. Träume. Modernität. Dieser Vierklang ist das Thema des ARD Fernsehfilms "Carl & Bertha". Der aufwendig inszenierte Film stellt weniger die technische Seite der revolutionäre Erfindung von Carl Benz in den Mittelpunkt als mehr die menschliche. Gib niemals auf! Lebe deinen Traum – oder, wie man in der Daimler Sprache sagen könnte: "Folge deinem Stern!" Das ist die Botschaft des Films. Er ist ein Appell, an seinen Träumen und Zielen festzuhalten.

Gib niemals auf! Das freilich ist Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts leichter gesagt als getan. Carl Benz hatte viele Rückschläge – vor allem wirtschaftlicher Art - zu erleiden, bevor ihm der große Durchbruch gelang. Frau und Kinder waren in diesen Jahren nicht immer auf Rosen gebettet. Im Gegenteil. Und dennoch: Die unerschütterliche Liebe seiner Frau, ihr Glaube an seine Idee, nein, seine Mission, Mobilität für alle erfahrbar zu machen, war die Antriebsfeder des Erfinders, der ob der erlittenen Rückschläge an sich und der Welt zu zweifeln begann, weiterzumachen. Und im entscheidenden Moment war es dann sogar Bertha Benz selbst, welche einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung der Erfindung ihres Mannes leistete.

Bertha Benz: Erste Auto-Fernfahrt der Geschichte 1888

Die rund 100 Kilometer lange Fahrt der Bertha Benz mit ihren Söhnen von Mannheim nach Pforzheim war die erste Langstreckenfahrt mit einem Automobil. Diese erste Fernfahrt mit einem benzinbetriebenen Automobil war das, was man heute eine PR-Aktion nennen würde. Damit war der pferdelose Wagen quasi über Nacht bekannt geworden. Das Ereignis selbst ist eine mutige Pioniertat einer couragierten Frau zu einer Zeit, als nicht Initiative, sondern eine passive Rolle mit den drei 'K' (Kirche, Kinder, Küche) die gesellschaftlich Vorbestimmung der Frau war. Die denkwürdige Fahrt, welche man auf der seit 2008 ausgeschilderten "Bertha Benz Memorial Route" (heute hervorragend asphaltiert – damals aber nur Feldweg) selbst erfahren kann, ist gespickt mit Anekdoten und Histörchen. Bertha Benz soll sie ohne Wissen ihres Mannes „auf eigene Faust“ unternommen haben. Der Autor will hier dem TV-Film "Carl & Bertha nicht vorgreifen. All diese Geschichten, in denen u.a. Hutnadel, Strumpfband und ein Fleckenwasser namens Ligroin eine große Rolle spielen, werden darin erzählt.

Auch Helden brauchen manchmal Hilfe

Wer historisches Empfinden hat und eine gewisse Einfühlsamkeit besitzt, den wird der Film "Carl & Bertha" anrühren. Nicht zuletzt beleuchtet er den Aspekt, welcher in Anbetracht der großen und langen Schatten, welche die Erfindung des Automobils geworfen hat und noch lange werfen wird, womöglich verdunkelt worden ist. Es ist die menschliche Dimension der historischen Ereignisse. Carl Benz ist nicht nur der große Erfinder, der geniale Geist. Er ist auch Mensch. Mit Stärken und Schwächen. Oder anders ausgedrückt: Auch Helden brauchen manchmal Hilfe! Den wichtigsten und beständigsten Rückhalt fand für Carl Benz in seiner Frau Bertha.

Wo Carl & Bertha Benz wohnten

Anlässlich der in Stuttgart vom SWR gezeigten Vorpremiere des TV-Films "Carl & Bertha" war Mercedes-Fans.de zu einer Zeitreise auf den Spuren und Carl & Bertha Benz eingeladen. Der Besuch des Carl-Benz-Haus in Ladenburg, ab 1905 das Wohnhaus der Familie Benz, welches heute eine Ausstellung über das Leben und Wirken des Automobilpioniers mit Original-Werkzeugen des Erfinders beherbergt, stand ebenso auf dem Programm wie ein Abstecher in der ehemaligen Fabrik von C.Benz Söhne in Ladenburg.

Wo Carl Benz arbeitete

Der Leiter des Dr. Carl Benz Museum in Ladenburg, Winfried A. Seidel, mit Nachbau des Benz-Patent-Motorwagen



In den Fabrikhallen befindet sich das Automuseum Dr. Carl Benz. Der Leiter dieser historischen Stätte, Winfried A. Seidel, schrieb mehrere Bücher über die Anfangstage des Automobils. Als Forscher und kundiger Kenner der Frühgeschichte weiß er viel von Carl und Bertha Benz und dem berühmten Patent-Motorwagen von 1886 zu berichten.

Doch noch besser als erzählte Geschichte ist erlebte. Und tatsächlich wurde die Legende um den berühmten Patent-Motorwagen von Carl Benz in dem Moment lebendig, als ein Nachbau des ersten pferdelosen Wagens mit Verbrennungsmotor, begleitend von den kundigen Erläuterungen von Museumsleiter Seidel, ins Freie geschoben wurde. Gleich würde es soweit sein. In wenigen Augenblicken gilt es, dass weltweite erste Auto mit Verbennungsmotor selber fahren zu dürfen. Ganz viel Vorfreude und ein wenig Nervosität beginnt sich zu regen.

Die Legende lebt: Probefahrt mit dem Patent-Motorwagen

Das ist er also. Das Dreirad mit den schmalen Reifen mutet klapprig an. Aber so kann man es nur heute, 125 Jahre später, empfinden. Sportliche Kutschen waren damals so gebaut. Und der Patent-Motorwagen war zunächst nichts anderes als eine Kutsche ohne Pferd. Die wirklich geniale Erfindung, stellt ja auch nicht das Fahrgestell, sondern die Kombination mit Verbrennungsmotor, welcher die Kutsche antrieb, dar. Apropos Motor: Wie kommt der eigentlich in Gang?

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Bei dem von Carl Benz für den Patent-Motorwagen benutzten Motor handelt es sich um einen liegenden Einzylinder mit knapp 1-Liter-Hubraum und 0,75 PS. Der Kolben liegt in einer offenen Ölwanne und schmeißt bei jeder Bewegung mit der zähflüssigen schwarzen Masse um sich. Aber erst einmal muss der Motor laufen. Der Schlüssel zum Starten ist der beherzte Griff zum Schwungrad. Einmal kräftig gedreht und schon sind die Lebensgeister im Benz-Motor geweckt.

Am Anfang war ein Tuckern!

tät---pff---tät---pff : Der Motor scheint sich anfangs zu mühen. Doch dann gibt er sich einen Ruck und nach einer Feinjustierung des Gemisches per Hahn an der Sitzbank tuckert das Triebwerk gleichmäßig vor sich hin: tät-tät-tät-tät-tät. Ungefähr 400 Mal in der Minute bewegt sich der Kolben jetzt vor und zurück. Die Fahrt kann losgehen. Wie auf einen Kutschbock muss man die ledergepolsterte Sitzbank zum Patent-Motorwagen erklimmen. Oben angekommen sitzt man in luftiger Höhe.

Faszinierend: Autofahren wie zur Stunde Null

Die linke Hand umklammert den langen Hebel, mit den man den Motorwagen be- und entschleunigt. In Fahrtrichtung gedrückt nimmt das erste Auto der Welt erstaunlich schnell Tempo auf. 16 km/h sollen es in der Spitze sein. Auf dem Fahrerplatz windet es jedenfalls ganz schön . Eine Mütze wäre jetzt nicht schlecht. Weiter im Text: Drückt man den Hebel nach hinten, bremst das Fahrzeug bedächtig ab. Vorausschauendes Fahren ist bei diesem Bremsweg allemal angesagt.

Warum waren bei Carl Benz anfangs aller guten Räder drei?

Mit der rechten Hand bedient der Fahrer das Steuerrad, das eigentlich eine Kurbel ist. Die Richtungsbefehle an das Vorderrad werden per Zahnstangenlenkung übermittelt. Noch ein Wort zur Lenkung: So mancher wundert sich, dass der Patent-Motorwagen als Dreirad ins Laufen kam. Warum hatte das erste Auto nicht vier Räder? Das hat technische Gründe. Zur damaligen Zeit lenkten Kutschen, die nur über Starrachsen verfügten, mit der so genannten Drehschemellenkung, bei der die komplette Achse geschwenkt wird. Die Drehschmellenkung funktioniert auch zuverlässig - aber nur wenn das Fahrzeug gezogen wird – wie das bei Pferdekutschen der Fall ist.

Carl Benz denkt und lenkt

Der Benz Patentwagen aber wurde per Hinterradantrieb "angeschoben" und wäre per Schwenkachslenkung nicht gut zu steuern gewesen. Also entschied sich Carl Benz für eine Lösung mit einem lenkenden Einzelrad vorn. Später verbesserte Carl Benz übrigens die Lenkung entscheidend, indem er eine Erfindung machte, mit der heute noch alle Autos die Kurve kriegen: Die Achsschenkellenkung - bei der nicht die Achse, sondern nur die Räder im jeweils richtige Kreisradius (bei der Einzelradlenkung muss das außen liegende Rad einen größeren Kreisbogen beschreiben als das innere) korrekt eingeschlagen werden.

Zurück zum Patent-Motorwagen von 1886. Geradeaus rollt der Erstling mit seinem Leergewicht von etwa 270 kg von Carl Benz auf seinen schmalen Rädern im Rennradformat tadellos. Beschleunigen. Lenken. Bremsen. Schnell hat man den Bogen raus und fühlt sich als Herr der Lage und Kapitän der Straße. Was muss das vor 125 Jahren für ein erhebender Augenblick gewesen sein, mit diesem töffenden Gefährt an den erstaunten Menschen vorbeizurauschen. So etwas können nur Weltwunder bewirken. Allein das Bremsen verlangt Obacht. Die zögerlich einsetzende Verzögerung dürfte man seinerzeit freilich nicht als Mangel empfunden haben - viel Verkehr und plötzlich auftauchende Hindernisse, wie sie heute im Straßenverkehr an der Tagesordnung sind, gab es 1886 ja noch nicht.

Gewusst wer?

Unternahm Bertha Benz die erste Fernfahrt mit einem benzingbetriebenen Automobil womöglich mit dem Benz Typ III?



Noch ein Nachwort zur legendären Fahrt der Bertha Benz von Mannheim noch Pforzheim. Man weiß, dass Bertha Benz mit ihren Söhnen die Fahrt unternahm. Man kennt Tag und Fahrtzeit (ca. 12 Stunden). Aber es ist nicht genau überliefert, mit welchen Benz-Wagen Bertha die Pioniertat im August 1888 gelang. Hier streiten sich denn auch die Gelehrten. Ist Bertha Benz tatsächlich mit einem Dreirad Typ Patent-Motorwagen unterwegs gewesen, um Geschichte zu schreiben. Oder ist sie etwa mit dem Nachfolgemodell Typ III gefahren? Für letzteren Benz-Wagen gibt es gute Argumente, wie Benz-Kenner Winfried A. Seidel erläutert: „Wenn Bertha Benz mit ihren beiden Söhnen die Strecke gefahren ist, dann bot eigentlich nur der Typ IIII genügend Platz für die 100 Kilometer lange Fahrt.“

Auf den Spuren von Carl und Bertha Benz...bleibt ein Geheimnis unentdeckt

Es ist schon seltsam, dass eine eindeutige Beantwortung dieser Frage, heute nicht mehr möglich ist. Fotos existieren keine. Und auch die Lebenserinnerungen von Carl und Bertha Benz oder anderen Zeitzeugen geben darüber keinen Aufschluss. Folglich bleibt der Geschichte der Anfangstage des Automobils immer noch ein eigenes Mysterium erhalten. Und das ist eigentlich gut so.



Text: Mathias Ebeling

Fotos: Mathias Ebeling/Daimler AG

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