Big in Japan - Der begehrte Markt für europäische Oldtimer

Import/Export: Auf Klassikersuche in Japan

Big in Japan - Der begehrte Markt für europäische Oldtimer: Import/Export: Auf Klassikersuche in Japan
Erstellt am 14. November 2019

Die Klassikmärkte in Europa und den USA scheinen nahezu leergeräumt und da kommt so mancher bei der Autosuche auf die Idee, einmal einen Blick nach Japan zu werfen. Gerade Klassiker aus deutschen Landen gibt es hier in grandiosen Zuständen – das hat zumeist seinen Preis. Wir haben uns im Land der aufgehenden Sonne mal umgeschaut.

Wer in Europa einen hochwertigen Klassiker sucht, kennt das Problem bestens. Die meisten beliebten Modelle sind in einem entsprechend guten Zustand längst nicht mehr zu bekommen. Der Markt von Porsche 911, Mercedes SL, Jaguar XJ, BMW 02 oder anderen Fahrzeugen wird dominiert von Bastelkisten, deren Historie bestenfalls als schwierig zu bezeichnen ist. Die technischen Zustände sind mäßig, die Autos verrostet, verheimlichen Unfallschäden oder haben zurückgedrehte Tachos. Das haben wir alles schon selbst erlebt.

Wer das beste will, sollte Geld in die Hand nehmen

Wer da einen Klassiker sucht, bei dem man später nicht teuer draufzahlen muss, der sollte sich auskennen. Und das hat seinen Preis, denn wirklich gepflegte Oldtimer mit einer lückenlosen Historie und einem entsprechenden Pflegezustand sind teuer. Sie sind nach wie vor begehrter denn je und ihre Preise sind nicht derart unter Druck wie von überzeichneten Sportwagen oder Klassikern, die keine echten Raritäten sind, deren Werte in den letzten Jahren jedoch von dem Klassiktrend aufgeblasen wurden.

Lance hat es gewagt: Ein SL aus Amerika

Lance David Arnold auf der Suche nach einem „Auto mit Charakter“ California Love! Mercedes-Benz 450 SL als US-Import Abenteuer USA. Rennfahrer und TV-Moderator Lance David Arnold begibt sich auf die Reise um in Los Angeles, Kalifornien seinen „Traumstern“ zu finden.

In den USA sieht die Lage etwas anders aus. Die Küstenregionen sind jedoch zunehmend leergefegt. Gepflegte Sportwagen oder Luxuslimousinen aus Europa sind in Kalifornien, Florida oder dem finanzstarken Großraum New York / Boston kaum mehr zu finden. So weichen viele Klassikfans mittlerweile in die sonnige Wüste aus. Nevada, Arizona oder New Mexiko haben noch die ein oder andere Preziose, der insbesondere die Hitze zugesetzt hat. Der Lack ist oftmals runter, das Leder im Innenraum austauschwürdig und die Motoren haben oftmals schon ein paar hunderttausend Meilen auf dem Tacho. Immerhin werden die Kilometerzähler in den USA nicht derart schamlos zurückgedreht wie in Europa, doch hereinstecken muss man einiges, wenn der Porsche, Alfa Romeo, Mercedes, Jaguar oder Range Rover wieder eindrucksvoll in der heimischen Einfahrt stehen soll.

Japaner achten peinlichst genau auf ihr Auto?

Wer auf der Suche nach einem hochwertigen Klassiker ist, kommt um Japan mittlerweile kaum mehr herum. Der größte Vorteil ist dabei, dass die Japaner zumeist peinlichst genau auf die eigenen Autos achten. Verbastelt sind hier allenfalls Sportler wie ein BMW Z3 / Z4, Honda Civic, Toyota Supra, Subaru WRX oder die besonders beliebten Nissan Skyline GTR. Modelle aus deutschen Landen in beeindruckenden Qualitäten gibt es aktuell noch wie Sand am Meer. Immer mehr Händler – gerade im Großraum Tokio – haben sich dabei auf deutsche Klassiker spezialisiert. Die größten Begehrlichkeiten wecken dabei Modelle wie Porsche 911, Mercedes S-Klasse / SL und M-Modelle aus dem Hause BMW.

Gefragt: W126, 107er SL sowie sportliche W124

Mercedes hat das ganze vor gut zwei Jahren als Geschäftsmodell erkannt und nahe der Sternen-Niederlassung in Shinagawa, unweit des japanischen Disneyland, einen eigenen Klassikbereich erschaffen und die Modelle des All Time Stars somit von Stuttgart nach Japan gebracht. Wer einen Klassiker der All Time Stars will, kauft offiziell bei Mercedes inklusiv Garantie. Die Qualität der Modelle im lokalen Klassikcenter ist entsprechend. „Die meisten unserer Kunden fahren bereits einen aktuellen Mercedes und sind auch der Suche nach einem historischen Modell mit Charakter, um sich aus der Masse abzuheben“, erzählt Mercedes-Klassik-Experte Daisuke Nakayama, „besonders beliebt sind bei uns die S-Klasse der Baureihe W126, die 107er SL sowie sportliche W124.“ Im Erdgeschoss wird man dann gleich einmal von einem Klassik-Quintett empfangen, dass den meisten Mercedes-Fans feuchte Hände bereiten dürfte. So präsentieren sich hier ein rotes Mercedes E 320 Cabrio, ein schwarzer 190 E 2.3-16, zwei W124 der Modelle 300 E und 500 E sowie ein silberner Mercedes 560 SL. Alle Modelle befinden sich im absoluten Topzustand.

Ein ganz besonderer W126?

„Oben haben wir gerade eine ganz besondere S-Klasse der Baureihe W126“, macht einen Daisuke Nakayama neugierig. Und der große Auftritt ist dabei nicht der weiße Mercedes 560 SEL aus dem Baujahr 1991, der gerade auf der Hebebühne im ersten Geschoss einer gründlichen Kontrolle unterzogen ist. Mit dem Lastenaufzug geht es hinauf ins Obergeschoss, wo sich eine ganze Reihe von Klassikern befinden. Schick anzuschauen dabei das Doppelpack zweier Mercedes 450 SEL 6.9 – einer in grün und einer in silber – aus den Baujahren 1975 und 1978.

Alles was das Herz begehrt

Dann ein paar 107er, 126 und ein schicker Flachkühler. Star des Angebots ist jedoch ein roter Mercedes 560 SEL in markigem rot. „Dafür sorgt nicht nur die Lackierung in signalrot, die hier in Japan nur 17 Mal ausgeliefert wurde“, erklärt Klassikexperte Daisuke Nakayama, „sondern insbesondere die extrem geringe Laufleistung. Der Wagen aus Ende 1991 hat gerade einmal 478 Kilometer gelaufen.“

Wie neu! W126 SEL mit nur 478 Kilometern

Nur 478 Kilometer: Mercedes-Benz 560 SEL (W126) von 1991 Wenn Brandmeister träumen! So eine S-Klasse gibt es wohl nur einmal auf der Welt. Der signalrote 560 SEL steht in Tokio zum Verkauf – er hat gerade einmal 478 Kilometer gelaufen

Keine Überraschung, dass sich die Luxuslimousine der Baureihe W126 optisch wie technisch im Neuzustand befindet. Derzeit werden einige Leitungen ausgetauscht und Flüssigkeiten gewechselt. Neue Reifen, ein paar Detailarbeiten und die einzigartige Mercedes S-Klasse geht beim japanischen Mercedes-Händler in den Klassikverkauf. „Der Preis dürfte etwa bei umgerechnet 100.000 Euro liegen“, erläutert Niederlassungsleiter Atsushi Osamura, Leiter der All Time Stars Stern Shinagawa, „die Außenfarbe macht das Ganze dabei besonders ungewöhnlich.“

Über den Tellerrand geschaut: Porsche ist gefragt!

Wir wagen mal den Blick über den Tellerrand und schauen wie die Lage bei den Kollegen aus Zuffenhausen ist. Derart geringe Laufleistungen sucht man bei den Porsche-Experten den Garage 911 in Toyokawa Ciry vergeblich. Doch in der Außenstelle Setagaya City, einem westlichen Stadtteil von Tokio, haben ihre verschiedenen 911er-Generationen deutlich geringere Laufleistungen auf dem Zähler als in den USA oder Europa. Der Grund liegt auf der Hand: die Modelle stehen hier in Japan deutlich mehr im Stau, als dass sie fahren oder gar lange Strecken zurücklegen. Daher muss man bei der Oldtimersuche aufpassen, wie es mit Standschäden, Bremsen, Motorhitze und der Bordelektronik aussieht, da die Leitungen oft eine gefährliche Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit aushalten mussten. Jedoch sind die Fahrzeuge zumeist vorbildlich gewartet, sind gepflegt und haben eine perfekte Historie.

Ein klassischer Porsche für über 100.000€

Das lassen sich die Klassikexperten von der Garage 911 entsprechend bezahlen. Der silberne Porsche 911 der Baureihe 993 aus dem Jahre 1997 mit gerade einmal 17.000 Kilometern und Tiptronic kostet stattliche 12.240.000 Yen, umgerechnet 101.000 Euro. Der Preis ist netto und so kauft man in Japan, wenn man den Wagen ausführen will. Auf dem Weg in die eigene europäische Garage kommen der rund 1.800 Euro teure Container, sowie die deutsche Mehrwertsteuer und ein entsprechender Einfuhrzoll hinzu, der sich nach dem Baujahr richtet. Ein günstiges Vergnügen ist der silberne 993 damit ebenso wenig wie der rote Porsche 964, der in dem winzigen Ausstellungsraum daneben parkt. Er hat mit seinem vorbildlich grauen Interieur 37.000 Kilometer gelaufen und kostet 8.050.000 Yen. Auch der gelbe 993 (6.630.000 Yen) und der silberne 964 (7.950.000) sind alles andere als Schnäppchen.

Alles andere als günstig: Porsche in Japan

Ein paar Kilometer weiter bei den Klassikexperten von Prestige Porsche ebenfalls in Setagaya City sieht die Lage kaum anders aus. Im Verkaufsraum stehen nur zwei Porsche 993 in gelb und weiß. „Unsere anderen Autos stehen zwei Minuten entfernt auf einem Parkplatz“, lächelt der junge Verkaufsleiter Toshimi und setzt sich mit einem schnellen Schwung hinten ins Auto. Aus den zwei Minuten werden in dem engen Wohngebiet derer fünf und an einer unscheinbaren Ecke präsentiert sich neben seelenlosen Wohnquadern auf einmal ein stattliches 911er-Panoptikum. Rund 30 historische Porsche – vom brauen G-Modell bis zum 997 4S stehen hier dicht an dicht. Auf dem Areal parken allein vier Porsche 930 Turbo 3.3 und zwei Porsche 964 Turbo – alles ohne Preisschild.

Wer Gutes sucht, sollte in Japan Urlaub machen!

Der grüne Classic Mini und ein getunten Toyota Supra wirken in dem 911er-Paket wie Spielzeuge. Die Frage nach den einzelnen Preisen der Modelle wird wie aus der Pistole geschossen ebenso exakt beantwortet wie Ausstattung, Baujahr und Detailinformationen. „Gefragt sind hier zumeist nur die 911er – insbesondere die Lüftkühler“, sagt Verkaufsleiter Toshimi, „andere Modelle haben wir kaum.“ Die Pflegezustände sind auch hier ebenso beeindruckend wie das Portfolio an sich – die Preise leider auch. Doch wer einen guten Porsche 911 oder einen exzellenten Mercedes 560 SEL sucht, sollte über einen Kurztrip nach Japan nachdenken. Denn schließlich hat das Land weit mehr als nur beeindruckend gepflegte Klassiker zu bieten. Doch gerade die sollte man sich auf jeden Fall einmal anschauen.

Die Fotogalerie zu unserem Japan-Trip

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