Mercedes 280 SL Pagode: In Würde altern...

...oder Liebe zum Stern über drei Generationen Text & Fotos: Friedrich W. Thüner

Mercedes 280 SL Pagode: In Würde altern...: ...oder Liebe zum Stern über drei Generationen
Text & Fotos: Friedrich W. Thüner
Erstellt am 29. August 2013

Seit 50 Jahren auf der Straße, zunächst als 230 SL im März 1963 auf dem Genfer Salon vorgestellt, so begann die Geschichte des W 113. Die an asiatische Tempelbauten erinnernde Dachform seines Hardtops gab ihm seinen Namen. Allerdings wurde diese Form von Bela Barenyi zur Erhöhung der Stabilität und damit der Unfallsicherheit entwickelt. Ist nun der neue 230 SL ein Zwitter zwischen Er (der Sportwagen) und Sie (die Pagode)?



Gleich im ersten Baujahr, schon im August 1963, machte das Auto mit einem sportlichen Paukenschlag auf sich aufmerksam. Eugen Böhringer und Klaus Kaiser gewannen mit ihm nach 92stündiger Nonstop Materialschlacht die Rallye Spa-Sofia- Lüttich. Top- Figur und sportliches Herz, das war der neue SL…

Dritter im Bunde: Der Mercedes-Benz 280 SL folgte auf 230 SL und 250 SL

Seine direkten Vorfahren waren der 300 SL und der 190 SL. Also auch hier eine Mischung aus absoluter Sportlichkeit und Boulevard-Chic. Bei der während seiner Entwicklung diskutierten Motorenauswahl waren sowohl der M 121 Vierzylinder des 190 SL als auch der Alumotor mit Direkteinspritzung des 300 SL im Gespräch, bevor die Entscheidung für den M127 fiel. Das Aggregat stammte aus der W 111 Limousine. Es wurde von ursprünglich 2,2 auf 2,3 Liter aufgebohrt und erhielt eine Sechsstempel-Einspritzpumpe mit zwei Dreifachverteilern. So kam er als M 127 II auf 150 PS und stellte die sportlichen Fahrleistungen mit 200 km/h in der Spitze und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 9,7 Sekundenn sicher. Dies sind die Daten der Variante mit Stoffdach, mit Pagodendach fielen diese Werte etwas geringer aus. Reinhard Seiffert von Auto Motor und Sport bescheinigte in seinem Test dem Mercedes 230 SL für seine Leistungen echte Sportwagenwerte, bemängelte allerdings relativ kurze Übersetzungen in den unteren Gängen. Dadurch wurde bei zügiger Fahrweise häufiges Schalten notwendig.

Unterwegs mit Zelt, Spirituskocher und Kochtopf

Im sportlichen Wettbewerb waren solche Bedenken jedoch offenbar obsolet (siehe oben). Dabei war der Einsatz bei Spa-Sofia-Lüttich im damaligen Daimler-Benz Vorstand nicht unumstritten, gab es doch Befürchtungen, mit dem gerade erst vorgestellten und seit Mitte des Jahres ausgelieferten Wagen zu verlieren und so sein Image zu schädigen. Den Ausschlag gab Professor Nallinger als technisches Vorstandsmitglied, der die Fahrzeugwahl auf seine Kappe nahm.

Ausgestattet mit einem verstärkten Fahrwerk, härteren Federn und Stoßdämpfern, einem Ölkühler und einem überarbeiteten Zylinderkopf sowie Kolben mit dem größten Übermaß fuhr der rote Renner mit der Startnummer 39 der Konkurrenz, zu der auch Erik Carlsson mit seinem Saab gehörte, auf und davon. Für die Härte der 92 Stunden spricht, dass von 119 gestarteten Fahrzeugen nur 20 das Ziel in Lüttich erreichten. Allein das Erstellen ihres “Gebetbuchs“ war für Eugen Böhringer und Klaus Kaiser ein Abenteuer für sich: 18 Tage waren sie dazu mit Zelt, Spirituskocher und Kochtopf im jugoslawischen Karstgebirge und in den italienischen Alpen unterwegs, um nur ja später keine Überraschung zu erleben.

Amerikanischer Traum: Mercedes Pagode wurde ein Erfolg in den USA!

All das ist am 31. August fünfzig Jahre her. Auf den Triumph folgten Wermutstropfen in Form immer wieder auftretender Kolbenfresser an den Zylindern 1 und 2. Dem Markterfolg, insbesondere in den USA, tat dies jedoch offenbar keinen Abbruch. Allein nach dorthin gingen 1965 35% des Gesamtexports. Um diesen Erfolg nicht zu gefährden, wurden bis zur Modellumstellung zu Beginn 1967 alle Ankündigungen unterlassen, den in der Baureihe W 108 eingesetzten 2,5 Liter Motor M 129 modifiziert zu übernehmen. Immerhin wurden bis zum Auslaufen des 230 SL 19 832 Einheiten gebaut.



Es folgte der 250 SL mit Scheibenbremsen auch für die Hinterachse und größeren Bremsscheiben vorn sowie dem Motor M 129 II. Neu war die Variante “California“ ohne Verdeck und Verdeckkasten. Auch der Block der neuen Maschine war wie beim Vorgänger paarweise zusammengegossen. Die Kurbelwelle war jetzt siebenfach gelagert. Die Maximalleistung blieb bei 150 PS, das maximale Drehmoment wuchs um 10%. Bedingt durch sein erhöhtes Gewicht war der 250 SL gegenüber seinem Vorgänger kein leistungsmäßiger Fortschritt, auch blieb der Motor weiterhin anfällig. Folgerichtig wurde der 250 SL nach nicht einmal einem vollen Jahr Produktionszeit und 5196 gebauten Einheiten durch den 280 SL mit dem Motor M 130 abgelöst.

Bei ihm waren die Zylinder nicht mehr paarweise, sondern gleichmäßig zusammengegossen. Die Maximalleistung stieg gegenüner dem 230/250 SL auf 170 PS bei 5750 U/min, das maximale Drehmoment um weitere 10 %. Die Höchstgeschwindigkeit blieb gegenüber den Vorgängern unverändert, die Beschleunigung von 0 auf 100 Km/h lag bei 9 Sekunden (Schaltgetriebe).

Rare Pagode aus 1. Hand

Einer der Ersten dieser Weiterentwicklung gehört heute Matthias Hilgering, ein 280 SL Automatc, erstmalig zugelassen am 23.April 1968. Das Fahrzeug stammt aus erster Hand. Es hatte bei 90 000 km einen Werks-Austauschmotor erhalten und war beim Kauf im Jahr 2001 102 000 km gelaufen. Inzwischen zeigt der Tacho 155 302 km an.

Hui: ein Becker Mexico Cassette

Wie es sich bei einem Mercedes-Benz mit dieser Laufleistung gehört, ist das Fahrzeug absolut rostfrei und ungeschweißt. Auch die Innenausstattung einschließlich der schwarzen Lederpolsterung befindet sich noch im Originalzustand, Lediglich die ursprünglichen Barockfelgen hat Matthias auf Stahlfelgen mit Radkappen umgerüstet. Sebst das Becker Mexico Cassette Radio tut seinen Dienst wie eh und je. Rundum ein automobiles Schmuckstück, das seine Patina in Würde trägt. Ganz eine “Sie“, die es bei ihrem gepflegten Äußeren nicht nötig hat, erste Falten zu verbergen. Zum Bedauern von Matthias hatte lediglich der Lack auf zwei Auf-Achse Touren nach Andalusien durch Steinschlag so stark gelitten, dass eine Rundum-Neulackierung notwendig wurde, natürlich im Originalfarbton DB 383.

Der Bonbon-Fabrikant und sein dicker Hals...

Die Erstbestitzerin war Carmen Seldan, Ehefrau des Unternehmers Dr. Seldan, Fabrikant der EMEUKAL Hustenbonbons. "Als ich vor der anstehenden Neulackierung bei der Vorbesitzerin den Originalfarbton erfragen wollte, erfuhr ich, dass diese inzwischen verstorben sei", berichtet Matthias. "Der noch lebende Dr. Seldan, mit dem ich telefonierte", so Mathias weiter, "konnte nicht glauben, dass der Wagen inzwischen mir gehörte." Er hatte ihn in der Garage seines Anwesens in Bayern vermutet. Erst durch das Telefonat erfuhr er, dass, ohne sein Wissen, sein Sohn das Auto an Auto Becker in Düsseldorf, damals dort "Die Adresse für besondere Fahrzeuge", zum Verkauf gegeben hatte. Gottseidank blieb Matthias von anschließenden Diskussionen in der Familie Seldan unbehelligt und genießt seinen „Stern mit Geschichte“.

Über 3 Generationen: Begeisterung für den guten Stern

Schließlich bin ich, erzählt Matthias zum Schluß, hinsichtlich alter Sterne erblich vorbelastet. Mein Vater ist stolzer Besitzer eines 170 SV von 1953, ein Wagen, der mehrfach als bestrestauriertes Fahrzeug beim Jahrestreffen des Mercedes- Benz Veteranen Clubs ausgezeichnet wurde. Daneben bewegt er auch noch etwas Moderneres, nämlich einen 219 Ponton von 1957. Auch meinen kleinen Sohn schien neulich die Oldtimerei mit Stern bereits in Beschlag genommen zu haben als er in der offenen Pagode neben mir durch die Stadt fuhr und Passanten laut verkündete: “Ich fahre Oldtimer!“

Also dann weiter so, Familie Hilgering! Vielleicht sieht man sich am 31.8/1.9. bei den Schönen Sternen in Hattingen?

Technische Daten: Mercedes-Benz 280 SL von 1968

Baureihe: W 113

Fahrzeugtyp: 280 SL

Baujahr: 1968

Motor: 6 Zyl. / Reihe, Hubraum: 2778 ccm; Leistung: 170 PS bei 5750 U/min

Sonderausstattung: 4-Gang-Automatikgetriebe, Servolenkung, Sicherheitsgurte vorn, Notsitzbank hinten

Bremsen: Zweikreis- Servobremssystem, Scheibenbremsen vorn und hinten

Räder: Stahlfelgen 6HX14 mit verchromten Radkappen und Zierringen

Reifen: Michelin 185 HR14

Fahrwerk: Vorn: Doppel-Querlenker mit Schraubenfedern und Drehstabstabilisator. Hinten: Eingelenk-Pendelachse mit Ausgleichsfeder, Schraubenfedern

Karosserie: Selbsttragende Sicherheits-Ganzstahlkarosserie auf Rahmenbodenanlage

Innenraum: Leder schwarz, Radio Becker Mexico Cassette

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1 Kommentar

  • Hurrycan

    Hurrycan

    Schöner Wagen...aber die Erstbesitzer heissen SOLDAN ...;), trotzdem viel Spaß

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