Das „Volkswagen-Projekt geht weiter: Mercedes-Benz 170 H (Baureihe W 28, 1936 bis 1939)

Der kleine Mercedes kommt jetzt offiziell mit „H“ - „H“ wie „Heckmotor“

Das „Volkswagen-Projekt geht weiter: Mercedes-Benz 170 H (Baureihe W 28, 1936 bis 1939): Der kleine Mercedes kommt jetzt offiziell mit „H“ - „H“ wie „Heckmotor“
Erstellt am 5. Oktober 2012

Das Projekt Volkswagen begann schon in den 1920er Jahren, als man bei der Daimler AG erkannte, dass man die Modellpalette nach unten hin abrunden musste. Kein Geringerer als Ferdinand Porsche hatte damals die ersten Entwürfe zu einem kleinen Mercedes-Benz gemacht, der von Porsches Nachfolger Hans Nibel weiterentwickelt wurde und schließlich im Jahr 1931 als 170 auf den Markt kam.



Im Bild: Mercedes-Benz 170 H, Baureihe W 28, 1936 bis 1939, Mercedes-Benz 130, Baureihe W 23, 1934 bis 1936 und Mercedes-Benz 150 Sport-Roadster, Baureihe W 30, 1934 bis 1936 (von vorne nach hinten).

Der neue, kleine Mercedes-Benz mit Heckmotor ist ein mutiger Schritt nach vorn. Er folgt einem umfassenden innovativen Konzept und gibt der Automobilwelt der 1930er Jahre wichtige Impulse. Im Februar 1936 debütiert auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin der Mercedes-Benz 170 H (W 28, vorne), der den Mercedes-Benz 130 (Baureihe W 23, 1934 bis 1936, hinten) ablöst, zusammen mit dem Parallelmodell Typ 170 V (W 136). Offiziell wird nun das „H“ für „Heckmotor“ in der Typenbezeichnung verwendet; dieses Unterscheidungsmerkmal ist erforderlich zur Abgrenzung des Heckmotorwagens vom hubraumgleichen Typ 170 V mit vorn eingebautem Motor. Der grundsätzlich zweitürige Typ 170 H ist wie sein Vorgänger als Limousine und Cabrio-Limousine lieferbar. Ein offener Tourenwagen wird nicht angeboten.

Die beiden Baureihen sind bis kurz vor ihrer Vorstellung noch als 1,6-Liter-Wagen entwickelt worden sind und haben erst kurz vor Serienanlauf noch eine Hubraumerhöhung erhalten. So werden noch auf den Ausstellungen in London und Paris 1935 sowie in Berlin im März 1936 die Fahrzeuge der Baureihe W 136 für Berlin als solche mit 1,6-Liter-Motor bezeichnet. Die Hubraumerweiterung von 1598 Kubikzentimeter auf 1697 Kubikzentimeter wurde durch eine größere Bohrung von 72 Millimeter auf 73,5 Millimeter erreicht. Anstelle der Kurbelwelle mit 98 Millimeter Hub eine mit 100 Millimeter Hub einbaut.

Der Vierzylindermotor des Typ 170 H entwickelt eine Leistung von 28 kW bei 3400 U/min und bringt das Auto auf eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Hierzu trägt neben der Karosseriegestaltung auch das geringere Fahrzeuggewicht aufgrund des kompakten Antriebsblocks und der nicht benötigten Kardanwelle bei, zugleich verbunden mit geringeren Kraftübertragunsverlusten. Das Fahrzeug hat im Unterschied zum Typ 170 V mit seinem Viergang-Getriebe ein Dreigang-Getriebe mit zuschaltbarem Schnellgang.

Das weitere technische Konzept des Zentralrohrrahmens mit der hinteren Gabelung zur Aufnahme des Heckmotors entspricht grundsätzlich dem des Typ 130. Die prinzipielle Tendenz zum Übersteuern ist nach wie vor vorhanden, aber durch eine sorgfältige Fahrwerkabstimmung deutlich gemindert. Vom Typ 170 V unterscheidet sich der Typ 170 H nicht nur durch seine avantgardistischer wirkende Karosserie, er bietet auch bessere Fahrleistungen und aufgrund des hinten liegenden Motors ein geringeres Motorgeräusch.

Das Design polarisiert

Der Typ 170 H hat gegenüber dem Typ 130 eine deutlich gefälligere Karosserieform, diesmal jedoch mit einem aufgelegten Mercedes-Stern, und zwar ohne Umrandung. Als das Fahrzeug auf der IAMA der Öffentlichkeit vorgestellt wird, ist das Aussehen nach wie vor ein Diskussionsthema. Stellt man die Typen 170 V und 170 H nebeneinander, dann wirkt der Frontmotorwagen in heutiger Betrachtung plötzlich wesentlich antiquierter als der immer noch erstaunlich frisch erscheinende Heckmotorwagen.

Obwohl außen kompakter, bietet der Typ 170 H im Innenraum mehr Platz als der Typ 170 V. Die Sicht nach vorn lässt durch den Wegfall der Motorhaube durchaus Anklänge an heutige Fahrzeuge zu. Die Gepäckunterbringung ist gegenüber dem Typ 130 verbessert, aber immer noch kompromissbeladen, denn man muss die Koffer über die Rückenlehne der Fondsitzbank heben, um sie im Kofferraum zu deponieren. Aber das ist beim Frontmotor-Paralleltyp 170 V genauso – der von außen zugängliche Kofferraum wird in dieser Fahrzeugkategorie erst nach dem Zweiten Weltkrieg kommen.

Überzeugender Federungs- und Geräuschkomfort

Überzeugen kann der Typ 170 H selbst heutige Fahrer und Mitfahrer immer noch mit seinem beachtlichen Federungs- und Geräuschkomfort sowie einer serienmäßigen Warmluftheizung. Diese Heizung ist ein Nebenprodukt der vom Typ 150 übernommenen Pressluftkühlung. Hier drückt ein vom Motor angetriebenes „Turbogebläse“ Luft durch einen kleinen Wasserkühler. Ein Teil der angesaugten Luft wird sowohl über den gekapselten Auspuffkrümmer als auch über den Schalldämpfer geleitet. Die erhitzte Luft wird dann in den Innenraum geführt. Die Heizung ist regulierbar und kann abgestellt werden.

Auf der IAMA 1939 steht eine Sonderausführung des Typ 170 H mit stromlinienförmiger Karosserie, die bei dem Karosseriebauunternehmen Gebr. Ludewig in Essen als Einzelanfertigung gebaut wurde. Ebenfalls auf dieser Messe steht der modellgepflegte 170 H: Von 1938 an sind doppelt wirkende Stoßdämpfer montiert, und die Armaturentafel enthält jetzt zusätzlich je ein Rundinstrument für die Wasser- und Öltemperatur.

Doch der Typ 170 H kann sich gegenüber dem Typ 170 V nicht durchsetzen. Dafür gibt es mehrere Gründe. So gibt es den Typ 170 V beispielsweise in deutlich mehr Karosserievarianten, der Kunde hat somit eine größere Auswahl. Ein weiterer Umstand, der den Erfolg des Typ 170 H nicht fördert, ist der um 600 RM höhere Preis gegenüber dem Typ 170 V (4350 zu 3750 RM). Und das, obwohl der Typ 170 H sogar 50 Kilogramm leichter ist als der Typ 170 V. Zwischen 1935 und 1939 werden vom Typ 170 H gerade mal 1507 Fahrzeuge gebaut, vom Frontmotortyp 170 V laufen 67 579 Fahrzeuge vom Band, einschließlich der Kübelwagen für den militärischen Einsatz.

Nur wenige dieser besonderen Fahrzeuge von Mercedes-Benz haben überlebt

Während des Zweiten Weltkriegs ist der Typ 170 H ein begehrtes Fahrzeug, so man sich eines leisten kann und Treibstoffzuteilungen erhält, weil er nicht von der Wehrmacht beschlagnahmt wird. Denn Wagen mit Heckmotor hält die Armee für ihre Zwecke für ungeeignet – das freilich noch, bevor der Kübelwagen auf Volkswagen-Basis seine Kriegskarriere in Afrika und Russland startet. Doch dieser Umstand sorgt auch dafür, dass vom Typ 170 H zunächst eine vergleichsweise große Zahl den Zweiten Weltkrieg überlebt hat und er eins der wenigen Fahrzeuge ist, die für den Zivilverkehr zur Verfügung stehen. Genützt hat es ihm nichts, denn als modernere Konzepte sich endgültig durchsetzen, landen zahlreiche Heckmotorwagen in der Schrottpresse – nur wenige dieser besonderen Fahrzeuge von Mercedes-Benz haben überlebt.

Mercedes-Fans Facts

Mercedes-Benz 170 H (Baureihe W 28)



Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, hinten, stehend, 1.697 ccm, 38 PS bei 3400 U/min, 1 Steigstromvergaser Solex 30 BFRV, 4-Gang-Schaltgetriebe (IV. = Schnellgang), Hinterradantrieb

Fahrwerk: Vorne je 1 Querfeder oben und unten, Trommelbremsen; Hinten Pendelachse mit Schraubenfedern, Trommelbremsen

Räder: 3,00 D x 17“ mit Reifen in 5,00-17

Sonstiges: Zentralrohr-Rahmen, Gabel im Heck

Höchstgeschwindigkeit: 110 km/h

Produktionszeitraum: 1936 bis 1939

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