Ponton Laster: ein ganz normaler Mercedes Ponton 180D Kombi?

Ponton-Papst Thomas Hanna über die Wiedergeburt eines Mercedes Ponton 180D Zivilkombis aus dem Jahr 1961

Ponton Laster: ein ganz normaler Mercedes Ponton 180D Kombi?: Ponton-Papst Thomas Hanna über die Wiedergeburt eines Mercedes Ponton 180D Zivilkombis aus dem Jahr 1961
Erstellt am 21. Juni 2011

1953 kam der Mercedes Ponton heraus und sollte Mercedes zu einem fulminanten Comeback auf dem Automarkt verhelfen. Es dauerte nicht lange und auch die Aufbauhersteller machten sich daran, den Ponton als Ambulanz oder Leichenwagen anzubieten. Für Südafrika wurde er auch oft als Pick-up verlangt und auch ein Zivilkombi konnte geordert werden. Dieser ist sozusagen der Urahn aller Luxus-Kombis heutiger Tage bzw. der T-Modelle von Mercedes. Es war der Verdienst der Firmen Binz und Miesen solchen Fahrzeugen den Weg zu bereiten, um nur die bekanntesten zu nennen. Mercedes selbst kam erst Ende der 70er Jahre mit einem eigenen T- Modell auf 123er Basis.

Die Binz-Aufbauten zeigten mehr Eleganz

Während Binz die Kombi-Linie mit einer eigens umgebauten Fondtüre stilistisch gut löste, hatte Miesen vermutlich aus Kostengründen die normale Fondtüre eingepasst. Dafür musste ein Blechdreieck an die C-Säule angefügt werden. Das machte die „gerade“ Fensterlinie der Kombis völlig zunichte und gibt bei Miesen-Aufbauten klare Abzüge in der Eleganznote. Es gab für solch kleine „Hersteller“ eine bewundernswerte Modellvielfalt. So hatte Binz neben dem gegenüber den zivilen Kombis etwas längeren Ambulanzfahrzeugen auch die Dachhaut etwas höher gezogen.

Bei Binz: an den Türen sollt ihr ihn erkennen!

Die reinen Nutzfahrzeuge waren mit zweiflügeligen Heckklappen ausgerüstet und so von hinten als „Commercials“ erkenntlich. Damit war eine klare Abtrennung zwischen „Nutztieren“ und eine ganz eigene Zivil-Kombi-Linie entstanden. Die Zivilkombis hatten bei Binz entweder eine große, einflügelige Hecktüre oder mit Blick nach USA eine „Station Wagon“ Heckklappe, die nach unten und oben schwenkte. Beim Zivilkombi konnte man dann noch aus drei Sitzbankvarianten hinten wählen: Einfach klappbar, zweifach klappbar (gerader Ladeboden bis zur Vordersitzbanklehne) und geteilt, zweifach klappbare, 50:50, Rücksitzbank.

Mit durchgehender Sitzbank war der Kombi für sechs Personen zugelassen

Mit durchgehender Vordersitzbank war der Wagen dann für 6 Personen zugelassen und außerdem noch multifunktionell. Selbstverständlich konnte weiterer Luxus in Form eines Faltschiebedaches als Option erstanden werden. So ein Zivilkombi kostete schon ohne Extras den Aufpreis von einem VW-Käfer! Was waren das wohl für Leute, die sich ihre gut aussehende, Wohlstand darstellende Luxuslimousine in ein immerhin „ziviles“ Nutzfahrzeug umbauen ließen? Vermutlich waren es Vertreter der eher wohlhabenden Handwerksberufe, die aus der Not eine Tugend machten und neben dem Luxus einer Limousine auch noch an den Zweckmäßigkeit eines Kombis dachten.

 

 


Doch der Einsatz als Zweckmittel verheißt für ein Auto-Leben oft nichts Gutes! Umso begeisterter war ich, als ich von einem 190Db Zivilkombi mit Faltschiebedach, Jahrgang 1961, in Grenznähe zu Tschechien erfuhr. Dort sollte ein Sammler in einer alten Fabrik zahllose Fahrzeuge vor dem Verschrotten gerettet haben, unter anderem fand sich dort auch eine komplette Nürnberger Straßenbahn! Die Verwalter des Ganzen hatten vom Sammler den Auftrag bekommen, alle Fahrzeuge mit Note 5 und schlechter zu verkaufen.

Eigentlich war nur noch das Dach da

Ich fuhr also illusionslos hin und fand dort einen völlig verrosteten Kombi vor, an dem alleine das Dach noch einigermaßen in Ordnung war. Man konnte ohne das Bein zu heben bis zum Kardantunnel in den Wagen laufen. Trittbretter, Schwellerbleche, B-Säule frei in der Luft - alles vom Zahn der Zeit zernagt! Trotzdem gekauft! Das war im Jahr 2002 mein Einstieg in die Kombiszene. Im Nachhinein stellte sich noch heraus, dass der Wagen genau vier Tage älter ist als ich.

Nun dauerte es mal eben drei Jahre, dann war die 190Db Karosse fertig geschweißt und verschwand erst mal in unserem Lager für Rohkarossen. Es vergingen zwei weitere Jahre, dann mailte mich ein in USA für Mercedes arbeitender Deutscher an, der dort zufällig einen Ponton-Zivilkombi über den Kauf eines Alltagsautos von Privat angeboten bekommen hatte. So nach dem Motto: Ach, Sie arbeiten bei Mercedes? Da haben wir noch was in der alten Tankstelle meiner Schwiegereltern stehen…. Es war ein 190b Zivilkombi, interessanter Weise fast ein „Brüderchen“ zu meinem 190Db. Auch in rot, auch mit Faltschiebedach. Als der Wagen dann in Deutschland ankam, stellte ich fest, er ist genau zwei Binz-Aufbaunummern nach meinem gefertigt worden. Also haben sich die Wagen am Band „gesehen“.

Der zweite Zivilkombi stammt aus New Orleans

Dieser Wagen wurde ebenfalls restauriert und war nicht gar so schlimm vom Rost gezeichnet wie mein 190Db. Aber in den Sümpfen rund um New Orleans ist es auch nicht gerade trocken. Auch hier viel, viel Schweißarbeiten. Dieser Wagen ist seit 2009 „on the-road-again“. Nachdem wir uns so langsam in die Kombi-Materie eingearbeitet hatten, kam natürlich auch eine Binz-Ambulanz des Weges, die heute unserem Sattler als Dienst-und Ausstellungsfahrzeug dient.

Die Mauritius unter den Kombis ging in die Schweiz und der hier gezeigte 180 D kam...

Unser Bekanntheitsgrad in Sachen Kombi stieg und stieg, und so konnten wir einen 180D Zivilkombi in Teilen erwerben und kurz zuvor über einen Messekontakt auch einen 190 Zivilkombi aus erster Hand mit originalem Brief. Sozusagen die“ blaue Mauritius“ unter den Kombis! Dieser Wagen ging entgegen den üblichen Oldtimerströmen aus der Schweiz diesmal in Sammlerhände in die Schweiz. Und während wir noch den ein oder anderen Sonderaufbau von anderen Herstellern wie Pollmann aufkauften, kam mal wieder so eine spezifische Kombi-Anfrage: Es waren zwei Amerikaner die über Kölner Freunde gehört hätten, wir hätten einen Binz-Kombi auf unserer Homepage www.mercedes-ponton.de, zum Verkauf. Gerücht bestätigt, wir haben!

Das original Moosgrün kam gut an

Die Farbe des Wagens hatten wir, da kein Käufer vor der Restaurierung auf „individual“ bestellt hatte, original moosgrün gelassen. Eine Farbe die nicht gerade die beliebteste ist. Die zweite Frage der Käufer: Welche Farbe? Nach Nennung der Farbe der Kommentar: Es ist die gleiche Farbe die unser Porsche 356 hat. Also war die erste Hürde genommen. Beim Besuch der Käufer mit dem grünen Porsche dann Zustimmung in ganzer Linie. Die Rohkarosse fand begeisterte Aufnahme, das nachträglich eingebaute Faltschiebedach auch. Die Preisverhandlungen amerikanisch relaxed, es darf auch etwas mehr Luxus sein.

 

 

Jetzt hielt Glanz Einzug in den Kombi

Und dann kam das Feintuning: Einer der Beiden ist Innenarchitekt und richtet in USA auf einer Insel à la Sylt den Leuten die Häuser ein. Da ist guter Geschmack und Abstimmung von Farben natürlich ein „must“. So gingen sicher zwei bis drei Tage alleine beim Sattler drauf, um die Lederfarben auszuwählen, welche dann in Zweifarbenkombination noch nie dagewesenen Luxus in den Kombi zauberten. Neben der geteilt umklappbaren Rücksitzbank fanden feinstes Velours und diverse Eloxalleisten im Stile des 220S-Ponton ihren Einzug an Stellen die vorher nie Glanz gesehen hatten, u.a. auch im Laderaum. Wir haben also einen Luxuskombi auf die Beine gestellt, der seines Gleichen sucht.

 

 


Das Original-Dieselaggregat blieb drin

Waren die Käufer erst noch unschlüssig ob der originale 180D-Motor wieder Einzug halten sollte oder lieber ein 190 Benziner verbaut werden soll oder gar gleich ein optimiertes Aggregat mit 110 PS. So ergab sich nach einer Probefahrt mit einer 180D-Limo es soll original bleiben. Das langhubige Dieselaggregat schüttelt sein Drehmoment so locker aus dem Ärmel, dass es einfach bestens zum Kombi passt. Damit sich der Rost am wieder auferstandenen Luxuskombi die Zähne ausbeißt, haben wir die Karosse mit Mike-Sanders Hohlraumfett behandelt und die ebenso sinnvollen wie beliebten Lokari-Innenkotflügel montiert. Damit sind auch die damals wirklich „hingepfuschten“ Übergänge von seiten Binz im Bereich des hinteren Radkastens am Übergang zum Kombiaufbau für immer vor Wasser geschützt.

Nun ging ein Binz wieder in die USA

Kaum war ein halbes Jahr vergangen, stand der Wagen zur Auslieferung bereit. Die Käufer sind in dieser Zeit mehrfach von USA aus vorbei gekommen, um den Werdegang persönlich zu begleiten. Wie in alten Zeiten als die US-Käufer ihren Autokauf mit einem Europa-Trip mit anschließender Verschiffung nach USA koppelten, so auch hier. Es ging sozusagen sofort nach Italien, dann über Frankreich nach England/Wales, von wo aus der Wagen dann per Schiff zu seinem neuen Heimatort gelangt. So haben wir die Binz-Außenhandelsbilanz wieder korrigiert. Sie erinnern sich, daß wir einen Binz aus USA gekauft hatten, und nun haben wir wieder einen nach USA geliefert. Begeistert waren die Amerikaner über die zeitgemäßen Diesel-Verbrauchswerte von 6-7 Liter/100km, trotz Gepäck und dritter Person an Bord. Nix „gasline-guzzler“, sondern „hero-of-environment“ – und das mit einem Auto von 1957!

Und wie das so beim Sprichwort mit dem Schuster ist, der selber die schlechtesten Schuhe trägt, weil er immer die Schuhe seiner Kunden macht. Mein Kombi steht immer noch als Rohkarosse und sogar Teile die schon montiert waren, wurden zugunsten der Kunden wieder ausgebaut. Aber jetzt hat es mich gepackt, mein eigener Kombi soll 2012 endlich wieder auf die Straße. Dieses Multifunktionstalent lässt jeden Neuwagen alt aussehen, zumal die Diesel-Verbräuche sich auf aktuellem Stand bewegen.





Text: Dipl. Ing. Thomas Hanna / Die Ponton-Manufaktur

Fotos: Siegfried Stadler

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