Happy Birthday: Ein Star wurde 50!

Ein 60er Mercedes 190 SL feierte am 15. Juli den 50. Jahrestag seiner Erstzulassung

Happy Birthday: Ein Star wurde 50!: Ein 60er Mercedes 190 SL feierte am 15. Juli den 50. Jahrestag seiner Erstzulassung
Erstellt am 29. Juli 2010

„Hoch soll er leben und ewig möge er fahren!“ Ein Mann und sein Mercedes Veteran stießen am 15.7.2010 mit Blubberwasser und Ölkännchen auf ein besonderes Ereignis an. Just an diesem Tag vor 50 Jahren erlebte ein Star unter den Sportwagen-Klassikern seine Erstzulassung. Bei dem Jubiliar, dem man zu seinem tollen Befinden nur gratulieren kann, handelt es sich um den originalen Mercedes 190 SL von Friedrich-W. Thüner . Der Öffentlichkeitsarbeiter im Dienst des Mercedes-Benz Veteranen Club“ lenkt seit 23 Jahren die Geschicke des granada-roten W121 BII.

Der Stern der Stars

Frage: Was haben Kinolegenden wie Gina Lollobrigida, Grace Kelly, Frank Sinatra, der Meister für großartige Krimifilm-Unterhaltung Alfred Hitchcock, der Schlagzeug spielende Beatle Ringo Starr und Ottonormalverbraucher Friedrich-W. Thüner gemeinsam? Antwort: Sie alle entdeckten zeitlebens ihre Liebe zum Mercedes 190 SL – einem der schönsten Tourenwagen aller Zeiten.

Kaum zu glauben: Es gibt doch tatsächlich Stimmen, die an dem Tourensportwagen W121, der zwecks Abgrenzung zum Mercedes Pontonmodell 190 noch den Zusatz 'BII' in der Baureihenbezeichnung trägt, manches auszusetzen haben. So mäkelte beispielsweise ein Journalist des Magazins „Der Spiegel“ anlässlich eines Beitrages über den Mercedes 190 SL an dem Boulevard Beau von Benz herum. Der Autor fand es beklagenswert, dass der 190 SL im Vergleich zum Mercedes 300 SL – dem Überauto seiner Zeit wohlgemerkt - zwar die familiäre Ähnlichkeit in den Gesichtszügen aufweise, aber mit seinem 105 PS leistenden Vierzylindermotor ein viel zu schwaches Herz unter der schönen Haube mit der eleganten Ausbuchtung trage.

Das Mercedes 190 SL Missverständnis: Er ist Touren - nicht Sportwagen

Rein faktisch betrachtet ist der „kritische“ Hinweis natürlich korrekt: Der zeitgleich zum 190 SL gebaute Mercedes 300 SL hatte mit einem 215 PS starken Reihensechszylinder mehr als doppelt so viel Leistung anzubieten. Freilich repräsentierte dieses übrigens auch bedeutend teurere Automobil eine Gattung, die man heute als Supersportwagen bezeichnen würde. Der 190 SL dagegen war für ein extrem dynamisches Niveau gar nicht konzipiert. Zielgruppengerecht war er breiter, mittelklassiger aufgestellt. Ihn an dem 300 SL zu messen, verbietet sich – auch wenn die ähnliche Optik einen Abgleich nahe legen mag. Die Bedeutung des Kürzels „SL“ - sportlich leicht - war hier wörtlich zu nehmen: Ein Schwergewicht unter den Sportwagen sollte der auf dem Rahmenboden der damaligen Ponton-Limousinen aufgebaute 190er nie sein.

Nimmt man die Leistungsdaten des Mercedes 190 SL einmal nur für sich, so ist kaum nachzuvollziehen, dass mancher „Fachkollege“ in der Rückschau die Höchstgeschwindigkeit des 190 SL von 170 km/h als unzureichend bzw. enttäuschend erachtet. Vor 50 Jahren? 170 km/h? Zu langsam? Wie war es denn in den Anfangstagen des W121 BII um die Leistungsfähigkeit der Konkurrenz bestellt? Wer hatte denn damals in der Vierzylinderklasse bis 2-Liter-Hubraum mehr zu bieten? Das Borgward Isabella Cabrio TS rollte mit 75 PS und 150 km/h Topspeed an. Auf Augenhöhe mit dem Mercedes bewegte sich der 75 PS starke und 175 km/h schnelle Porsche 365 A. In Großbritannien waren für den 190 SL der MG A Roadster (90 PS, 165 km/h) und der Triumph TR 3A (90 PS, 160 km/h) unterlegene Gegner. In Italien wiederum vermochte der Mercedes mit dem 112 PS starken Alfa Romeo Giulia durchaus mitzuhalten.

Elegant und sportiv

Freilich gab es Sechszylinder-Kaliber und bewusst auf Rasanz getrimmte Sportwagen, welche dem 190 SL die Rücklichter zeigten. Und dennoch: 105 PS und 170 km/h Höchstgeschwindigkeit bedeuteten 1955, dem Jahr, in dem die Produktion des 190 SL im Werk Sindelfingen aufgenommen wurde, eine respektable Hausnummer. Dessen ungeachtet wird die optische Nähe zum Mercedes 300 SL immer wieder zum Anlass genommen, den 190er in Korrelation zum großen starken Bruder zu setzen – eine Versuchung, welcher die Daimler AG selbst nie erlag (auch wenn dieses Unterfangen womöglich förderlich für den Verkauf gewesen wäre). Im Zusammenhang mit dem Mercedes 190 SL war denn auch stets vom „Tourensportwagen“ die offizielle Sprachregelung bei Daimler.

Eine Klasse für sich: Mercedes 190 SL Tourensportwagen

Was war mit dem Begriff Tourensportwagen gemeint? Chic, zügig und komfortabel in einem alltagstauglichen Zweisitzer zu reisen - das war das Verkaufsargument für den Mercedes 190 SL, welcher sich in seiner Produktionszeit bis 1963 immerhin 25.881 mal verkaufte. Hätte dem Auto ein größerer Absatzerfolg beschieden sein können? Schadete die offensichtliche optische Anlehnung an den rassigen 300 SL am Ende doch mehr, als es ihm nützte?

"SL" = stylish und luxuriös

Fakt ist: Die Reichen, Schönen, Erfolgreichen und all diejenigen, welche sportliche Fahreigenschaften in ihrer schönsten Form zu schätzen wussten, nahmen gerne in dem elegant bereiteten Innenraum des Mercedes 190 SL Platz. Sie mochten die flotten wie sicheren Fahrleistungen dieses eleganten Wagens mit dem hohen Gebrauchswert, der mit seiner alles andere als puritanischen Ausstattung nach damaligen Verständnis weit davon entfernt war, ein Roadster zu sein.

Keine Frage: Der Mercedes 190 SL gehörte und gehört zu den schönen Dingen des Lebens, auf die mann/frau seit über fünf Jahrzehnten abfährt. Die Attraktivität dieses Mercedes Modells hat in 55 Jahren nichts an Anziehungskraft eingebüßt. Gründe, sich als Autoenthusiast für einen Mercedes 190 SL zu entscheiden, gab und gibt es viele. Was hatte eigentlich Friedrich-W. Thüner bewogen, sich vor 23 Jahren eines von ungefähr weltweit noch ca. 2.000 existierenden Exemplaren in die Garage zu stellen?

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Eines ist mal klar: Der Dipl.-Ingenieur begeistert sich nicht nur für Technik, der Mann hat auch einen sehr guten Geschmack. Die wunderschön gelungene Formgebung des Mercedes mit den charakteristischen Sicheln an den Seiten, gepaart mit sportlichen Fahreigenschaften - das ist die feine Gemengelage, welche den Oldtimer-Enthusiasten, der beim „Mercedes-Benz Veteranen Club“ (MVC) den Bereich Öffentlichkeitsarbeit betreut, ins Schwärmen geraten lässt.

Mercedes 190 SL: Klassiker für Kenner

Weniger lobend – wenn auch verständnisvoll - vermag sich Friedrich-W. Thüner über die Rostresistenz seines W121 BII äußern. Tja, Korrosionsprophylaxe war damals bei allen Herstellern - auch bei Mercedes Benz - ein Fremdwort. Generell hatte man sich in jenen Tagen des Automobilbaus mit Rostschutzmaßnahmen so gut wie gar nicht befasst. Korrosion ist denn auch der ärgste Feind des Mercedes 190 SL Bestandes gewesen. Am Blech des Benz konnte der Gilb auf breiter Front angreifen. Und er hat es oft getan. Leider haben sich viele Exemplare nur durch wenig fachmännische Instandsetzungsarbeiten in die Gegenwart retten können.

Kampf dem Rost!

Der 190 SL, den Friedrich-W. Thüner im Jahre 1987 per Zeitungsannonce ausfindig gemacht hatte und beim Kauf einen akzeptablen und keineswegs kranken Eindruck machte, suchte 10 Jahre später die braune Pest heim. „Seinerzeit begann sich der Lack verdächtig zu heben. Blasenbildung und Pusteln allerorten; im Schwellerbereich musste ich sogar komplette Durchrostungen feststellen“, erinnert sich der 190 SL Fahrer. Dass bei diesem Stand der Dinge mit punktuellen Soforthilfemaßnahme kein gutes Werk mehr zu verrichten war, erkannte das sachkundige Auge des Ingenieurs sofort.

Also ward die Restauration des Mercedes beschlossen. Bei der alsbald in Angriff genommenen Komplettzerlegung mit Entrostung und Neuaufbau mussten drei Kotflügel, der gesamte Schwellerbereich, die Frontschürze sowie die Längsträgerschalen und –stützen durch Neuteile ersetzt werden. Nachdem dem Gilb gründlich der Garaus gemacht worden war, ist der Mercedes 190 SL komplett mit der Originalfarbe MB543 (Granada-Rot) lackiert worden.

Außen top - innen hui!

Und schon konnte es mit dem herrlichen Wagen, der bei Exterieur und dem luxuriös ausgestatteten Interieur gleichermaßen mit einem sehenswerten Originalzustand brillieren kann, wieder auf Reisen gehen. Der 190 SL ist wahrhaft eine Augenweide. Wo immer der Mercedes in Sichtweite kommt, folgen ihm bewundernde und schmachtende Blicke. Kein Wunder, dass Friedrich-W. Thüner gerne mit seinem 190 SL unterwegs ist. Um die 4.000 Kilometer jährlich wird das Auto von ihm bewegt, um an Club-Ausfahrten und Oldtimer-Treffen teilzunehmen oder den Weg zur Arbeit anzutreten.

Flott ans Ziel mit 105 PS

Ab Werk wirkte in dem Mercedes 190 SL eine modifizierte Ausgabe des neu entwickelten 1,9-Liter-Ottomotor als treibende Kraft. Das Vierzylinder-Aggregat verfügte über eine oben liegende Nockenwelle und gilt als Urvater einer ganzen Motorenfamilie. Im Mercedes-Benz 190 SL leistete es – wie gesagt - 105 PS bei 5.700/min. Diese Kraft beschleunigte einen schönen Stern mit Stoffdach in 14,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 170 km/h. Für damalige Verhältnisse war der sportlich talentierte Benz übrigens alles andere als durstig. Im Schnitt soll er sich nur 8,6 Liter auf 100 Kilometer durch die Kraftstoffleitung gesaugt haben.

In dem Mercedes 190 SL Geburtstagskind von Dipl.-Ing. Thüner ist seit 1999 ein Austauschaggregat für die bewegenden Momente zuständig. Der Originalmotor hatte zu diesem Zeitpunkt seine besten Jahre schon hinter sich. Zeit für die letzte Ölung! „Bei der ursprünglichen Maschine wäre eine Generalüberholung aller beweglichen Teile im Motorblock erforderlich gewesen, außerdem gab es Auswaschungen im Zylinderkopf“, begründet Friedrich-W. Thüner seine Auswechselungsentscheidung im Maschinenraum.

Ewige 190 SL Problemstelle: Der Solex Doppelvergaser

Im allgemeinen gilt ein gut gewarteter Mercedes 190 SL als technisch robuster und alltagstauglicher Klassiker. Gleichwohl hat auch dieses Automobil seine Achillesferse. Ein spezieller Sorgenfall des Mercedes 190 SL sind die beiden Solex Doppelvergaser. In vielen Fällen schlugen die Drosselklappenwellen aus – mit dem Ergebnis, dass sich der Motorlauf nicht mehr exakt einstellen ließ und ein Leistungsabfall zu verzeichnen war. Reparaturen sind aufwändig und teuer. Friedrich-W. Thüner kennt noch eine weitere, typische Schwachstelle im Maschinenraum eines Mercedes 190 SL: „Das erhebliche Gewicht, welches die Solex-Vergaser zusammen mit dem Luftsammler aufweisen, hat ein problematisches Schwingungsverhalten zur Folge. Letzteres führt an den motorseitigen Flanschverbindungen immer wieder zu Undichtigkeiten mit Falschlufteintritt“, erklärt er. „Die eigentliche Ursache des Übels liegt in dem Umstand, dass die Kurbelwelle im W121 BII nur 3-fach gelagert ist. Eine 5-fach gelagerte Welle, wie ihn zum Beispiel eine 200er Heckflosse hat, wäre wegen seine wesentlich besseren Schwingungseigenschaften vorteilhafter“, weiß der Dipl.-Ingenieur.

Ein schöner Stern der ewig und hell strahlt

Der Mercedes 190 SL ist ein schöner und wertvoller Stern, der jedes Fahrerherz höher schlagen lässt – der elegante Tourensportwagen ist so richtig was für Lust und Laune und für den Ästheten unter den Liebhabern von automobilen Klassikern. Und weil das so ist, fällt es Friedrich-W. Thüner etwas leichter, sich mit dem höheren Preisniveau für 190 SL Ersatzteile zu arrangieren. „In erster Linie ist es ja positiv, dass es keine Engpässe beim Materialnachschub gibt!“

Die sehr gute 190 SL Ersatzteillage, die freie Händler und Mercedes-Benz aufrecht erhalten, mehrt natürlich die Freude an dem zweisitzigen Tourensportwagen mit dem ewig jungen Aussehen. „Dass mein Mercedes 190 SL an seinem 50. Geburtstag uneingeschränkt alltagstauglich und rundum gesund dasteht – ist ein guter Grund, sich zu freuen“, sagt Friedrich-W. Thüner mit einem Lächeln. Stimmt. Und die Redaktion von Mercedes-Fans.de freut sich gerne mit.

Mercedes-Fans Facts:

Mercedes-Benz 190 SL (1955–1963)
Motor:  4-Zylinder-Reihenmotor
Hubraum 1897 cm³
Bohrung x Hub:  85 x 83,6 mm
Verdichtung:  8,5: 1
ab Motor-Nr. 3804 (November 1956) 8,8: 1
Leistung bei 1/min:  77 kW (105 PS) bei 5700
Max. Drehmoment bei 1/min:  142 Nm (14,5 mkp) bei 3200
Ventilsteuerung:  obenliegende Nockenwelle (OHC), angetrieben durch Duplexrollenkette,

hängende Ventile

Gemischaufbereitung:  2 Doppelregistervergaser Typ Solex 44 PHH
Kühlung:  Wasser mit Pumpe und Thermostat,

Inhalt des Kühlsystems: 10 l

Getriebe:  4-Gang-Getriebe mit Mittelschaltung (Hinterradantrieb)
Bremsen:  Hydraulisch betätigte Trommelbremsen (vorn Duplex)
mit Bremskraftverstärker (Gesamtbremsfläche 1064 cm²)
Radaufhängung vorn:  Dreiecksquerlenker
Radaufhängung hinten:  Eingelenkpendelachse mit Längsschubstreben
Federung:  Schraubenfedern und Gummizusatzfedern (vorn mit Stabilisator),
Teleskopstoßdämpfer
Karosserie:  Mittragende Ganzstahlkarosserie,
Rahmen-Boden-Anlage mit Karosserie verschweißt
Radstand 2400 mm
Spurweite vorn/hinten:  1430/1475 mm
Reifengröße:  6.40 – 13
Maße L x B x H:  4290 x 1740 x 1320 mm
Leergewicht (ohne Fahrer):  1180 kg, mit Hardtop 1200 kg
Benzinverbrauch:  8,6 Liter/100 km
Höchstgeschwindigkeit:  170 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h:  14,5 s

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1 Kommentar

  • biggibenz

    Biggibenz

    Ein wunderschöner Wagen. Ich werde mir die Bilder runterziehen und mal in meinen digitalen Bilderrahmen laden. Ist das Okay?

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