Kompakt und Klasse. Teil 4: So hätte der 190er auch aussehen können...!

Aufbruch in die Moderne - die Geburt der dritten Baureihe!

Kompakt und Klasse. Teil 4: So hätte der 190er auch aussehen können...! : Aufbruch in die Moderne - die Geburt der dritten Baureihe!
Erstellt am 10. Juni 2010

Der Weg zur Baureihe W 201, die 1982 zunächst mit den Typen 190 und 190 E erscheint, ist mühsam. Der damalige Aufsichtsratvorsitzende Wilfried Guth bemerkt 1977, als im Oktober die Grundsatzentscheidung für eine dritte Baureihe fällt: „Die Geburt der Idee, dass man auch kleinere Autos bauen kann und dass Daimler damit in das andere Marktsegment gehen kann, die war sehr, sehr mühselig, sehr langsam.“ Doch mittlerweile hatten die Techniker und Designer schon längst harte Fakten geschaffen...

Der amerikanische Markt fordert ein kleineres Modell

Ohne Anstöße aus den USA wären vermutlich auch diese Aktivitäten nicht umzusetzen gewesen. Von dort kommen Wünsche nach einem Mercedes-Benz als Zweitwagen. Zudem geben die Umweltbestimmungen des „Clean Air Act“ klare Vorgaben für den Flottenverbrauch (Corporate Average Fuel Economy, CAFE) und damit die Treibstoffökonomie der in den USA verkauften Modellpalette. So ist beispielsweise für das Jahr 1985 ein Durchschnittsverbrauch von 27,5 Meilen pro Gallone (umgerechnet 8,6 Liter auf 100 Kilometer) vorgeschrieben. Dieser Wert ist mit der damaligen Modellpalette nicht zu erfüllen.

Die Baureihe W 201 nimmt Formen an

Gekürztes Fahrzeug der Mercedes-Benz Baureihe W 114/115, das 1974 mit Hinblick auf die spätere Baureihe W 201 entstand, in dessen Maßen, um die Größe des neuen kleineren Mercedes-Benz darzustellen.



Das unter der Leitung von Hans Scherenberg im Februar 1974 vorgelegte erste Lastenheft für die Baureihe W 201 legt bereits eindeutig die Schwerpunkte und die Maße für den zukünftigen kleineren Mercedes-Benz fest. Die Abmessungen sind so klar definiert, dass das Serienfahrzeug, das erst fast neun Jahre später auf den Markt kommt, kaum von diesen Vorgaben abweicht. Und noch etwas schreibt das Lastenheft damals schon fest: „Der 201 soll sich aufgrund der unter dem Markensymbol vom Kunden erwarteten Eigenschaften bezüglich Qualität, Sicherheit und Fahrkultur bewusst von anderen Fahrzeugen der Mittelklasse absetzen.“



Werner Breitschwerdt, damals noch unter Scherenberg Karosseriechef in Sindelfingen, fackelt nicht lange und lässt 1974 ein Fahrzeug der Baureihe W 115 in der Länge und Breite aufschneiden und auf die reduzierten Maße der projektierten Baureihe W 201 zusammensetzen. So kann er sich einen ersten unmittelbaren Eindruck von den Raumverhältnissen machen.

Ein neues Design für eine neue Ära

Die Baureihe W 201 ist das deutliche Signal des Aufbruchs in eine neue Epoche: Die Marke wird jünger. Der neue kleinere Mercedes-Benz liefert den Beweis, er setzt nicht nur bei Technik, Komfort und Sicherheit Zeichen, sondern läutet auch mit seinem Design eine neue Ära ein. Werner Breitschwerdt und Bruno Sacco entstammen einer neuen Generation von Führungskräften, die auch ihr Verständnis von einem modernen Mercedes-Benz mit der Baureihe W 201 in die Tat umsetzen. Sie können unverhohlen als Väter der dritten Baureihe bezeichnet werden.

Erste Entwürfe

Die ersten Entwürfe aus dem Jahr 1974 kommen noch wie kleine S-Klassen der Baureihe W 116 daher. Diese sogenannten „Mercedesle“, wie sie der Designer Andreas Langenbeck einmal treffend genannt hat, entsprechen nicht Saccos Vorstellung, weil sie keine formale Eigenständigkeit erkennen lassen. Er zieht die Reißleine und verordnet seinen Mitarbeitern eine Auszeit vom Projekt, um ihnen einen neuen klaren Blick zu geben. Claus Hieke, später für das AMG-Design verantwortlich, sieht es immer noch als das große Verdienst Saccos an, erkannt zu haben, dass es wenig zielführend ist, Autos einfach maßstäblich zu verkleinern.

Um kreativen Abstand zu gewinnen, lassen Breitschwerdt und Sacco die Mitarbeiter andere Projekte bearbeiten, um erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand einen neuen Anlauf zu nehmen. Das Rennen macht 1978 ein Entwurf Peter Pfeiffers, damals noch als Coupé ausgeführt, der aber bereits alle wesentlichen Elemente der späteren W 201-Karosserie enthält, beispielsweise der unscheinbare Knick, der vom Dach durch die Heckscheibe in der Kante des Kofferraumdeckels ausläuft. Aber auch erst viel später aufgenommene Details wie die Türgriffe, 1981 beim SEC-Coupé der Baureihe C 126 in Serie gegangen, die farblich abgesetzten seitlichen Kunststoffteile, 1988 bei der Modellpflege in das Programm aufgenommen, oder der Plakettengrill, 1991 bei der S-Klasse der Baureihe W 140 verwirklicht, zeichnen diesen Entwurf aus. In der Vorstandssitzung vom 6. März 1979 in Sindelfingen erteilt der Vorstand die endgültige Formfreigabe. Die Karosserie überzeugt durch ihre formale Geschlossenheit und wird zum Markenzeichen einer neuen Designära bei Mercedes-Benz. Der in den USA liebevoll „Baby-Benz“ genannte neue kleinere Mercedes-Benz ist auch viele Jahre später immer noch ein frisch wirkendes Automobil.

Technisch top

So zukunftsweisend das Design der Baureihe W 201 für Mercedes-Benz damals ist, so überzeugend sind auch ihr Handling, der Federungskomfort und natürlich auch die passive Sicherheit, die keinesfalls den größeren Modellen nachstehen. Eine Premiere ist die Einführung der Raumlenkerhinterachse, die hohe Fahrsicherheit mit Fahrkomfort auf eine bis dahin nicht gekannte Stufe stellt und bis heute im Prinzip immer noch gebaut wird, wenn auch den späteren Modellen angepasst. Die Verbindung von agilem Fahrverhalten, bei Personenwagen von Mercedes-Benz bis dahin unbekannt, und Fahrkomfort bei einem derart kompakten Fahrzeug ist neu und wird international anerkannt.

Die Baureihe W 201 wird bis 1993 gebaut. Aus ihr hat sich mit der Baureihe 202 die C-Klasse entwickelt, die es seitdem und in mehreren Nachfolgebaureihen in zahlreichen Karosserie- und Motorvarianten gibt.

NAFA – das „Nahverkehrsfahrzeug“

Volle Straßen, Parkplatznot und lange Staus werfen neue Fragen in der Fahrzeugforschung auf. Mercedes-Benz beantwortet sie 1981 mit der Konzeptstudie „Nahverkehrsfahrzeug“, kurz NAFA genannt. Mit einer Länge von 2,50 Metern und einer Höhe und Breite von jeweils 1,50 Metern widerspricht der innovative Zweisitzer allem, was man bisher aus dem Unternehmen kennt.

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Dank Vierradlenkung lässt sich das Auto auch vorwärts in enge Lücken einparken. Der Wendekreis beträgt gerade mal 5,7 Meter. Selbst bei geringem Seitenabstand ermöglichen zwei Schiebetüren ein bequemes Ein- und Aussteigen; sie öffnen nach vorne, wobei sich die Außenspiegel selbsttätig anklappen. Das Auto hat Vorderradantrieb und ein Automatikgetriebe. Klimaanlage, Servolenkung und Gurtstraffer gehören gleichfalls zur Ausstattung. Die vergleichsweise hohe Sitzposition, die niedrige Gürtellinie und große Fensterflächen sorgen für optimale Rundumsicht.

Die Studie NAFA wird nicht zu einem Serienfahrzeug weiterentwickelt. Aber sie gerät nicht in Vergessenheit: Die mit ihr gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Konstruktion der A-Klasse ein, deren Prototyp 1996 debütiert. Und im smart City Coupé, 1997 vorgestellt und heute als smart fortwo bekannt, feiert das Konzept eines kompakten Stadtautos seine Serienreife und ist seither in großen Stückzahlen produziert worden.

Mercedes-Benz A-Klasse (W 168, 1997 bis 2004)

Der Wunsch nach einem Auto mit sehr geringen Außenabmessungen, gleichwohl allen Werten der Marke Mercedes-Benz, nimmt Anfang der 1990er Jahre erste Formen an. Mercedes-Benz stellt das Sandwich-Prinzip vor, bei dem die Karosserie in zwei horizontale Ebenen gegliedert wird: Die Antriebseinheit befindet sich vor und unter der Bodenplatte, so dass sie beim Crash nach unten wegtaucht und nicht in den Innenraum eindringt.

Vision 93

Einen Vorgeschmack auf die A-Klasse gibt Mercedes-Benz der Öffentlichkeit im September 1993 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt/Main. Hier stellt die Marke ihre Vision A 93 vor, einen Wagen mit Frontantrieb und neuartigem Karosseriekonzept, bei dem Motor, Getriebe, Tank und Achsen unterhalb des Passagierraums liegen: Das Sandwich-Prinzip ist Realität geworden, die Verbindung aus geringen Außenmaßen (3350 Millimeter Länge) mit einem großen und variablen Innenraum sowie dem Sicherheitsniveau nach Mercedes-Benz Standard überzeugt. Eingeflossen sind in die Vision A 93 beispielsweise Elemente des Forschungsfahrzeugs F 100. Die Karosserie der Studie besteht noch komplett aus Aluminium. Für die A-Klasse wird später das Konzept des intelligenten Leichtbaus entwickelt. Er kombiniert verschiedene Werkstoffe wie Stahl, Kunststoff, Aluminium und Magnesium miteinander. So wird die Fahrzeugkonzeption ebenso unter den Aspekten Gewicht und Umweltverträglichkeit optimiert wie unter dem Gesichtspunkt der Kosten.

Die Vielseitigkeit des Fahrzeugkonzepts stellt die Vision A 93 mit drei verschiedenen Motorisierungen unter Beweis. Neben jeweils einem sparsamen Ottomotor mit 55 kW und einem Diesel-Direkteinspritzer mit 44 kW gibt es auch eine Ausführung mit Elektroantrieb, der 44 kW leistet. Variabel gibt sich die Studie auch beim Innenraum: Der Wagen lässt sich je nach Situation umbauen, vom bequemem Viersitzer bis hin zum Ladekünstler mit einem Stauraumvolumen von 1000 Litern. Grundlage für dieses revolutionierende Raumkonzept ist wieder die neuartige, hoch liegende Rahmen-Bodenanlage, die für eine in dieser Fahrzeugkategorie bisher unerreichte Crash-Sicherheit sorgt. 1994 zeigt Mercedes-Benz das in Details veränderte Konzeptfahrzeug unter dem Namen Studie A auf dem Automobilsalon Genf. Die amerikanische Zeitschrift „Motor Week“ verleiht ihm den Titel „Best Concept Car 1994“.

Das positive Echo in Presse und Öffentlichkeit führt zu einer schnellen Entscheidung im Mercedes-Benz Vorstand. Noch im Dezember 1993 beschließt er die Serienfertigung der A-Klasse. Das Projekt erhält die Baureihennummer W 168. Die Produktion soll im Werk Rastatt erfolgen. Auf der Frankfurter IAA im September 1995 wird zwei Jahre nach der Weltpremiere der Vision A 93 das Innenraumkonzept der A-Klasse präsentiert. Die Gesamtlänge des Fahrzeugs ist gegenüber der Studie mittlerweile um 225 Millimeter gewachsen. Und das schon zuvor respektable Platzangebot hat noch stärker zugenommen, insbesondere im Kofferraum.



Im März 1997 hat die A-Klasse schließlich offiziell Premiere. Mercedes-Benz stellt die fünftürige Version auf dem Automobilsalon in Genf vor. Der Verkaufsstart folgt acht Wochen später im Mai 1997, im Oktober steht der Wagen dann bei den Händlern. Die A-Klasse ist, trotz des „Elchtests“, sehr erfolgreich. Im Rahmen einer Modellpflege im Jahr 2001 wird auch eine Version mit längerem Radstand eingeführt. Im Jahr 2004 folgt mit der Baureihe 169 die zweite Generation der A-Klasse. Diese gibt es in Form einer viertürigen Limousine und eines zweitürigen Coupés. Die A-Klasse bildet auch die Basis für den Compact Sports Tourer von Mercedes-Benz, der 2005 unter der Bezeichnung B-Klasse auf den Markt kommt und ebenfalls zum Erfolgsmodell wird.

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