Mercedes-Benz im Rallye-Sport

Reichlich Schotter: Rallyes als Prüfstein für Qualität und Langlebigkeit

Mercedes-Benz im Rallye-Sport: Reichlich Schotter: Rallyes als Prüfstein für Qualität und Langlebigkeit
Erstellt am 26. Mai 2009

„200 Meter, rechts, voll!“ Spätestens jetzt wissen Eingeweihte: „Aha, es geht um Rallye-Sport!“ Die Fans begeistern sich für diese Motorsportvariante oft vor allem wegen ihrer spektakulären Drifts. Als Erfinder des Automobils hat sich natürlich Mercedes-Benz in seiner langjährigen Motorsport-Tradition auch in dieser Motorsport-Disziplin geschlagen – und das meistens mit Bravour!

Slotcar-Fans werden sich vielleicht noch daran erinnern. Da gab es von Stabo, Carrera oder Faller eine Pagode, meist im Zusammenspiel mit dem Porsche 911. Nur – und das war das Merkwürdige - so ein Kracher war die Pagode auf der Rundstrecke zu diesem Zeitpunkt gar nicht. Die Rennbahn-Macher hatten da offensichtlich den roten 230 SL von Eugen Böhringer im Visier, der 1962 zusammen mit seinem Co-Pilot Klaus Kaiser die Rallye Lüttich - Sofia – Lüttich gewinnen konnte.

Für Mercedes-Benz war dies freilich nicht der erste Sieg bei einer Rallye. Die Schwaben haben sich diesen meist materialmordenden Veranstaltungen schon in den Fünfzigern gestellt, als diese Art von Motorsport rasant an Beliebtheit gewann. So konnte Mercedes im Januar 1952 bei der Rallye Monte Carlo den Pokal für die beste Mannschaft einfahren. Karl Kling, Rudolf Caracciola und Hermann Lang traten mit drei nahezu serienmäßigen Mercedes-Benz 220 (W 187) bei der „Monte“ an! Schillernde Namen, die damals jedes Kind kannte und die oft in einem Atemzug mit den legendären Mercedes-Silberpfeilen genannt werden.

Schock für Mercedes: Ein Obsthändler gibt Gas!

Spannend wird es für eine Marke aber immer dann, wenn neben den Werksaktivitäten die Kunden selbst die Initiative ergreifen. So hat Porsche seinen Ruf als sportliche Marke untermauert, Mercedes-Benz aber kann in der Tat ebenfalls auf zahlreiche zufriedene Kunden im Sportbereich zurückblicken – und das nicht erst seit der aktuellen Formel 1-Saison.

Kennen Sie z.B. Walter Schock? Seines Zeichens Obsthändler und begeisterter Mercedes-Enthusiast. Bei der ersten Rallye Solitude vom 24. bis zum 25. April 1954 tritt Schock auf seinem Geschäftswagen (!!!) an, einem Mercedes-Benz 220a (W 180 I).

Der Lauf zählte in diesem Jahr zur Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft und besteht unter anderem aus zwei anspruchsvollen Bergprüfungen, einem Slalomkurs auf dem Flugplatz in Malmsheim sowie Beschleunigungs- und Bremsprüfungen im Stadtgebiet von Stuttgart. Verbunden sind die einzelnen Punkte durch Gleichmäßigkeitsfahrten. 174 Teilnehmer starten von elf Standorten zum Schloss Solitude, wo der Start zu den Sonderprüfungen angesetzt ist.

Obsthändler Schock gewinnt das Rennen.

Zusammen mit Rudolf Moll als Co-Pilot fährt der rasende Obsthändler in den nächsten Jahren viele Rallye-Erfolge auf Mercedes-Benz ein. So auch 1955, als das Duo Schock/Moll bei der Rallye Monte Carlo antritt, die damals noch den Charakter einer Sternfahrt hatte Zwar gibt es keine Werksunterstützung, aber immerhin optimiert die Versuchsabteilung Karosserie und Technik von Schocks privatem Mercedes-Benz. Mit Erfolg, denn die beiden Stuttgarter fahren bis auf den 3. Rang in der Gesamtwertung. Es folgen ein Sieg bei der Rallye Sestriere in Italien, ein zweiter Platz bei der Rallye Adriatika in Jugoslawien, sowie Platz vier bei der norwegischen Rallye Viking. Auch bei der Rallye Solitude ist Walter Schock 1955 wieder dabei, diesmal erreicht er Platz drei.

S wie Schotterpisten: 220 SE, 300 SE und 300 SL lassen sich nicht bremsen!

In den späten 1950er und frühen 1960er Jahren sind es vor allem die Sechszylinder-Limousinen 220 SE und 300 SE sowie der Sportwagen 300 SL, die auf den Straßen und Schotterpisten der Welt von sich reden machen: Geprägt werden diese Jahre unter anderem von dem schon bekannten Team Walter Schock/Rudolf Moll. Dem Duo, das für den Motorsportclub Stuttgart startet, bietet Mercedes-Benz nun eine umfangreiche Unterstützung durch Fahrzeuge und Service an. Im Mercedes-Benz 220a startet Walter Schock am 15. Januar bei der Rallye Monte Carlo und kommt mit nur 1,1 Sekunden Rückstand auf den Sieger ins Ziel. Ewy Rosqvist-von Korff und Ursula Wirth dagegen, konnten 1963 mit einem Mercedes-Benz 220 SEb den Damenpokal bei der "Monte" gewinnen.

Arriba Estrella – Mercedes-Benz gibt in Südamerika richtig Gas!

In den 60er Jahren sind die Straßenrennen in Argentinien ein Publikums-Magnet. Am 26. Oktober 1961 auch am Start Walter Schock, der wie 207 andere Fahrer auch, de Großen Straßenpreis von Argentinien gewinnen möchte. Die Teilnehmer erwartet ein hartes Rennen auf einer 4600 Kilometer langen Route mit rund 3000 Meter Höhenunterschied. Der Große Straßenpreis von Argentinien endet am 5. November mit einem Doppelsieg für Mercedes-Benz. Walter Schock und Rolf Moll kommen als erste ins Ziel, gefolgt von Hans Herrmann und Rainer Günzler auf Position zwei. „Es war wohl mein schwerstes Rennen, das ich je gefahren bin“, sagt Rallye-Champion Schock nach der Rückkehr aus Südamerika. Juan Manuel Fangio persönlich hat zusammen mit Rennleiter Karl Kling die von der Stuttgarter Marke unterstützten Teams begleitet.

Flugstunden mit Eugen Böhringer

Von 1962 an sorgt ein anderer Fahrer der Stuttgarter Rennabteilung für Siege: Eugen Böhringer, der bereits seit 1957 Mercedes-Benz Wagen bei Rallyes pilotiert, gewinnt in dieser Saison die Rallye-Europameisterschaft. Mit seinen Beifahrern Peter Lang und Hermann Eger fährt Böhringer in dieser Saison unter anderem bei folgenden Rennen Punkte ein: Rallye Monte Carlo (2. Platz), Tulpen-Rallye (7.), Rallye Akropolis (Sieg), Rallye Mitternachtssonne (5. Platz), Polen-Rallye (Sieg), Rallye Lüttich – Sofia – Lüttich (Sieg) und Deutschland-Rallye (2. Platz).

SLS – der Super SL

Im interessanten Absatzmarkt Nordamerika tritt Mercedes-Benz mit einem speziell für die amerikanische Sportwagen-Meisterschaft gebauten 300 SLS an. Diese Veranstaltungen haben allerdings mehr Rundstreckencharakter und werden daher hier nur am Rande erwähnt. Das 1957 auf die Beine gestellte Auto basiert auf dem Serien-Sportwagen 300 SL, ist jedoch dank des auf 900 Kilogramm reduzierten Gewichts und der von 215 auf 235 PS angehobenen Motorleistung in der Lage den erstarkten Corvetten und den Jaguar D-Types Paroli zu bieten. Dem Amerikaner Paul O'Shea sichert der SLS den dritten Titelgewinn in Folge, nach zwei Siegen auf 300 SL Coupé in den Jahren 1955 und 1956.

Auch ein 190 D kann Rennen gewinnen

Zugegeben, ein Temperamentsbolzen war der 190 D nie. Auch für damalige Verhältnisse nicht. Aber in Sachen Zuverlässigkeit war er unschlagbar. Und Zuverlässigkeit war das, was auf der 14 000 Kilometer langen Rallye Mediterranée – Le Cap 1959 zählte Interessanterweise wurde dieses Autopilotiert von Sportdirektor Karl Kling und dem Journalisten Rainer Günzler.

Seit den Siebzigern wieder auf der Rallyepiste

Mercedes-Benz tauchtt im Jahr 1977 wieder in den Siegerlisten auf: Bei der Marathon-Rallye London – Sydney fahren werksunterstützte Mercedes-Benz 280 E die schnellsten Gesamtzeiten. Ein 280 E geht 1978 auch als Werkswagen bei der East-African-Safari an den Start. Im gleichen Jahr starten vier 450 SLC (C 107) mit 230 PS und Automatikgetriebe bei der Südamerika-Rallye „Vuelta a la América del Sud“. Das 30 000 Kilometer lange Rennen im August und September endet mit einem Fünffachsieg für Mercedes-Benz.

Ein Jahr später trägt der seriennahe Rallye-Wagen die Bezeichnung 450 SLC 5.0, sein aufgebohrter Achtzylinder mobilisiert nun 290 PS, genug für einen Vierfachsieg bei der 5000 Kilometer langen Bandama-Rallye in Afrika. Im Jahr 1980 nimmt Daimler-Benz in vollem Umfang an der Rallye-Weltmeisterschaft teil. Das Fahrzeug ist ein bis zu 340 PS starker 500 SLC. Gegen harte Konkurrenz schaffen Björn Waldegaard / Hans Thorszelius und Jorge Recalde / Nestor Straimel zum Saisonende erneut bei der Bandama-Rallye einen Doppelsieg. Das ist gleichzeitig der letzte werksseitige Rallye-Einsatz der Daimler-Benz AG, denn im Dezember 1980 entscheidet der Vorstand, dass sich die Stuttgarter aus Kapazitätsgründen aus der Weltmeisterschaft zurückziehen. Wie wir heute wissen, kein Beschluss für die Ewigkeit. Im Gegenteil, Mercedes-Benz sucht die herausforderung nicht nur in der Formel1 oder der DTM, sondern auch abseits des Asphalts. Und wenn es - wie jüngst geschehen - in Form von zwei Vianos ist, die bei einer Offroad-Rallye für Frauen mächtig Staub aufwirbeln!

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