Die Neckar-Pagode

Versenkt, versumpft aber nicht vergessen: eine sicherlich einzigartige Mercedes-Benz Pagode

Die Neckar-Pagode: Versenkt, versumpft aber nicht vergessen: eine sicherlich einzigartige Mercedes-Benz Pagode
Erstellt am 13. Oktober 2011

Der Mercedes-Fan, der zum großen Mercedes-Treffen nach Tempelhof gekommen war, schaute erst ungläubig, dann schlug er entsetzt die Hand vor den Mund, zuletzt machte sich nur noch Fassungslosigkeit breit: sein Blick hangelte sich ein einem verrosteten und durchlöchertem Etwas entlang, das tatsächlich einmal eine Pagode gewesen sein ist! Die Neckar-Pagode, dort versunken vor mehr als 30 Jahren, um dann im Sommer 2006 zufällig wieder entdeckt und geborgen zu werden.

Die Neckar-Pagode versank vor 30 Jahren in den Fluten

Harter Stoff für das Publikum! Nicht jeder konnte oder mochte die "Wasserleiche" sehen!



Pagoden gab es beim Mercedes-Treffen „Mercedes-Benz & Friends“ viele, aber keine war wie diese. Hingestellt oder besser gesagt aufgebahrt in einem Hangar, in dem sich mehrere Clubs befanden, u.a. auch der Mercedes-Benz SL Club Pagode. Ein merkwürdig zerknüllter und perforierter Blechhaufen zog da die Umstehenden in ihren Bann. Ein genauerer Blick bestätigte: das ist –oder besser gesagt – das war einmal eine Pagode. Eine weiße offensichtlich. Der Blick auf die Kofferraumklappe führt zu einem überraschenden Resultat: dort findet sich tatsächlich noch das Typenschild. Ein 230 SL versank vor ungefähr 30 Jahren in den Fluten des Neckar. Und das, was dort in Berlin zu sehen war, waren dessen Überreste.

Und diese sind – je nach Blickwinkel – einfach nur mitleidserregend erbärmlich, oder faszinierend oder in Teilen sogar überraschend gut erhalten. Wir z.B. die Endrohre des Auspuffs oder auch der Tankverschluss. Selbst die Stoßstangen sehen nicht schlechter als bei manchem Scheunenfund aus (Wobei man dort bekanntlich oft auch das Gefühl hat, der Finder habe seinen Scheunenfund eher in einem Teich gefunden!) Aber weder die Blechteile, noch die Technik lassen sich sinnvollerweise an einer anderen Pagode weiterverwenden. So haben die Substanzen im Neckar – auch da war und ist ja bekanntlich nicht immer nur Wasser drin – den Zylinderkopfdeckel durchgefressen und das Stirnrad freigelegt. Die Scheiben sind komplett verschwunden.

Club-Credo: "Wir geben keine Pagode auf!"

Schon erstaunlich, was nach 30 Jahren Wasserbad so übrig bleibt!



Den Autor erinnerte die Pagode ein bisschen an den 2007 ausgegrabenen Plymouth Belvedere, der anlässlich des 50. Jahrestags von Oklahoma in einem Betonsarg in Tulsa verbuddelt wurde und der zum Entsetzen aller – weil dann in den Beton doch Luft und Grundwasser eindrang – als verrostete Chrom-Leiche zum Vorschein kam. Aber hier war der Fall ja etwas anders gelagert. Warum also hebt man so ein Gefährt auf? "Wir geben keine Pagode auf!" Erklärt der freundliche Club-Kollege am Stand des Clubs, kann aber über die Zusammenhänge auch nicht mehr sagen als „Da war jede Menge Schlamm drinne!“ und „Wir haben da einen Zettel hingehängt!“ Na, das ist doch schon mal was und auf dem "Zettel" ist dann auch der Hinweis auf den Technik-Referenten des Clubs gegeben.

Michael Lenhardt, seines Zeichens der besagte Technik-Referent des Mercedes-Benz SL Club Pagode kann den bemerkenswerten Schrotthaufen dagegen schon sehr plausibel erläutern: "Sie können heute jedes Auto restaurieren. Und es hat auch schon mal jemand Interesse bekundet, genau dies mit unserer Wasserleiche zu tun. Aber dann ist diese Pagode eine Pagode wie jede andere und das wollen wir eigentlich nicht. Also bleibt Sie erst einmal wie sie ist.“ Einzigartig ist sie in der Tat und ihre Herkunft völlig ungeklärt.



Die Neckarsubstanzen hatten sich durch den Zylinderkopfdeckel gefressen und das Stirnrad freigelegt!

Restauration möglich? Vielleicht - doch die Neckar-Pagode soll bleiben wie sie ist!

So sah die Pagode aus, als sie im Sommer 2006 aus dem Schlamm des Neckars geborgen wurde.



Und das ist für sich genommen doch schon spannend genug. Denn wieso endete die letzte Fahrt der damals noch fast neuwertigen Pagode im Neckar? Obwohl die Fahrgestellnummer identifiziert werden konnte, gelang es auch der Polizei nicht, dieses Rätsel aufzulösen. Und noch heute liegen die Gründe dafür im Dunkeln. Hat die Sonnenbrille etwas damit zu tun, die sich noch im Fußraum fand?

Die ungelöste Vorgeschichte inspirierte den Mercedes-Benz SL Pagoden Club vor geraumer Zeit, seine Leser zu motivieren für das clubeigene Magazin, Geschichten einzusenden, wie sich die Geschichte damals abgespielt haben könnte.

Die Pagodenfreunde waren kreativ: Ein Beziehungsdrama? Ein Versicherungsbetrug? Oder einfach nur eine kleine aber peinliche Unachtsamkeit. Aber die Wahrheit konnten Michael Lenhardt und seine Clubkameraden bis heute nicht herausfinden.

Am Endrohr glänzt noch ein bisschen Chrom

Sicher ist nur: es war die Handbremse gelöst und der zweite Gang war eingelegt! Können Sie sich an einen verregneten Sonntagabend erinnern, in dem falsch abgebogen sind und plötzlich auch nasse Füße bekamen? War da nicht mal eine merkwürde Begebenheit vor langer Zeit, an die Sie sich nur noch dunkel erinnern? Oder fehlt nicht doch eine Ihrer schönen Sterne in der Garage? Wer weiß, ob sich dieses Rätsel der Neckar-Pagode jemals wird lösen lassen?



Text: Thomas Ebeling

Fotos: Marcus Berger, Thomas Ebeling



Mercedes-Benz SL Club Pagode: http://slpagode.mercedes-benz-clubs.com

34 Bilder Fotostrecke | Die Neckar-Pagode: Versenkt, versumpft aber nicht vergessen: eine sicherlich einzigartige Mercedes-Benz Pagode 230 SL #01 #02

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