Puch G on tour

Nix da “Au Backe”: Zahnarzt baut Ösi-G-Klasse zum Camper um

Puch G on tour: Nix da “Au Backe”: Zahnarzt baut Ösi-G-Klasse zum Camper um
Erstellt am 4. November 2016

Die G-Klasse hat ihren Ursprung bekanntlich in einer 1972 beschlossenen Übereinkunft zwischen  der Daimler-Benz AG und der damaligen Steyr-Daimler-Puch AG im österreichischen Graz. Zur Markteinführung im Jahr 1979 wurde die G-Klasse unter zwei verschiedenen Marken-Bezeichnungen angeboten: In Österreich, der Schweiz und den Ländern des COMECON wurde sie als „Puch“ vertrieben, in allen anderen Ländern trug sie den Mercedes-Stern. Erst seit 2000 wird die G-Klasse weltweit unter der Marke Mercedes-Benz vertrieben. Mercedes oder Puch? Das war dem Schweizer Globetrotter Tobias Guggenbühl eigentlich egal.  Seine Anforderungen an ein Reisemobil waren keine Frage der Marken- bzw. Modellbezeichnung. Er wollte einen Geländewagen,‭ ‬in dem er kochen und übernachten konnte.‭ ‬Hin und wieder mal eine Dusche,‭ ‬das wäre auch nicht schlecht.‭ ‬Schließlich wollte der Zahnarzt unabhängig von Campingplätzen sein.‭ Der altehrwürdige Puch 300 GD mit mehr als 3 Jahrzehnten auf dem Buckel  gab ihm, wonach er verlangte.

‭G-Klassiker mit Puch-Emblem

Mit‭ „‬sehr,‭ ‬sehr viel Glück und Charme‭“ ‬konnte Guggenbühl vor rund einem Jahr von einem renomierten Architekten aus St.‭ ‬Moritz einen‭ ‬300-er GD abkaufen.‭ ‬Zu einem,‭ ‬na sagen wir mal,‭ ‬ausgesprochen günstigen fünfstelligen Franken-Preis.‭ ‬Erstbesitzer des kantigen Kult-Allradlers war die Sauber AG‭ ‬-‭ ‬ja,‭ ‬die Firma von Peter Sauber,‭ ‬die nicht nur Offroad,‭ ‬sondern auch in der Formel‭ ‬1‭ ‬unterwegs war.‭ ‬Der Wagen war‭ ‬-‭ ‬und ist‭ ‬-‭ ‬offenbar in einem für sein Alter ausgesprochen guten Zustand.‭ ‬Denn:‭ „‬Als ich das letztmals mit dem Auto in der Werkstatt war,‭ ‬bot man mir das Doppelte meines einstigen Kaufpreises an‭“‬,‭ ‬freut sich der Zahnarzt.

Umfassende Fahrzeug-Biographie

Zum G gab es einen dicken Ordner mit allen Belegen,‭ ‬Rechnungen,‭ ‬und Service-Unterlagen der letzten Jahre.‭ „‬Wenn ich die Summen der letzten Jahre zusammen rechne,‭ ‬wird klar,‭ ‬dass nicht nur das Nötigste gemacht wurde,‭ ‬sondern dass richtig in das Auto investiert wurde‭“‬,‭ ‬so Guggenbühl.‭ ‬Ursprünglich war das Fahrzeug einmal weiß,‭ ‬wurde aber irgendwann in weizengelb lackiert.

Dem G wird auf den Zahn gefühlt

Da ihn sein Beruf zeitlich sehr beansprucht,‭ ‬konnte er nur an den Abenden und den seltenen freien Wochenenden an seinem kleinen Projekt arbeiten.‭ ‬Außerdem gibt er unumwunden zu,‭ ‬dass‭ „‬man so einiges wohl hätte professioneller machen können‭“‬.‭
Eine der Grundbedingungen für Guggenbühls Um-‭ ‬bzw.‭ ‬Ausbaus seines G war,‭ ‬dass dieser innerhalb einer guten halben Stunde wieder rückgängig gemacht werden kann.

Gut bedacht

Einen massiven und verzinkten Dachträger für die zugelassene Dachlast von‭ ‬300‭ ‬Kilogramm fand der Schweizer auf einer Auktions-Plattform im Internet.‭ ‬Rund‭ ‬2.000‭ ‬Schweizer Franken hatte den Vorbesitzer die‭  ‬Spezialanfertigung gekostet.‭ ‬Um Höhe zu sparen,‭ ‬sägte Guggenbühl den Korb des Dachträgers schlicht ab.‭ ‬Denn obenauf sollte ein Maggiolina Dachzelt für Lebensgefährtin Sarah und den Besitzer des G montiert werden.‭ ‬Was sich als‭ „‬grosser Denkfehler‭“ ‬herausstellte.‭ ‬Denn der G passte mit Dachträger und montiertem Dachzelt nicht mehr in die Garage.‭ „‬Peinlich‭“‬,‭ ‬so gibt Guggenbühl zu.‭ ‬Und er ergänzt schmunzelnd:‭ „‬Zum Glück konnte ich das Dachzelt teurer wieder verkaufen als ich es erworben habe‭“‬.‭


G als Schlafwagen

Damit war es ziemlich klar:‭ ‬Eine andere Lösung muss her.‭ ‬Schlafen im‭ ‬-‭ ‬und nicht auf dem‭ ‬-‭ ‬Wagen.‭ ‬Zuerst einmal baute Guggenbühl die Rückbank des G aus,‭ ‬um Platz zu schaffen.‭ ‬Da im Heck des G nur rund‭ ‬180‭ ‬Zentimeter zur Verfügung stehen,‭ ‬und er doch fürs Schlafen gerne eine Länge von zwei Metern hätte,‭ ‬musste eine einfache Konstruktion her.‭ ‬Schiebt man die Sitze im Fahrerhaus ein wenig nach vorne,‭ ‬lässt sich die Liegefläche,‭ ‬die aus einem fest montierten hinteren und einem überlappenden vorderen Brett besteht,‭ ‬ohne Umklappen auf zwei Meter Länge‭ „‬ausfahren‭“‬.‭  ‬Die acht Zentimeter dicke Visko-Matratze ruht auf zwei Holzablagen.‭ ‬Für den hinteren Teil des Bettes sind auf beiden Seiten Winkel verschraubt.‭ ‬Der vordere Teil des wird ganz einfach auf die vorhanden Montagevorrichtung der Rückbank gelegt.‭ ‬Ganz vorne ruht das Brett auf Tischbeinen.‭ ‬Von der Holzunterlage bis zum Dach gibt es‭ ‬-‭ ‬ohne Matratze‭ ‬-‭ ‬eine lichte Höhe von‭ ‬72‭ ‬Zentimeter.‭ ‬Unter dem Bett finden Kisten mit einer maximalen Höhe von bis zu‭  ‬45‭ ‬cm Platz.

Scheibentönung muss sein

Damit man im Fahrzeug auch ungestört schlafen kann,‭ ‬entschied sich Guggenbühl gleich für zwei Massnahmen.‭ ‬Eine Tönung der Scheiben im Heck schützt nicht nur wirksam vor neugierigen Blicken,‭ ‬sondern reduziert auch die Wärme im Auto.‭ ‬Den lichtundurchlässigen dicken Stoff für die Vorhänge erwarb der Schweizer relativ preisgünstig bei einem unmöglichen schwedischen Möbelhaus.‭ ‬Freundin Sarah half ihm‭ „‬zum Glück‭“ ‬beim Nähen.‭ ‬Der Vorhang besteht aus insgesamt vier Teilen,‭ ‬deren Enden sich mit Klettverschlüssen verbinden lassen.

Komplette Camperausstattung

Hinter dem Beifahrersitz wurde ein‭ ‬20‭ ‬Liter fassender Wasserkanister mit elektrischer Wasserpumpe montiert.‭ ‬Die Konstruktion taugt beim Campen abseits der Piste auch als mobile Dusche.‭ ‬Damit im Auto gekocht werden kann,‭ ‬musste eine improvisierte Küche her.‭ ‬Zur Montage an der Hecktür baute der Zahnarzt daher einen ausklappbaren Tisch.‭ ‬Es fehlte noch ein Kühlschrank sowie dessen Stromversorgung.
Guggenbühl entschied sich für eine Engel Kühlbox sowie für eine zweite Optima Yellow Verbraucher-Batterie.‭ ‬Da er verhindern wollte,‭ ‬dass er wegen Strommangel sein Auto nicht mehr starten kann,‭ ‬ließ er bei der Installation der Elektrik die Starter-Batterie aus dem Spiel.‭ ‬Zweitbatterie und Kühlbox wurden auf einen praktischen Auszug montiert.‭ ‬Der Auszug baut auf einer massiven Eisenplatte auf,‭ ‬die an den vorhandenen Befestigungsschrauben der Rückbank befestigt ist.‭ ‬Die Bordbatterie wird bei laufender Lichtmaschine geladen und hält mit‭ ‬75‭ ‬Ah die Engel Kühlbox für ganze drei Tage auf‭ ‬6°‭ ‬Celsius. Rechts vom Handschuhfach wurde ein kleiner Wechselrichter eingebaut.‭ ‬Dieser arbeitet via Sicherung und Relais nur bei laufendem Motor.

Passt: Das Vorzelt schütz vor Sonne und Regen

An den Dachträger passt über eine Kederschiene ein‭ ‬240‭ ‬x‭ ‬300‭ ‬cm grosses Vorzelt,‭ ‬das vor Sonne und Regen schützt.‭ ‬Auf dem Dachträger selbst reisen zwei Fahrräder mit.

Auf große Fahrt mit dem G

Rund drei Monate hat der Ausbau gedauert.‭ ‬Die erste größere Reise hat der G mittlerweile schon hinter sich.‭ ‬In drei Wochen ging es von Zürich die ganze italienische Ostküste hinunter bis nach Apulien und dann die Ostküste am Mittelmeer wieder hoch.‭ ‬Der Ausbau hat den Test bestanden,‭ „‬er hat sich zu hundert Prozent bewährt,‭“ ‬so der Zahnarzt.‭ „‬Ich würde am ganzen Ausbau nichts ändern,‭ ‬ausser künftig eventuell ein paar gute Musik CDs einpacken‭ ‬-‭ ‬Oldies natürlich‭“‬.‭ ‬Gute musikalische Unterhaltung dürfte auch nicht schaden,‭ ‬wenn Guggenbühl zu seiner Traumreise aufbricht.‭ ‬Sein Ziel ist die Teilnahme an der Baltic Rally.‭ ‬Im Jahre‭ ‬2018‭ ‬soll es so weit sein.‭ ‬Selbstverständlich mit dem G.

Text:‭ ‬Gerhard Prien,‭ ‬Fotos:‭ ‬Tobias Guggenbühl‭ (48)‬,‭  ‬Valentin Luthiger‭ (‬10‭)

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