Mercedes Benz 300 "SLS": Leichte Kost?

Zwei SLS-Exemplare hat Mercedes-Benz gebaut – das ist der Dritte!

Mercedes Benz 300 "SLS": Leichte Kost?: Zwei  SLS-Exemplare hat Mercedes-Benz  gebaut – das ist der Dritte!
Erstellt am 9. Juli 2009

Das war schon ein merkwürdiges Bild, was sich dem Betrachter bei den Mercedes-Race Days in Oschersleben bot. Beim freien Training tummelte sich mitten bei der Musik zwischen 2.3-16V und AMG-Geräten ein 300 SL. Augenscheinlich nicht fertig restauriert. Das „Blech“ war unlackiert, zeugte noch von Schleifspuren und die Windschutzscheibe war auch noch nicht montiert.

Es stellte sich die Frage: Was wird so ein 300 SL im Renntrim unter der Haube haben? 220, 230 PS? Hinten Pendelachse und rundum Trommelbremsen? Und trotzdem ganz dicht dran an den modernen Sternen? Respekt, der Pilot, Falk Weindler aus Kempten, kann fahren. Gut, dieser gab hinterher bescheiden zu Protokoll, das alles nicht mehr so ganz mitbekommen zu haben, weil Benzin ausgetreten und in den Fußraum getropft war. Was? Wie bitte? So, besser wir drücken jetzt mal auf den Knopf „Rückspulen!“ und fangen noch mal von vorne an!





Falk Weindlers Alu-SLS-Replika ist ganz nah an den verschollenen Originalen!

Au backe – ein Zahnarzt greift an!

Der Zahnarzt Paul O'Shea orderte den SLS, um in der S.C.C.A. zum dritten Mal in Folge die Meisterschaft zu gewinnen

1955 und 1956 gab es in den USA einen motorsport-begeisterten Zahnarzt, der in der populären Sportwagen-Rennserie des S.C.C.A. (Sports Car Club of America) so etwas wie ein inoffizieller Mercedes-Werksfahrer war und zur Freude von Daimler-Benz of America wusste sich dieser Paul O'Shea gegen Porsche, Jaguar, Aston Martin und Corvette durchzusetzen. Das Ergebnis waren zwei Titel in der S.C.C.A.-Meisterschaft, was für die Popularität der Marke Mercedes-Benz sicher von Vorteil war. Denn damals galt noch uneingeschränkt: „Win on Sunday, sell on Monday!“

Nur zeigte sich bereits im Laufe der Saison 1956, dass der Mercedes 300 SL– wollte er konkurrenzfähig bleiben – gewichtsmäßig abspecken musste. Und so erging am 21.12.1956 an die Mercedes-Benz Entwicklungsabteilung der Auftrag, zwei Renn-SL zu bauen. Und zwar zwei ganz spezielle Renn-SL! Diese beiden Autos erhielten alsbald die Bezeichnung 300 SLS, wobei davon auszugehen ist, dass diese Buchstabenkombination für „Sport Light Special“ steht.



Loch an Loch - und hält doch! Auch hier orientierten sich Weindler und Kleissl an Original-Aufzeichnungen!

Ein Duo aus Alu

Die beiden für Paul O'Shea gebauten Fahrzeuge waren optisch bis auf kleinere Details identisch. Ein Exemplar entstand auf einem bereits bestehenden Versuchs-Roadster, der dafür allerdings komplett gestrippt und nach den geforderten Spezifikationen neu aufgebaut wurde. Das andere Modell entstand komplett neu. Die große Besonderheit dieser O'Shea-Zwillinge war ihre komplette Alu-Karosse. Anstelle einer strömungsungünstigen und schweren Frontscheibe beschränkten sich die SLS-Roadster mit einer niedrigeren Plexi-Rennscheibe.

Zur Alu-Karosse gesellte sich gewichtsmindernde Feinarbeit bei den Bremsen und beim Motor. So gelang es den Mercedes-Technikern z.B. durch Verwendung von Alu-Bremszylindern bei den Bremsen 5,3 kg einzusparen, der Renn-Reihensechszylinder mit Alu-Block und Alu-Köpfen wog rund 61 kg weniger als die Serie. Und ein auf die Hälfte des Volumens reduzierter Wasserbehälter brachte auch noch das ein oder andere Pfund. Insgesamt war der SLS exakt 337 kg leichter als ein herkömmlicher SL und blieb ohne Sprit unter 920 kg. Wer jetzt in Betracht zieht, dass zu dem reduzierten Gewicht, ein für den Einsatzzweck optimierter Motor ins Spiel kommt, der kann sich sicher vorstellen, dass so ein SLS ganz gut gehen müsste.

Unter der seriennahen Optik versteckte sich ein hochmodifiziertes Modell!

Das Erscheinungsbild orientierte sich optisch weitgehend am Serien-Roadster, sogar der Chromtrimm war bis auf die Stoßstangen vorhanden. Schließlich sollte doch gar nicht erst der Eindruck erweckt werden, hier einen speziell aufgebauten Werkswagen vor sich zu haben, der im Übrigen nicht bei den seriennahen „Standard Production Cars“, sondern bei den „Special Sports Cars“ antrat. Aber die die optische Nähe zur Serie war sicherlich wichtig für den Verkauf! Vorausgesetzt O'Shea konnte gewinnen! Zumindest sammelte er Punkte und wurde auch 1957 wieder Meister in seiner Klasse! Im gleichen Jahr beendete Mercedes sein Engagement im amerikanischen Rundstreckenrennsport und über die Jahre verlor sich die Spur der Originalautos.

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Idee für den Neuaufbau

Wie das – speziell bei verschollenen Rennwagen so ist – mit der zunehmenden Professionalisierung des historischen Rennsports tauchen natürlich Exemplare auf, die ihr Leben vielleicht als normaler 300 SL-Roadster begonnen haben, dann kam ein Bus von rechts und später vielleicht ein Enthusiast, der sich an die O'Shea Twins erinnern konnte. Wie Falk Weindler, der seinen Traum vom rennmäßig gefahrenen SLS wahrmachen wollte. Weindler war von Kindesbeinen an Mercedes-Fan. „Ich konnte schon im Kinderwagen am Türenschlag erkennen, ob es ein Mercedes ist, oder nicht!“, so der Steuerberater, der heute eine kleine aber feine Mercedes-Sammlung sein Eigen nennt.

Sein Herz schlägt für den guten Stern: Mercedes-Enthusiast Falk Weindler

Der Kemptener recherchierte erst einmal die Faktenlage und wandte sich dann an die Spezialisten HK Engineering, mit dem Auftrag, eine möglichst originalgetreue Replika mit Alu-Karosse zu bauen. HK steht für Hans Kleissl. Und der weiß eine Menge über den 300 SL und seine Ableger. Und dass ist, wenn man ganz nah ran ans Original will, sicher von Vorteil. So auch in diesem Fall, hatte er doch durch des Schicksals Fügung gerade einen der original SLS Alu-Motoren ergattern können. Falk Weindlers Entschluss stand fest: „Ich will den leichtesten SLS haben – und einen der ganz nah dran war an dem ursprünglichen Konzept!“ Also Alu-Karosse, Alu-Motor und viele gewichtsreduzierende Löcher!

Ein echtes SLS-Herz

Die meisten SLS-Repliken fahren neben dem herkömmlichen Guss-Motor auch einen Gusseinlass. Weindlers Geschoss dagegen verfügt über einen Einlass aus Stahlblech, der nicht nur leichter ist, sondern auch dem Durchsatz weniger Widerstand bietet. Vermutlich ist dieser Ansaugtrakt das einzig verbliebene Original aus dem damaligen SLS-Programm. Der den Spezifikationen des original-SLS-Triebwerks entsprechende 3-Liter-Alu-Reihensechszylinder produziert bei 6.300 U/min runde 238 PS. Naja, und damit ist der rasende Steuerberater wie oben erwähnt auch ganz flott unterwegs. Von 0-100 km/h vergehen rund 4 Sekunden. Und natürlich fehlt nicht etwa wie eingangs beschrieben eine Windschutzscheibe, sie gehört einfach nicht an einen SLS! Eine Eingelenk-Pendelachse dagegen schon und eine 80 mm Tieferlegung sogar auch! 80 mm! Da pfeift ein junger Tuning-Freund aber anerkennend durch die Zähne! „Respekt, Alter!“

Wer sich dann mit der neu aufgebauten Karosse des Weindler SLS beschäftigt, staunt über die Konsequenz bei der Gewichtsersparnis.Wo es ging und Sinn machte, wurde Material durch das Bohren von Löchern entfernt. Das Ergebnis ist ein Leergewicht von 920 kg! Weindler hatte in der Zwischenzeit eine Menge Originalaufnahmen aufgetrieben, die als „Bauanleitung“ herhalten mussten! Weindlers SLS jedenfalls ist dank der herausragenden Kenntnisse eines Hans Kleissl ganz nah an den beiden Originalen, von denen man bis heute nicht weiß, wo sie abgeblieben sind. Und er ist vielleicht der einzige, in dem ein echtes SLS-Herz von damals schlägt.

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2 Kommentare

  • Veteranenclub

    Veteranenclub

    Gerade die Optik, ohne Showroom-Lackierung, macht aus diesem Gefährt den richtigen Sportwagen. Hut ab vor dem Einsatz und natürlich Glckwunsch zu den aufgestöberten Teilen! MfG Jörg
  • HerrLehmann

    HerrLehmann

    Für einen Klassiker sieht der aber ein bisschen schäbig aus!

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