Kommentar: das wundersame Winterkorn-Video

Viral oder Qual? - Thomas Ebeling über ein doch sehr nachdenklich stimmendes YouTube Winterkorn Video.

Kommentar: das wundersame Winterkorn-Video: Viral oder Qual? - Thomas Ebeling über ein doch sehr nachdenklich stimmendes YouTube Winterkorn Video.
Erstellt am 30. September 2011

Jetzt hat es VW-Boss Martin Winterkorn auch zum YouTube-Star geschafft. Über 1,2 Millionen Klicks für ein "Amateuer-Video", das einen grantelnden Martin Winterkorn auf der IAA zeigt, wie er den neuen Hyundai I30 inspiziert. „Insbesondere die Lenkradverstellung des Koreaners erregt seine Aufmerksamkeit. Diese funktioniert offensichtlich gut und geräuschlos! Zu geräuschlos! Und schon poltert Winterkorn los: „BMW kann es nicht! Wir können es nicht? Warum kann’s der?“ Und grantelt dabei munter weiter! Vor allem der herbeizitierte VW-Design Chef, Klaus Bischoff schaut dabei schlecht aus: „Bischoff!!! Ich hör hier nix!“ Was sehen wir hier? Einfach nur geheim gefilmte Chef-Schelte? Sehr her, so springt Winterkorn mit uns um? Oder – und das ließ jetzt die Süddeutsche Zeitung anklingen – einfach nur ein brillant plaziertes virales Video Nicht von Hyundai, sondern staunenswerterweise von Volkswagen? Eine solche Überlegung würde ja voraussetzen, dass das Video in letzter Konsequenz für VW noch einen positiven Nutzen hätte. Welcher könnte das sein?

Mir fallen dazu mehrere Fragen ein?

Wer filmt denn da eigentlich? Ein Normalsterblicher schafft es in der Regel nicht auf den Rücksitz, wenn ein Auto-Vorstand (neben Winterkorn scheint VW-Konzern Designchef Walter da Silva zu sitzen!) einsteigt. Dafür sorgen allein schon die Bodyguards. Und so sieht man auf dem verwackelten Handy-Video auch den Respektsabstand, den die Umstehenden dem VW-Tross zeihen. Nur unser unbekannter Filmer läuft arglos durch die Meute der Marketing-, Technik und Design-Spitze des VW-Konzerns. Wer also saß da hinten im Auto? Manche behaupten ein hochrangiger VW-Mitarbeiter. Winterkorn schaut mehrfach direkt in die Kamera. Ihn müsste man mal fragen, er würde sich erinnern können. Aber solche Fragen beantwortet Herr Winterkorn nicht!

Kann es also wirklich ein virales Video von VW sein?

Wenn ja, würde es bedeuten, dass VW eine Botschaft hat und von diesem Video profitiert. Ist das so? Wie bewertet die Öffentlichkeit und/oder die eigene Belegschaft diesen Winterkorn-Auftritt? Wird hier ein grantelnder Chef und ein barsches Kommunikationsklima untereinander gezeigt, oder ist hier etwa ein anpackender Chef zu sehen, ein Macher, der auf das Meetinggesülze nichts gibt und selbst die Fragen aufwirft? Ein Chef, der eindringlich allen aufzeigt, dass die Koreaner Volkswagen nicht nur eingeholt, sondern überholt haben. Ist das der Schuss vor den Bug, einer VW-Unternehmenskultur, von der die VW-Entscheider oft beklagen, sie sei fest in der Hand der Arbeitnehmervertreter? Hat Winterkorn dieses Video als eindringliches Wachrütteln für seine Mitarbeiter am Band gedreht? Das würde bedeuten, dass die Adressaten das Video genau so verstehen! Ob ihn die VW Azubis durch den YouTube-Auftritt cooler finden, wird wohl nur ein VW Azubi selbst beantworten können.

Wie findet die öffentliche Meinung diesen Chef?

Die Mehrheit derjenigen, die nun in den Foren munter drauflos diskutieren, amüsieren sich über den VW Boss und sie schildern ihre eigenen Erlebnisse mit schlampig verarbeiteten Golfs, VW-Bussen und Touaregs. „Da solle sich Herr Winterkorn mal reinsetzen!“, so die gemeinsame Botschaft. Und dann gibt es die paar wenigen, die in die Diskussion einwerfen, dass es doch nicht schlecht sei, wenn der Chef selbst anpackt! In der Tat zieht Martin Winterkorn in diesem Video die Maßbänder zu Rate und misst. Aber was misst der da eigentlich? Sehen wir hier einen Chef, der anpackt, oder sehen wir hier einen Boss, der seinen Stab herrisch zusammen raunzt? Auch darauf gibt es in den Foren eine Antwort. „Das sei der herzlich rauhe Ton unter Ingenieuren! Und unter F.P. (Ferdiend Piech) sei es übrigens noch schlimmer gewesen“, so liest man im Spiegel-Forum. Ob dieser Beitragsschreiber in einem viralen VW-Video gern die Rolle des „Bischoff“ spielen würde, verrät er uns leider nicht? Wobei sich ohnehin die Frage stellt, ist Klaus Bischoff als Design-Chef verantwortlich für die technische Lösung? „Dieser entschuldigt sich: „Wir hatten da auch eine Lösung, aber die war zu teuer!“ Ist das die Botschaft? An das Controlling von VW? Oder an den Kunden? „Seht her wir könnten es besser, wenn ihr nur den Preis dafür zahlen würdet!“ Oder wird hier – quasi nebenbei - vor aller Augen mal eben auch noch Design-Chef Klaus Bischoff demontiert?

Viral oder nicht?

Ich glaube nicht an den freundlichen Unbeteiligten im Heck. Hier steigt jemand zielstrebig zu als Winterkorn einsteigt und filmt bewusst die ganze Szenerie. Winterkorn kennt den Filmenden, er schaut mehrfach in dessen Richtung. Ob hier ein „Meisterwerk“ der viralen Kommunikationskünste von VW zu sehen ist, was der Betrachter von VW erwartet. Reichweite macht das Video! Aber mit welcher Botschaft. Ist hier ein anpackender Chef zusehen, der seine Belegschaft und den Kunden wachrüttelt? Ist das die VW-Kultur, die die Kunden schätzen? Vielleicht glauben die gedanklichen Urheber dieses Videos ja gerade, dass die „gezeigte Haltung“ die frohe Botschaft ist. Wenn dem so wäre, ließe dies tief blicken in die Wolfsburger Konzern-Philosophie. Und ob einem das wirklich gefällt, was man da sieht, weiß ich nicht. Einer wüsste darauf vielleicht eine Antwort: „Bischoff!“

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