Entscheidende Augenblicke

Der Boxenstopp aus der Sicht von DTM-Fahrer Gary Paffett

Entscheidende Augenblicke: Der Boxenstopp aus der Sicht von DTM-Fahrer Gary Paffett
Erstellt am 19. März 2015

Im Motorsport geht es stets um Bruchteile von Sekunden. Ganz besonders in einem derart engen Feld wie in der DTM. Ein von vielen Zuschauern unterschätzter Aspekt ist hierbei der Boxenstopp. Ex-DTM-Champion und aktueller Mercedes-AMG-DTM-Pilot Gary Paffett erklärte uns in einem persönlichen Gespräch die Bedeutung des Boxenstopps aus der Sicht des Rennfahrers.

Gary Paffett freut sich auf die neue Saison

 

Die Crew steht bereit, das Auto rollt heran, Schlagschrauber rattern. Nach wenigen Sekunden schießt der Bolide mit frischen Reifen zurück auf die Strecke. Wie bei einer gut eingeübten Choreografie greift ein Rad ins andere, damit der Stopp perfekt klappt. Von vielen Zuschauern wird gar nicht wahrgenommen, dass es sich dabei um einen möglicherweise rennentscheidenden Moment handelt. Gary Paffett, der in seiner langen Karriere schon unzählige Pitstops miterlebt hat, schilderte uns das Ganze aus der Sicht des Fahrers. „Das DTM-Feld ist super eng zusammen. Man kämpft und gibt auf der Strecke alles, und wenn man einen richtig guten Tag hat, ist man vielleicht 0,2 Sekunden pro Runde schneller als die Gegner. Wenn dann der Boxenstopp aus irgendwelchen Gründen auch nur 2 Sekunden länger dauert, ist die harte Arbeit der letzten 10 Runden auf einen Schlag zunichte gemacht!“ Ein großer Druck also für die Mechaniker.

Ein perfekt choreografierter Tanz beginnt

 

Nicht zuletzt deshalb wird bei HWA in Affalterbach der Boxenstopp minutiös geplant und immer wieder geübt. Da das Hantieren mit den schweren Rädern in ungünstiger Position körperlich sehr anstrengend ist, steht auch Kraftsport im hauseigenen Gym auf dem Programm der Mechaniker. Außerdem betreut ein Physiotherapeut die Truppe. „Die Mercedes-Jungs hier sind nicht nur gut, sondern die absolut besten!“ ist Gary von seinen Mechanikern überzeugt. Das ist auch nötig, denn bei den Mitbewerbern von Audi und BMW ist man sich der Bedeutung von perfekten Stopps ebenfalls bewusst. Umso höher ist die Auszeichnung "Best Pit-Stop Award" von Reifenpartner Hankook zu bewerten, die das Team Mercedes-AMG im letzten Jahr gewinnen konnte!

Bei der Anfahrt ist absolute Präzision gefordert

 

Aber auch dem Fahrer kommt eine große Bedeutung beim Boxenstopp zu. Gary: „Zunächst muss man in der In-Lap, also bei der Zufahrt zur Box, absolut alles geben. Voll am Limit in die Boxengasse, dann punktgenau vor der Radarfalle bremsen, nur so kann man wichtige Zehntel retten. Viele lassen hier wertvolle Zeit liegen.“ Auch bei den eigentlichen Stopp muss man voll konzentriert sein.

Drei Mechaniker pro Rad sorgen für extrem schnelle Wechsel

 

„Ich sehe die Markierungen auf dem Boden nicht aus dem Cockpit. Meine einzige Orientierung ist die klappbare Tafel mit einer Mittelmarkierung, die vor der Windschutzscheibe hängt. Sobald die Tafel die Scheibe berührt, muss ich stehen!“, beschreibt Gary Paffett diese Gratwanderung. Nur so haben die Mechaniker, die bereits neben dem Fahrzeug hocken, die Chance, ihre Schlagschrauber punktgenau anzusetzen. Jede Abweichung, und sei es nur um wenige Zentimeter, hätte ein zeitraubendes Weiterrücken zur Folge.

Kraftakt: Körperliche Schwerarbeit

 

Aber auch wenn bis jetzt alles glatt ging, wartet auf den Fahrer noch eine Herausforderung. Bei der Ausfahrt aus der Boxengasse will er nämlich möglichst wenig Zeit liegen lassen. Das Problem: „Die neuen Reifen haften in der ersten Kurve praktisch gar nicht! Du hast extremes Untersteuern beim Einlenken, das von Power-Oversteering beim Beschleunigen gefolgt wird. Eine heikle Situation, zumal meist noch die weiße Linie droht, die man nicht überfahren darf.“ Nach einer Kurve ist die oberste Schicht allerdings runter und der Reifen greift perfekt.

Vorsicht bei der Ausfahrt! Die Reifen haben zunächst kaum Grip.

 

Einen ganz interessanten Aspekt hat Gary abschließend noch angesprochen. „Mir sind Boxenstopps in der DTM trotz der Sichtprobleme deutlich lieber als in der Formel 1. Denn dort wartet statt der Klapptafel ein lebendiger Mechaniker mit dem Wagenheber vor dem Fahrzeug. Und wenn da der Bremspunkt mal nicht stimmt...“

Fotos: DTM.com

 

 

 

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