DTM: Der neue Teamchef Ulrich Fritz im Interview

Das Mercedes-AMG DTM Team vor dem Saisonstart!

DTM: Der neue Teamchef Ulrich Fritz im Interview: Das Mercedes-AMG DTM Team vor dem Saisonstart!
Erstellt am 30. April 2015

Nur noch zwei Tage, dann startet die DTM in die Saison 2015! Für das Mercedes-AMG DTM Team ist diese Saison extrem wichtig, gilt es doch, die schlechten Leistungen des letzten Jahres vergessen zu machen. Dafür wurde das komplette Team umstrukturiert. Wir berichteten: Die Aufholjagd beginnt Kick-Off beim Mercedes-AMG DTM-Team - Maximilian Götz berichtet für Mercedes-Fans.de Nach abgeschlossener Umstrukturierung möchte Mercedes-AMG in der Saison 2015 an alte Erfolge anknüpfen und präsentiert sich bestens aufgestellt beim Kick-Off.

Im Zuge dieser Umstrukturierungen wurde auch ein neuer Teamchef installiert. Heute herrscht Ulrich Fritz über die Geschicke des Mercedes-AMG DTM Teams. Der 37-Jährige aus Remseck am Neckar war zuvor im Vorstand der HWA AG für den kaufmännischen Bereich und das Team-Management verantwortlich. Nun ist er an die Spitze des Mercedes-AMG DTM Teams gerückt und sorgt mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art dafür, dass die Umstrukturierungen umgesetzt werden.

Zur Person:

Geburtstag:
04. Mai 1977 in Heidenheim an der Brenz (Deutschland)

Familienstand:
Verheiratet, zwei Kinder

Wohnort:
Remseck am Neckar (Deutschland)

Lebenslauf

2003-2008: Sachbearbeiter Eventmarketing bei der Mercedes-AMG GmbH
2009-2011: Teamleiter Eventmarketing und AMG Driving Academy
2010: Übernahme Gesamtverantwortung für das Geschäftsfeld AMG Customer Sports (SLS AMG GT3)
2011-2013: Abteilungsleiter globale Marketing-Kommunikation & Brandings und AMG Kundensport bei der Mercedes-AMG GmbH
Dezember 2013: Vorstand bei der HWA AG, verantwortlich für den kaufmännischen Bereich und das Team-Management
2014: Mercedes-AMG DTM Teamchef

Ulrich Fritz stand uns in einem ausführlichen Interview Rede und Antwort und äußerte sich sehr offen zur aktuellen Situation des Teams.

In diesem Jahr möchte das Mercedes-AMG DTM Team wieder an alte Erfolge anknüpfen, nachdem es in der letzten Saison ja nicht so toll lief. Können Sie erklären, woher der relativ große Abstand zu BMW und Mercedes kam und was getan wurde, um diesen zu verringern?

Ulrich Fritz: Wir haben im letzten Jahr sehr viel Zeit mit der Analyse verbracht. Dabei sind zwei Problem-Bereiche ausgemacht worden. Das eine war die Aerodynamik, und da wurde ja bereits viel am Auto getan. Wir sind mit dem modifizierten Auto in Zandvoort das erste Mal gefahren und dann in Hockenheim mit allen sieben Fahrzeugen. Das ist ja auch das, was man am besten sieht. Der zweite Bereich war sicher das Verständnis für das Auto, z.B. wie muss ein Auto eingestellt sein, damit es in einem bestimmten Fenster perfekt funktioniert. Das ist ja nach wie vor - auch im Zusammenspiel mit der Aerodynamik - die größte Herausforderung in der DTM. Das Zusammenspiel von Mechanik, Aerodynamik und Fahrer muss funktionieren.

Es müssen also nicht nur einzelne Komponenten passen, sondern auch und vor allem das Zusammenspiel?

Solch einen Fahrzeugeinsatz muss man als Gesamtkunstwerk oder noch besser als Orchester begreifen. Motorsport ist nach wie vor bzw. mehr denn je ein Teamsport und nur wenn man jedes kleine Teil optimiert, wird man erfolgreich sein. Das reicht vom Auto über die Ingenieure bis hin zum Boxenstopp, der ja sehr intensiv trainiert wird. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Leider ist es so, dass nicht nur man selber sich verbessert. Es gibt in unserem Fall halt auch noch zwei Mitbewerber. Wir wissen nicht, wie diese in der kommenden Saison aufgestellt sind. Das ist auch das spannende für uns, denn vor dem Auftaktrennen in Hockenheim wird das auch nicht bekannt sein.

Sie haben mal gesagt „Wir sind Racer, wir wollen immer gewinnen, aber im Moment geht es vorrangig darum, den Abstand zu verringern.“ Nun ist das Credo von Mercedes-Benz „Das Beste oder nichts“. Heißt das, dass man sich jetzt auch über zweite Plätze freuen muss?

Nein, das heißt es nicht. Wir begreifen uns als Racer, unser Slogan ist „Keine Sekunde ohne Leidenschaft“. Wir sind uns der Verantwortung der Marke Mercedes-Benz gegenüber sehr wohl bewusst. Natürlich freut sich niemand stärker über einen Sieg als unser Team. Und natürlich lässt keiner in diesem Team irgendwas unversucht, um erfolgreich zu sein. Nur man muss auch realistisch sein. Es ist einfach so, dass uns im letzten Jahr eine Sekunde gefehlt hat, und das ist in der DTM nicht nur viel, sondern eine Welt! Deshalb darf man nicht nur kurzfristige Erfolge wollen, sondern eine nachhaltige Umstrukturierung anstreben. Natürlich freuen wir uns, wenn wir am Ende um Siege kämpfen können, das ist sicher das Ziel. Aber ob es für eine Meisterschaft reicht, kann ich heute absolut nicht sagen.

Das heißt also, man betreibt die Politik der kleinen Schritte und robbt sich an die Spitze heran?

Nein, ich glaube, das ist zu kurz gesprungen. Das große Ziel ist definitiv ein anderes. Wir möchten natürlich in der Meisterschaft ein Wörtchen mitreden. Aber wie schon gesagt: Wir kommen von einer Sekunde Abstand. Bevor wir nicht das erste Rennen gesehen haben, kann ich keine realistischen Ziele abschätzen. Ich möchte auch niemanden demotivieren, weder Team noch Fahrer. Das Loch, in das wir Anfang letzten Jahres gefallen sind, war schon sehr tief. Wir müssen jetzt einen Schritt nach dem anderen tun, und ich mache lieber die großen Schritte, keine Frage. Es wäre aber nicht seriös heute zu sagen, wir fahren um die Meisterschaft mit. Das wollen wir zwar, aber ob das der Fall sein wird, muss sich erst zeigen.

Was sagen sie zu den neuen Regeln?

Ich glaube, das ist eine große Chance für die DTM. Das neue Rennformat mit dem Samstagrennen und deutlich mehr Action am Sonntag wird beim Zuschauer ankommen. Ich bin auch der vollen Überzeugung, die Geschichte mit dem Option- und Standard-Reifen letztes Jahr hat wirklich keiner der Zuschauer verstanden, obwohl das für uns an der Boxenmauer durchaus spannend war. Wenn man sieht, dass z.B. ein Rockenfeller, der in Zandvoort haushoch geführt hat, am Ende 13. wird, nur weil das Safety-Car zum falschen Zeitpunkt raus kam, kann ich verstehen, dass sowas den Zuschauer nicht begeistert.

Der Kernaussage „Keep it simple“ hat also durchaus seine Berechtigung?

Ganz klar, und genau so hat man auch agiert. Man wollte mehr Show für die Zuschauer, also wird mehr gefahren am Wochenende. Wir möchten interessantere Wochenendverläufe, also fahren wir zwei Rennen, einmal mit und einmal ohne Boxenstopp. Wir möchten übersichtliche Rennen, also fahren wir nur mit einem Reifentyp und dadurch einfacheren Strategien. Also pures Racing. Natürlich gäbe es da noch andere Ideen, man muss aber auch aufpassen, dass man nicht zu viel ändert, weil es der Zuschauer sonst erneut nicht versteht. Das beste Beispiel war das gescheiterte Experiment mit den zwei Reifentypen.

Ist der Wegfall des Option-Reifen für Mercedes ein Vorteil oder spielt das keine Rolle?

Wenn man sich die Form im letzten Jahr anschaut, war der Audi extrem stark auf den Option-Reifen. Wir waren tendenziell eher auf den Longruns auf den Prime-Reifen stark. Das ist aber auch eine Philosophie-Frage der Abstimmung, wo man die Zeit gewinnen will. Wir hatten nicht viel zu verlieren und haben uns auf den Prime-Reifen konzentriert. Ich will nicht sagen, dass der Audi nicht auch auf dem Prime schnell sein kann. Man muss halt abwägen, ob man im Qualifying auf dem Prime schnell sein will oder im Rennen mit dem Option. Dies fällt glücklicherweise diese Saison weg.

Wäre es nicht hilfreich, in dieser wichtigen Situation für Mercedes solch bekanntermaßen gute und erfahrene Entwickler wie Gary Paffett bei HWA einzusetzen, anstatt im komplett neuen ART-Team?

Grundsätzlich haben wir unser Teamverständnis komplett umgestellt. Wir begreifen uns jetzt als ein Gesamt-Team, während es früher Kundenteams und HWA gab. Dass der Gary bei ART fährt, bedeutet nicht, dass er bei uns nicht testet. Im Gegenteil, der Gary ist voll und ganz in die Entwicklungsprozesse eingebunden. Er hat ein schwieriges Jahr hinter sich, aber wir glauben definitiv an ihn. Er hat selbst nach einer neuen Herausforderung gesucht und wollte dieses Thema ART mitgestalten. Er wird dem Team mit all seiner Erfahrung, die sicher extrem hilft, beistehen. Aber in erster Linie ist er Rennfahrer und wird seine Leistung bringen, da bin ich ganz sicher.

Wie schätzen sie persönlich die Chancen von Maximilian Götz ein, in diesem Fahrerkader zu bestehen?

Das wäre eigentlich eine ziemliche Glaskugelleserei. Motorsport, speziell DTM, ist eine sehr enge Geschichte. Ich kann nur sagen, der Max hat uns in den Tests extrem überzeugt, sonst hätte er auch das Cockpit nicht bekommen. Er hat tolle Leistungen in den DTM-Tests gezeigt, und wenn er diese Leistungen mit in die Rennen nimmt, wird das glaube ich richtig gut!

Er passt auch als Typ sehr gut zu Mercedes, oder?

Natürlich, der Maxi ist jetzt nicht der jüngste Fahrer, er hat bereits sehr viel Lebenserfahrung gesammelt, auch und speziell im sportlichen Bereich. Das unterscheidet ihn von den klassischen DTM-Einsteigern, die 20 oder 21 Jahre alt sind. Da merkt man ihm an, dass er schon ein Stückchen weiter ist. Er ist gut für die Marke, weil er tief verwurzelt mit ihr ist. Das kann gut werden!

Er macht ja auch vor der Kamera eine gute Figur und wirkt sehr eloquent.

Sicher, aber in der DTM zählt eigentlich nur eins, und das ist Performance. Daran wird er letztendlich gemessen und nicht, ob er ein netter Kerl ist. Wenn die Performance stimmt und dazu noch alles andere passt, umso besser!

Vielen Dank für das offene Gespräch!

Passende Themen

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community