Schadstoffärmer: Mercedes-Benz SL Baureihe R 107

Eine Reaktion auf neue Umweltbestimmungen - zeitweise speziell für den US-Markt

Schadstoffärmer: Mercedes-Benz SL Baureihe R 107: Eine Reaktion auf neue Umweltbestimmungen - zeitweise speziell für den US-Markt
Erstellt am 25. Mai 2012

In den 1960er-Jahren hält das Thema Umweltfreundlichkeit zunehmend Einzug ins Automobil. Insbesondere in den USA werden entsprechende Bestimmungen verabschiedet, beispielsweise Abgasgrenzwerte. Sie einzuhalten ist für die Autohersteller eine immense Herausforderung. Somit spiegelt jedes Fahrzeug, das zur damaligen Zeit auf den Markt kommt, die Situation wider – auch und in besonderem Maß der Mercedes-Benz SL der Baureihe R 107, der 1971 sein Debüt feiert. Denn für jede SL-Reihe sind die USA ein sehr bedeutsamer Markt.

Die Marke mit dem Stern trägt der Situation von Anfang an Rechnung. Im Frühjahr 1971 wird der Mercedes-Benz Typ 350 SL vorgestellt, und mit leichtem Zeitversatz folgt die für den US-Markt bestimmte Ausführung. Sie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der normalen Ausführung: Sie hat einen anderen Motor. Denn für den Export nach Nordamerika wird der neue SL von Beginn an nicht mit dem 3,5-Liter-V8 geliefert, sondern mit dem 4,5-Liter-Aggregat, und dort zunächst unter der Typenbezeichnung 350 SL 4.5 angeboten.

Neben dem Erfüllen der Abgasauflagen ist ein weiterer Grund der damals in den USA geringe Bleigehalt im Kraftstoff und die daraus resultierende niedrige Klopffestigkeit, die lediglich bei einem ROZ-Wert von 91 und MOZ-Wert von 81 liegt. Die für den dortigen Markt bestimmten Motoren haben eine Verdichtung von lediglich 1 : 8. Um überhaupt auf einigermaßen vertretbare Fahrleistungswerte zu kommen, ist der Einsatz des hubraumstärkeren 4,5-Liter-Motors unumgänglich.

Zunächst nennt Mercedes-Benz für diese Fahrzeuge keine Leistungswerte. Vergleichsmessungen zeigen aber, dass diese Motoren unter den für den europäischen Markt vorgesehenen 200 PS (147 kW) der 3,5-Liter-Motoren liegen. Ein 350 SL mit Automatikgetriebe beschleunigt von null auf 160 km/h in 26 Sekunden und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 211,8 km/h. Die Werte für einen 350 SL 4.5 liegen bei 29,5 Sekunden für den Spurt von null auf 160 km/h und bei 198,4 km/h Höchstgeschwindigkeit. Im Gegensatz zu späteren Ausführungen haben bei diesen Messungen beide Fahrzeuge die identische Antriebsachsübersetzung.

Ab dem Modelljahr 1974 wird aufgrund verschärfter Abgasvorschriften in Kalifornien der US-Markt mit zwei verschiedenen Ausführungen beliefert. „Kalifornien-Ausführung“ werden die Wagen für den sonnigen Bundesstaat genannt, „Bund-Ausführung“ die für die restlichen Bundesstaaten der USA. Die Kalifornien-Wagen erhalten zusätzlich Abgasrückführung, Abgasnachverbrennung sowie eine erweiterte Kraftstoff-Verdunstungsanlage mit einem Aktivkohlefilter. Die Motorleistung der Bund-Ausführung beträgt 190 SAE PS (140 kW), die der Kalifornien-Ausführung sinkt auf 180 SAE PS (132 kW). Ab 1975 wird die Kalifornien-Version dann für alle Bundesstaaten obligatorisch. Und von 1976 an ist in den USA flächendeckend nur noch bleifreies Benzin erhältlich.

„Kalifornien-Ausführung“

Weitere starke Auswirkungen haben die verschärften Crashvorschriften. Die Maßgabe, dass ein Aufprall bis 8 km/h ohne Beschädigung der Karosserie zu überstehen ist, führt bei den US-Ausführungen zu den für die damalige Zeit typischen vorstehenden Stoßstangen, die den SL um 250 Millimeter verlängern und zudem das Gewicht erhöhen.

Ab dem Modelljahr 1980 büßen die Triebwerke durch weiter verschärfte Abgasvorschriften weitere 20 SAE PS (15 kW) ein. In Verbindung mit der längeren Übersetzung der Antriebsachse (von 1 : 3,27 auf 1 : 2,65) aufgrund der verschärften Flottenverbrauchsvorschriften sinken die Fahrleistungswerte weiter. Die Höchstgeschwindigkeit für den Typ 450 SL beträgt 179,2 km/h, von null auf 160 km/h vergehen 35 Sekunden.

Verschärfte Abgasvorschriften

Die sich weiter verschärfenden Flottenverbrauchsvorschriften führen ab dem Modelljahr 1981 bis zum Modelljahr 1985 zu einer einschneidenden Veränderung. Der Typ 380 SL ersetzt den bisher gelieferten 450 SL. Mit einer Leistung von 155 SAE PS (114 kW) und dem bescheidenen Drehmoment von 267 Newtonmetern müssen die Kunden des US-Markts zufrieden sein. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 176 km/h, für die Beschleunigung von null auf 160 km/h sind 29,5 Sekunden genannt. Diese im Jahr 1984 ermittelten Werte bewegen sich immerhin auf dem Niveau der vier Jahre zuvor mit dem 4,5-Liter-Motor erzielten Werte. Die ausschließliche Lieferbarkeit des Typ 380 SL auf dem US-Markt führt zu den beachtlichen Stückzahlen von 44.333 in die USA exportierten Fahrzeugen und zu einem US-Anteil von 83,33 Prozent. Für Technikinteressierte: Der Typ 380 SL hat von Anfang an die langhubige Ausführung des M 116, die ab Herbst 1981 mit dem sogenannten Energiespar-Konzept auch für die restlichen Märkte eingeführt wird.

Ein Herz für die US-Kunden zeigt der Vorstand bei einer Entscheidungsfahrt für das Modelljahr 1985/1986, als er sich für ein in hiesigen Breitengraden unbekanntes Modell ausspricht: Der Typ 560 SL für die USA wird geboren, die dortige Situation ist der ausschließliche Auslöser dafür. Was ist geschehen? Versuchsingenieure haben zu einer Entscheidungsfahrt unter anderem neben den 380 SL für den US-Markt auch diese Version mit 5,6-Liter-Motor gestellt – worauf der Vorstand sich klar für diesen ausspricht. Erleichtert wird die Entscheidung auch durch die in den USA inzwischen deutlich bessere Benzinqualität. Ein ROZ-Wert von 96 und ein MOZ-Wert von 86 sind ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Treibstoffqualität zehn Jahre zuvor. Damit kann auch die Verdichtung auf 1 : 9 angehoben und die Verbrennungseffizienz des Motors verbessert werden.

Von 49.340 gebauten Fahrzeugen gehen alleine 46.263 in die USA.

Mit einer vom Fachmagazin „Road & Track“ gestoppten Höchstgeschwindigkeit von 208 km/h und einer Beschleunigung von null auf 160 km/h in 19,6 Sekunden werden zwar keine Werte erreicht, die einem Europäer Freudentränen in die Augen getrieben hätten, aber für die US-Amerikaner ist dieses Auto ein deutlicher Fortschritt, den sie zu würdigen wissen. Von 49.340 gebauten Fahrzeugen gehen alleine 46.263 in die USA.

Der nächste Schritt hin zu noch umweltfreundlicheren Autos erfolgt dann ab Mitte der 1980er-Jahre mit der Einführung des Abgaskatalysators. Auch der Mercedes-Benz SL der Baureihe R 107 erhält ihn noch, ab der Modellpflege 1985 werden die für die restlichen Märkte dann noch lieferbaren Typen 300 SL, 420 SL und 500 SL stufenweise auch als Ausführung mit geregeltem Katalysator eingeführt.

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