Im Reisebus der 1950er Jahre kann man stilvoll Reisen!

O wie Omnibus: 1954 Mercedes-Benz O 3500

Im Reisebus der 1950er Jahre kann man stilvoll Reisen!: O wie Omnibus: 1954 Mercedes-Benz O 3500
Erstellt am 2. Februar 2017

Man schreibt das Jahr 1949. Nach der Währungsreform 1948 kann man in Deutschland die wichtigsten Grundbedürfnisse wieder decken, und man sehnt sich nach etwas mehr Abwechslung vom Alltag. Die ersten Gedanken an Urlaub in anderen Regionen kommen auf, ein eigenes Auto liegt jedoch noch in weiter Ferne.

In dieser Situation kommt Mercedes-Benz mit der ersten Bus-Neuentwicklung nach dem Krieg, dem O 3500, gerade recht. Er wird ab Dezember 1949 als Beginn der dortigen Busproduktion in Mannheim gebaut und ist seit 1950 auf dem Markt. Seine Basis ist der LKW L3500, er hat jedoch im Gegensatz zu diesem ein für den Personenverkehr geeignetes Niederrahmenfahrgestell. Einsatzgebiet ist selbstverständlich nicht nur der Fernreise- sondern auch der Stadtverkehr. So gibt es neben den Reiseausführungen den Stadtomnibus mit druckluftbetriebenen Türen an der rechten Seite (vorn als Schiebe- hinten als Faltausführung).

Für den Langstreckenverkehr werden die Varianten Überlandbus und Allwetterbus angeboten. Dabei sticht der Allwetterbus durch extra breite und hohe Fenster, seine Dachrandverglasung, ein Schiebedach und eine besonders attraktive Chrom- und Farbgestaltung besonders hervor. Man fuhr eben im Mercedes in Urlaub (wenn auch im ehemaligen Benz-Werk gebaut…). Selbstverständlich musste bei Langstreckenfahrten auch an das Gepäck gedacht werden. Dafür war neben kleineren Fächern am Fahrzeugboden und im Heck Stauraum auf dem Dach vorgesehen, den der Fahrer über eine fest montierte Leiter erreichen konnte. Neben den von Mercedes-Benz ausgelieferten Komplettbussen boten namhafte Karosseriebaufirmen eine große Anzahl von Aufbauten auf Fahrgestellen des O 3500 an. Insgesamt war der O 3500 in sechs Jahren Bauzeit mit 6049 Fahrgestellen (einschließlich Komplettauslieferungen) der erfolgreichste Bus seiner Zeit.

Ein Überlandbus von 1954, ein Jahr vor Produktionsende gebaut, ist noch heute bei Schäpers Kiepenkerlreisen in Nordwalde im Einsatz. Ursprünglich wurde unser O 3500 an die französischen Besatzungsstreitkräfte nach Berlin ausgeliefert, also vorgesehen zum Dienst im Kalten Krieg. Danach führte ihn sein Weg zu einem Busunternehmer nach Köln. Vor seinem dortigen Einsatz wurde er in beige mit grünen Kotflügeln und Stoßstangen sowie einem ebensolchen Mittelstreifen umlackiert. Gleichzeitig fuhr er ab da für Monheimer Alt (welch ein Affront in Köln!) und Peters Kölsch Reklame. Anschließend wäre ein Schrottplatz fast das Ende seines Daseins gewesen, hätte ihn nicht der Busunternehmer Ulrich Schäpers gerettet.

Für ihn kam der Fund gerade rechtzeitig, suchte er doch zum 60jährigen Firmenjubiläum etwas aus alter Zeit, um damit die Firmentradition zu unterstreichen. Mit einem O 3500 hatte nach dem Krieg der Wiederaufbau der Firma begonnen und daran knüpfte der Schrottplatzfund aus Köln an. Selbstverständlich stand eine Totalrestauration, vornehmlich in eigener Werkstatt, an, wobei der O 3500 seine jetzige Farbe, Beschriftung und Ausstattung erhielt. Insbesondere bekam der Bus im Hinblick auf seinen künftigen Sonderfahrteneinsatz einen Barbereich und hat dadurch nur noch 28 Sitzplätze. Wie beim Original haben die Sitze, dem zu erwartendem Mercedes-Benz-Komfort entsprechend, echte Federkernpolster!

Auch in seinem dritten Leben bei der Firma Schäpers spielt der Einsatz als Reisebus noch immer eine Rolle. Seine längste Tour führte ihn mittlerweile bis nach Luzern (CH). Die vielen Plaketten am Innern der Windschutzscheibe zeugen von einem "bewegten" Leben.
Hauptsächlicher Fahrer dabei ist Gerfried Weischede. Seit seiner Jugend ist er offenbar mit  dem Busfahren verwachsen. "Damals," so erinnert sich der Siebenundsiebzigjährige, "fing alles mit einem Handwagen an, in dem ich meine Freunde als Busfahrer umherfuhr, wobei ich gleichzeitig den Schaffner spielte. Da mir das Transportieren wohl einmal im Blut lag, machte ich während meines Elektrotechnikstudiums meinen LKW Führerschein und fuhr an Wochenenden LKW im Transportgewerbe.

Vor meinem Berufseintritt als Diplomingenieur bei den Wuppertaler Stadtwerken bin ich dann zunächst LKW gefahren. Gegen den Willen des Betriebsrats der Stadtwerke, der wohl Konkurrenz aus eigenen Unternehmenskreisen fürchtete, ließ mich dann mein Arbeitgeber auf Firmenkosten 1983 meinen Busführerschein machen. Der Traum meines Lebens war erreicht. Selbst als späterer Leiter des Heizkraftwerksbereichs ließ mich das Busfahren nicht los und noch heute bin ich aushilfsweise für die Wuppertaler Stadtwerke als Busfahrer im Linienverkehr und bei Sonderfahrten tätig. Die Einnahmen gehen als Spenden an zumeist technisch orientierte Fördervereine". Inzwischen ist das Busfahren zum Familienhobby geworden, auch Gerfrieds Frau hat seit 1996 einen Busführerschein und geht mit Gerfried begeistert auf gemeinsame Touren. Für die Firma Schäpers gehören Gerfried und seine Frau ganz einfach zu dem O 3500. Sie verstehen es eben, ihn seiner Zeit gemäß zu bewegen.

"Es macht einen Riesenspaß, so einen alten Wagen zu fahren" sagt Gerfried und fährt fort: "Der Fahrer ist hautnah an der Technik, kein Synchrongetriebe, keine Servolenkung, keine luftunterstützte Kupplung, keine automatischen Türen, kein E-Gas, kein ABS oder sonstige  technische  Hilfsmittel, die den Fahrer nur noch indirekt einwirken lassen. Alles geschieht mechanisch und direkt, fast alles ist schwergängiger als bei modernen Bussen, aber irgendwoher muss ja wohl die Bezeichnung "Kraft"-Fahrer kommen".

Wenn Gerfried dann doch einmal nach etwas weniger Kraftaufwand zumute ist, er aber trotzdem nicht auf automobile Historie verzichten möchte, bleibt ihm immer noch sein 220S Cabrio B (W 187). So wird man dann, alles unter dem Stern, vom Bus- zum Herrenfahrer.

Autor: Friedrich-W. Thüner

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