Damals wie heute Repräsentation pur

Von der Belgischen Regierung: 1970 Mercedes-Benz 600 (W100)

Damals wie heute Repräsentation pur: Von der Belgischen Regierung: 1970 Mercedes-Benz 600 (W100)
Erstellt am 14. Juli 2016

Die Entstehungsgeschichte des 600ers, des nach dem 770 aus den 1930er Jahren zweiten Großen Mercedes,  begann bereits etwa zehn Jahre bevor er 1963 zu seiner Erstvorstellung auf der IAA in Frankfurt auf dem Markt erschien. Entwickelt wurde er mit besonderem Blick auf den Rolls-Royce Phantom V, den er in jeder Hinsicht übertreffen sollte. Schließlich hatte auch der 770 zu seiner Zeit einem Phantom Konkurrenz geboten.

Der neue "M 100"-V8 Einspritzermotor mit 6,3 Litern Hubraum leistete 250 PS

Nur das damals technisch Hochwertigste und Fortschrittlichste war den Entwicklern des W 100 unter Fritz Nallinger gut genug für das Lastenheft. Sämtliche  verfügbaren  Komfortelemente waren Selbstverständlichkeiten. Genauso selbstverständlich war das neu entwickelte Antriebsaggregat, der M 100, ein V8 Einspritzermotor mit 6,3 Litern Hubraum, 250 PS und einem maximalen Drehmoment von 51 mkg. Seine Weiterentwicklung war Basis weiterer späterer Spitzenmodelle mit dem Stern bis hin zum 450 SEL 6.9, die zu ihrer Zeit jeder für sich sportwagenähnliche Leistungen boten. Gleiches galt  auch für den 600. Seine Höchstgeschwindigkeit lag bei 205 Kilometern pro Stunde, die 100er Marke erreichte er nach 10 Sekunden. Dabei hatte das Fahrzeug in seiner leichtesten Ausführung immerhin 2,5 Tonnen zu bewegen. Die Bezeichnung  "Größter Sportwagen aller Zeiten" lag da nahe.

"Größter Sportwagen aller Zeiten"

Obwohl die erste Ölkrise in seine Bauzeit fiel, spielte der Benzinverbrauch in dieser Klasse und bei seinem Käuferkreis keine Rolle. Immerhin benötigte er laut Werksangaben 28,8 Liter pro 100 km. Unter seinen prominenten Besitzern soll es dabei arabische Königshäuser gegeben haben, die über 100  Exemplare in ihrem Fuhrpark hatten. Dagegen war Schah Reza Pahlavi mit zwanzig Stück ein kleines Licht. Kaiser Hirohito von Japan setzte mit seinem 600er auf Tradition, schließlich hatte er auch bereits einen 770 in seinem Besitz. Selbst im Sozialismus galt der Stern etwas, immerhin besaß Mao Tse Tung die Kleinigkeit von elf Fahrzeugen. Leonid Breschnew und Kim Il Sung gehörten zu den Kleinabnehmern.

Die Produktionsstatistik mit den Typen kurz und lang, letzterer als Pullman-Limousine und Landaulet, weist insgesamt 2190 Fahrzeuge der kurzen Variante und 487 Langexemplare aus, davon 59 hinten offene Landaulets. Am bekanntesten hierunter ist wohl das Papamobil, das für Papst Paul VI. gebaut wurde und dem Vatikan zwanzig Jahre lang als Stellvertreterfahrzeug diente.
Weiter auf der Prominenzschiene kommen wir dann über Namen wie Liz Taylor, Gunther Sachs, Aristoteles Onassis und Elvis Presley wieder zu Udo Jürgens. Er kaufte seinen weißen 600 1969 und besaß ihn fünfzehn Jahre.

 

Selten: W100 in "MB 50 Weiß"

Die Farbe Weiß (MB 50) erschien 1970 wohl auch der belgischen Regierung für ein Repräsentationsfahrzeug angemessen. Hier konnte unser Hauptdarsteller, der nunmehr Thomas Ortelt gehört, ähnlich lange wie sein Pendent bei Udo Jürgens, "Staat" machen, entsprechende Pflege war während dieser Zeit keine Frage. 89.000 Kilometer spulte er als Staatsdiener ab und wurde anschließend an eine belgische Mercedes-Vertretung  verkauft. Die folgenden zwanzig Jahre verbrachte er dort im ungestörten Dornröschenschlaf und wurde bei Auflösung des Hauses an einen deutschen Händler verkauft.

Der 600er stammt aus dem belgischen Staatsdienst

Seit 2004 fährt Thomas seine Staatskarosse nun wie ein Alltagsfahrzeug. "Nie hat er während dieser Zeit technische Probleme bereitet, von Ausfällen kann erst recht keine Rede sein", erzählt Thomas. "Das Fahrzeug ist ungeschweißt und, bis auf einige nachlackierte Stellen, im Originallack. Allerdings musste das Holz im Innenraum durch einen Fachbetrieb restauriert werden. Der Motor und das 4-Stufen Automatikgetriebe   befinden sich im Originalzustand ", so Thomas.

"Für die damalige Zeit immer wieder beeindruckend ist der Komfort" berichtet Thomas weiter. "Die zentrale Hydraulik mit dem Behälter unter dem linken Vorderkotflügel ist hierfür das Hauptelement.  Die Sitze einschließlich der hinteren Sitzbank sind hydraulisch verstellbar, ebenso die Fensterheber und das Schiebedach. Natürlich hat das Auto Servolenkung und -bremsen. Heizung, Lüftung sowie die Klimaanlage sind elektrisch regulierbar. Die Härte der Luftfederung ist während der Fahrt vom Lenkrad aus steuerbar."

Der Mercedes-Fan und Benz Mechaniker kennt seine Limo

"Allerdings", so Thomas, "ist beim Schließen des Kofferraumdeckels dank der Hydraulik allerhöchste Vorsicht geboten. Die Schließkraft ist so hoch, dass es nahezu lebensgefährlich ist, sich nach dem Auslösen des Schließvorgangs in den Kofferraum nach innen zu beugen. Bereits während meiner Mercedes-Lehrzeit wurden wir, wenn wir an diesem Auto arbeiteten, immer wieder vor dieser Gefahr gewarnt", so der gelernte KFZ-Mechaniker weiter. Sicherheitssensoren, wie sie heute üblich wären, gab es seinerzeit offenbar noch nicht.

Welch ein Gefühl, mit einem solchen Auto wie einst die Ruhrbarone der Großindustrie, die hier verkehrten, zum Fototermin durch den Torbogen von Schloss Hugenpoet, dem luxuriösesten Hotel Essens, der damaligen Schmiede Deutschlands, in den Innenhof zu gleiten. Wie viele Karossen dieser zwischen 1963 und 1981 produzierten Serie mögen hier früher geparkt haben? Selbst Thomas als Fahrer scheinen solche nostalgischen Gefühle zu überkommen. Ein würdiger Rahmen für Erinnerungen und für unsere Fotostrecke…    

Text & Fotos: Friedrich W. Thüner
 

Mercedes-Fans.de Technische Daten

1970 Mercedes-Benz 600 (W 100)

Motor:  8 Zylinder V 8 ( M 100 )
Getriebe: 4 Stufen Automatik
Bremsen: Scheiben vorn und hinten
Felgen:   6,5J X 15 H
Reifen:   9.00 H 15 Supersport 6 PR
Fahrwerk: Vorn:    Doppel-Querlenker    
                  Hinten:  Eingelenk-Pendelachse mit  Niveauregulierung
Karosserie: Serie, Schiebedach
Innenraum: Serie, Polster Leder braun    


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